Indische Künstler verzaubern den Tempel

Indische Künstler verzaubern den Tempel
Ganesha, und zwei Rehe in der Emmentaler Landschaft: Wandbild im erneuerten Hindutempel. / Bild: Gabriel Anwander (agl)
Langnau: Wie alle Hindutempel muss auch jener im Schärischachen alle zwölf Jahre erneuert werden. Zu diesem Zweck ­weilten namhafte Künstler aus Indien im Emmental.

Ganesha ist der wichtigste und bekannteste Gott der Hindu. Die Statue, die Ganesha verkörpert, trägt den Kopf eines Elefanten. Seit letzter Woche strahlt die Statue im Hindutempel im Schärischachen in der Gemeinde Langnau wieder in neuer ­Frische. Auch Murugan, Shiva, Laksmi und andere Statuen der wichtigsten Hindugötter sind neu geformt und bemalt worden.

Jena Nathan und Thiruyan Kandiah vom Tempelverein Sri Vinayakar erklären den Grund der Renovation: «Unsere Religion verlangt, dass ein Tempel alle zwölf Jahre erneuert werden muss. Wir haben diese Tempelanlage im Jahre 2010 eröffnet. Es wurde also Zeit, die Altare neu auszustatten.» Um die vielen Verzierungen, die Wände und die Figuren zu erneuern, liess sich der Tempelverein etwas Besonderes einfallen. Er engagierte dazu den Künstler Thiagarajan aus Tiruvarur in Indien. Thiagarajan und seine Truppe sind international bekannte Spezialisten für Hindufiguren. Sie bauten in Malaysia eine 40 Meter hohe und im Süden Indiens gar eine 45 Meter hohe Statue der Gottheit Murugan.

Sechs Monate Arbeit

Im Februar dieses Jahres reisten vier Künstler ins Emmental. Einer von ihnen erkrankte schwer und musste wieder abreisen. Kandiah zeigt die Kunstwerke, welche die drei anderen geschaffen haben. Er öffnet alle ­Türen, knippst die Lichter an und sagt: «Die Holztüren haben wir aus Sri Lanka importiert, alle anderen Werkstoffe stammen aus der Schweiz.»

Ursprünglich wollten die Künstler ihre Farben aus Indien benutzen, doch der Verein bestand darauf, Farben aus der Schweiz zu verwenden. Nach einer kurzen Testphase fanden sie einen Betrieb, der eine Qualität liefern konnte, die alle zu überzeugen vermochte. Der Tempelverein wollte den Tempel zudem um einen Altar erweitern. Weil der Platz innerhalb der Anlage schon  jetzt knapp ist für Grossanlässe, brachen sie ein Loch in die Hauswand und liessen einen Altar in die Öffnung bauen. Ähnlich einem Erker. Insgesamt sechs Monate brauchten die Künstler, um den Anbau und die anderen Altare zu gestalten und zu bemalen. Die Figuren haben sie von Hand modelliert. Letzte Woche weihten die Gläubigen ihren Tempel mit einem grossen Fest ein. Auf die Frage, wo sie während der Umbauphase gebetet und ihre Zeremonien abgehalten hätten, sagt Kandiah: «Wir haben für diese Zeit im ersten Stock ein Provisorium eingerichtet.»

Zwei Rehe verewigt

Thiruyan Kandiah deutet mit Stolz auf den Altar im Erker. «Es gibt in der Schweiz über zwanzig Hindutempel. Nun haben wir den grössten Altar von allen», sagt er. Jena Nathan deutet zum Schluss auf das Wandbild hinter Ganesha. Es stellt die Hügel des Emmentals mit den Alpen im Hintergrund dar. «Sehen Sie die zwei Rehe?», fragt Nathan und erklärt: Blickt man durchs Fenster des Tempels, sieht man eine abschüssige Wiese und weiter oben den Wald. Jedes Jahr seien während des zehntägigen Tempelfestes im Juli täglich zur selben Stunde zwei Rehe aus dem Wald getreten und hätten Gras gefressen. Eine Geiss und ein Bock. Einer der Künstler habe diese beiden Tiere auf dem Wandbild verewigt.

Der Hindutempel in Langnau ist seit letzter Woche nicht nur jener mit dem grössten Altar der Schweiz, sondern wohl auch der zauberhafteste von allen.

07.09.2023 :: Gabriel Anwander (agl)