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Ist der Mensch ein Vogel?

Vor ein paar Jahren nahm ich zwei Zebrafinken in Pflege. Ich wollte natürlich, dass sich diese niedlichen Piepmätze bei mir wohlfühlen und machte mich im Internet schlau. ­Zebrafinken verbringen quasi den ganzen Tag damit Nahrung zu suchen, las ich damals und dachte etwas überheblich: «Nichts als Fressen im Kopf!» Nach dem letzten Wochenende, das ich mit Partner und Töchtern in Mannheim verbrachte, musste ich wieder an dieses muntere Federvieh denken, über das ich mich einst lustig gemacht hatte. Unser erklärtes Ziel für den Samstag war die Bundesgartenschau. Doch schon am Freitagabend fing die Sucherei nach einem Restaurant an. Der Italiener hatte keine Plätze mehr frei, der Japaner daneben auch nicht. Der Thai war geschlossen, ebenso ein weiteres italienisches Restaurant, «wegen persönlichen Gründen» stand auf der Tafel. So lungerten wir zu viert hungrig vor dem Japaner rum, bis ein Tisch frei wurde. Das Essen machte satt ohne weitere Gaumen-Belästigung. Der Samstag fing nicht viel besser an. Da wir unser Hotel ohne Frühstück gebucht hatten, begaben wir uns erneut auf Nahrungssuche. Entlang einer Mannheimer Hauptmeile latschten wir in brüllender Hitze von einem ­Bäcker zum nächsten, aber die Angebote lockten uns nicht – bis wir an ­einen kleinen, kunterbunten Laden namens Frida-Kahlo-Café kamen. Der junge Wirt begrüsste uns freundlich und erzählte, dass die Künstlerin und ihr Lebensweg ihn aus einer Depression geholt hätten, deshalb heisse sein Café nach ihr. Wir frühstückten zwischen Kahlo-Kitsch und Frida-Föteli persischen Kartoffelsalat, Spiegelei auf Fladenbrot und weitere liebevoll angerichtete Köstlichkeiten aus seiner Heimat. Beseelt und satt verabschiedeten wir uns von Wirt Schahab wie alte Freunde. Auf der Bundesgartenschau, die übrigens eine Reise wert ist, hangelten wir uns erfolgreich von einer gastronomischen Station zur nächsten. Abends wieder in Mannheim-City … nein, ich erspare Ihnen die Einzelheiten. Jedenfalls landeten wir kurz vor der Schliessung der Küche bei einem Italiener, der uns mit Murren ein paar Spaghetti hinwarf. Am Sonntag, unserem Ab­reisetag, fanden wir tatsächlich nach einem Fussmarsch ein wunderbares Frühstückslokal, das keine Wünsche offenliess. Später im Zug planten wir, was es in Signau zum Abendessen geben sollte und schrieben gleich einen Einkaufszettel für Montag. Vor allem aber sprachen wir lange darüber, was den Menschen von einem Zebrafinken unterscheidet – bei der Nahrungssuche mit Sicherheit nichts.

31.08.2023 :: Christina Burghagen (cbs)