«Es ist nun mal so, dass Fahrende auch irgendwo leben müssen»

«Es ist nun mal so, dass Fahrende auch irgendwo leben müssen»
Oberhalb von Langnau haben Fahrende für einen Monat ihr Lager aufgeschlagen. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Langnau: Am 8. August hat sich eine Gruppe Fahrender auf einer Wiese oberhalb von Langnau niedergelassen. Dies mit der Einwilligung des Landwirts und der Bewilligung der Gemeinde.

Die Fahrenden hätten ihn gefragt, ob sie hier ihre Fahrzeuge abstellen könnten, berichtet Landwirt Werner Wüthrich. Nun hat er der Gruppe, welche mit 16 Gespannen (Auto und Wohnwagen) aus Frankreich angereist ist, eine Wiese mit einer Fläche von rund 35 Aren zur Verfügung gestellt. Es handle sich um Personen, welche in der Schweiz angemeldet seien und dadurch hier auch ihren Gewerben nachgehen dürften, sagt der Landwirt, der mit den Fahrenden einen Vertrag abgeschlossen hat. Demnach dürfen die Leute während eines Monats dort bleiben.


Befristete Bewilligung

Für den Betrieb des Standplatzes ist eine Bewilligung nötig. «Die Gemeinde Langnau hat, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen, eine Interessenabwägung sowie eine Verhältnismässigkeitsprüfung vorgenommen. Gestützt auf diese Abklärungen hat die Abteilung öffentliche Sicherheit dem Grundeigentümer eine Bewilligung für den Standplatz für Fahrende ausgestellt», ist einer Mitteilung zu entnehmen. Ähnlich verhalte es sich beispielsweise bei Pfadilagern, fügt Gemeindeschreiber Samuel Buri an. Die Gemeinde werde regelmässig Kontrollen vornehmen. Weitere Kosten würden für die Gemeinde nicht entstehen. Im Gegenzug kann die Gemeinde Kurtaxe einziehen. Gemäss dem entsprechenden Reglement der Gemeinde Langnau sind Fahrende nicht davon ausgenommen. 

Die Bewilligung für den Standplatz enthält Auflagen. «Die Einhaltung liegt in der Zuständigkeit des Grundeigentümers. Dieser muss die Ruhe und Ordnung sowie die Sauberkeit auf dem Standplatz und in der näheren Umgebung sicherstellen», steht in der Mitteilung weiter. «Zudem ist er verpflichtet, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, um jegliche Beeinträchtigung der Umwelt zu verhindern. Dies beinhaltet insbesondere die sachgerechte Entsorgung des Schmutzwassers.»


Landwirt liefert Frischwasser

Wie Landwirt Werner Wüthrich erklärt, liefere er den Gästen das nötige Frischwasser. «Das Abwasser entsorgen sie selbständig in der ARA», erklärt er. Für die Waschmaschine beispielsweise hätten sie zwei Tanks; ­einen mit dem sauberen und einen mit dem verschmutzten Wasser, nennt Wüthrich ein Beispiel. Auch hätten die Fahrenden einen Container für den Abfall aufgestellt.  «Es sind angenehme, anständige Leute.» 

Negative Reaktionen habe er persönlich keine vernommen, sagt der Landwirt, obschon der temporäre Standplatz sicher ein Thema sei. «Wir sind wohl schon ein bisschen offener gegenüber Fahrenden», meint Werner Wüthrich. Das liege vielleicht auch daran, dass sie auch ein wenig Fahrende seien, erklärt der Landwirt – nämlich Markt-Fahrende. «Wir gehen einmal pro Woche auf den Markt in  Bern und lernen dabei natürlich auch verschiedenste Leute kennen. Und es ist nun mal so, dass die Fahrenden auch irgendwo leben müssen.» Für vier Wochen nun auf dieser Wiese oberhalb von Langnau.

«Ratgeber Spontanhalt» des Kantons Bern

Die Schweiz ist verpflichtet, den fahrenden Minderheiten der Jenischen, Sinti und Roma Haltemöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Grundlage dafür bildet die Bundesverfassung, die europäische Menschrechtskonvention (EMR) und der UNO-Pakt II. «Neben der Bereitstellung der dauerhaften und offiziellen Stand- und Durchgangsplätze gehört auch die Möglichkeit des Spontanhaltes dazu», steht in der Broschüre «Ratgeber Spontanhalt», der auf der Webseite der Direktion für Inneres und Justiz des Kantons Bern zu finden ist. «Aufgrund von Vorurteilen gegenüber den fahrenden Minderheiten und negativen Erfahrungen mit illegalen Halten grösserer Gruppen geriet der spontane Halt unter Druck.»

Die Broschüre gibt Tipps – für Fahrende, Grundeigentümer und Gemeinden. Die zentralen Punkte: Der Grundeigentümer muss mit dem Spontanhalt einverstanden sein; ein schriftlicher Vertrag wird empfohlen; Umwelt- und Gewässerschutzvorgaben sind einzuhalten.

17.08.2023 :: Bruno Zürcher (zue)