Emmental/Entlebuch: Das Mitfahrsystem Taxito ist mit viel Vorschusslorbeeren gestartet. Heute, drei Jahre später, wird es nur gut einmal pro Tag benutzt. Hat es trotzdem eine Zukunft?
Nennen wir sie Frau Müller. Sie wohnt in Kröschenbrunnen, muss nach Trubschachen zur Physiotherapie, hat aber kein Auto. ÖV gibt es ebenfalls keinen in Kröschenbrunnen, dafür einen Taxito-Punkt am Strassenrand. Hier kann sich Frau Müller hinstellen, per SMS den Zielort eingeben, der dann auf dem Display am Strassenrand angezeigt wird. Nun wartet sie, bis ein Auto hält und sie mitnimmt. Die Fahrt kostet nur einen Franken. Um die Sicherheit muss sich Frau Müller ebenfalls nicht grosse Sorgen machen: Das Kennzeichen des Autos, das sie mitnimmt, schickt sie an die Taxito-Zentrale, die somit jederzeit weiss, wer bei wem ins Auto gestiegen ist.
Tönt gut. Trotzdem wird Taxito selten genutzt. In den Gemeinden Trubschachen, Trub und Escholzmatt-Marbach werden pro Jahr rund 500 Fahrten gezählt. Macht im Schnitt bloss etwa 1,3 Fahrten pro Tag – im ganzen Gebiet zusammengezählt.
Eine Alternative bieten
Vor drei Jahren haben die drei Gemeinden Taxito eingeführt. Es sei ein zukunftsträchtiges System, das sich im Luthertal bestens bewährt habe, erklärten die Initianten damals. Mittlerweile ist die Euphorie auch dort verflogen. Die Benutzungszahlen hätten sich nicht wie gewünscht entwickelt, deshalb werde Taxito im Luthertal per 10. Dezember eingestellt, teilt der Verkehrsverbund Luzern mit.
Ob Taxito auch in Trub, Trubschachen sowie Escholzmatt-Marbach vor dem Ende steht? Immerhin sind die Fahrtenzahlen hier noch tiefer als im Luthertal. «Zugegeben, die Zahlen sind nicht riesig», sagt der Truber Gemeindepräsident Peter Aeschlimann. Aber: «Unser Gebiet ist dünn besiedelt. Deshalb habe ich auch keine Riesenzahlen erwartet.»
Für Aeschlimann haben Mitfahrsysteme wie Taxito trotzdem ihre Berechtigung. Vor drei Jahren sei der Kröbu – die Busverbindung von und nach Kröschenbrunnen – eingestellt worden, erklärt er. «Mit Taxito wollten wir der betroffenen Bevölkerung eine Alternative bieten.»
Am Hebel ziehen
Doch was, wenn die Alternative so selten genutzt wird? Immerhin zahlen die Gemeinden jährlich je 1500 Franken für jeden der acht Taxito-Einsteigepunkte in Trub, Trubschachen und Escholzmatt-Marbach. «Ja, irgendwann muss man die Kosten-Nutzen-Frage stellen», sagt Peter Aeschlimann. Es sei wichtig, «dass wir nun versuchen, das System zu optimieren».
In welche Richtung dies gehen könnte, umreisst Martin Beutler, der Chef der Taxito AG. Der Einsteigepunkt in Trubschachen zum Beispiel liege sehr ungünstig, erklärt er. Das Display mit dem Fahrziel sei an der Strasse installiert, der Passagier müsse aber – eine Auflage des Kantons – weiter hinten beim Bahnhof warten. Es sei sinnvoll, den Punkt an eine geeignetere Stelle zu versetzen, wo der Fahrgast an der Strasse warten könne und besser gesehen werde.
Taxito-Punkte, die in drei Jahren nur zehn Mal benutzt würden, machten wenig Sinn, räumt Beutler ein. «Da wird es Anpassungen brauchen.» Aber insgesamt seien die Nutzerzahlen am Steigen. Schweizweit gibt es Taxito in sechs Regionen; auch in der Region Sumiswald mit Hornbach, Schonegg und Sumiswald-Grünen als Einsteigepunkte. Diese funktionieren nicht elektronisch, sondern mechanisch: Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, betätigt einfach einen Hebel, und sogleich geht beim Taxito-Schild am Strassenrand ein grosser Daumen hoch. Sobald ein Auto hält, kann auch hier eine SMS mit dem Kennzeichen an die Zentrale geschickt werden – und fertig. Das System koste die Gemeinden jährlich nur 450 Franken pro Punkt und es werde erfreulich häufig genutzt, insbesondere im Wandergebiet Schonegg, erklärt Beutler.
Neue Lösungen suchen
Nebst Taxito gibt es in der Schweiz noch diverse andere Mitfahrsysteme. Nur ganz wenige seien aber erfolgreich, erklärt Mobilitätsexperte Andreas Kronawitter. Er ist Geschäftsführer des Rufbus-Taxis MyBuxi sowie der Schweizerischen Mobilitäts-Plattform ITS-CH. «Der Knackpunkt dieser Mitfahrsysteme ist stets der gleiche: Der Autofahrer will die maximale Flexibilität behalten, der Mitfahrer will die grösstmögliche Verbindlichkeit, um von A nach B zu gelangen», so Kronawitter. Das sei schwierig, unter einen Hut zu bringen.
Braucht es überhaupt solche Systeme, wenn die Nachfrage so klein ist? «Das kann man aus zwei Perspektiven betrachten», sagt Kronawitter. «In der Schweiz besitzen viele ein Auto, daher scheint das Bedürfnis nicht gross.» Aber in nächster Zeit müsse viel Strasseninfrastruktur – Tunnel, Brücken und so weiter – erneuert werden. «Das wird extrem viel Geld verschlingen», so der Mobilitätsexperte. Gleichzeitig sei die Auslastung der Verkehrsmittel extrem tief: In der Hauptverkehrszeit ist ein Auto im Schnitt mit 1,1 Personen unterwegs. Auch die Auslastung des Öffentlichen Verkehrs ist mit insgesamt 30 Prozent tief.
Um die Infrastrukturkosten tragen zu können, brauche es in Zukunft besser ausgelastete Mobilitätsformen, sagt Kronawitter. Man müsse sich aber bewusst sein: «Die Gewohnheiten der Menschen zu ändern, braucht Zeit. Viel Zeit.»