Ein schillerndes Musiktheater

Ein schillerndes Musiktheater
Die schillernden Kleider von Kostümbildnerin Sarah Bigler verfehlen ihre Wirkung nicht. / Bild: Simon Schwab
Moosegg: Seit gestern heisst es auf der Moosegg «Heute Abend: Lola Blau»: Mit viel Glitzerfummel entführt das Ensemble in die glitzernde Welt des Theaters und die dunkelste Zeit Europas.

«Im Theater ist was los. Ich weiss nicht, wie man einen anderen Beruf haben kann!», schwärmt Lola Blau singend auf der Moosegg-Bühne über ihre Profession als Künstlerin. Diese Zeilen könnten auch vom Interpreten Simon Burkhalter stammen, der schon als Jugendlicher die ersten Regieschritte ausführte und seither die Region mit X gelungenen Inszenierungen versorgt. Das Musical «Heute Abend: Lola Blau» stammt aus dem Jahr 1971 von Georg Kreisler. Es erzählt die Geschichte einer jungen, jüdischen Schauspielerin in der Zeit des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Das Musical umfasst eine Spannweite von virtuoser und tragischer Komödie bis zur berührenden Tragödie.


Flucht ins Ungewisse

Die Schauspielerin Lola Blau lebt im Österreich des Jahres 1938. Für die politischen Geschehnisse ihrer Zeit interessiert sie sich nicht. Selbst als ihr Onkel auf seiner Flucht nach Polen anruft, hat sie nur eines im Sinn: ihr erstes Theater-Engagement in Linz. Doch durch den Einmarsch der Natio­nalsozialisten kommt es anders: Lola Blau muss in die Schweiz fliehen und als sie dort rausgeworfen wird, nach Amerika auswandern. Als gefeierter Star kehrt sie nach dem Krieg zurück, muss jedoch feststellen, dass in ihrer alten Heimat die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. In einem zunächst fröhlich erscheinenden Musical mit dem eingangs zitierten Song «Im Theater ist was los» oder «Sex is a wonderful habit» übt der jüdische Dichter, Kabarettist und Komponist bittere Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Zuständen, die in Liedern wie «Alte Tränen» und nicht zuletzt «Zu leise für mich» sichtbar wird.

Kreisler zeigt die Situation jüdischer Kunstschaffenden in der Zeit des Dritten Reichs auf, die er bei seiner Flucht 1938 am eigenen Körper erlebt hat. Mit 16 Jahren floh er mit seinen Eltern gerade noch rechtzeitig in die USA, wobei die Familie all ihr Vermögen und ihre Habe zurücklassen musste. «Heute Abend: Lola Blau ist die Geschichte einer Ohnmacht», schrieb Kreisler über sein Werk, «Lola steht dem Antisemitismus ebenso ratlos ohnmächtig gegenüber wie dem eigenen Judentum. Sie ist ohnmächtig gegen die sturen Schweizer, wütet ohnmächtig gegen die schlüpfrige Bühnenkarriere in Amerika, und zum Schluss ist sie wieder ohnmächtig gegen die österreichischen Ewig-Gestrigen.»


Schweineschnitzel und Sauerkraut

Schwer zu schlucken hat das Moosegg-Publikum, wenn die Hakenkreuzfahne gehisst wird, und ein Hitler (Martin Schurr) hoch oben im genial verwandlungsfähigen Bühnenbild eine Schreirede hält. Doch letztendlich sagen die gekeiften Worte nichts aus bis auf Schweinsschnitzel und Sauerkraut.

Mit wenigen Handgriffen wird aus der Stube ein Schiff, auf dem Lola Blau nach Amerika fährt und dort schon für die Upper Class als frivole Diva brilliert und in petrol-glitzernder Robe den Zarah Leander-Hit «Nur nicht aus Liebe weinen» vorträgt. Der Bariton von Simon Burkhalter kommt hier wunderbar zur Geltung. Bei dem Lied «Beruf Dame», dem zweitältesten Frauenberuf der Welt, wiederum ist es der freche Humor, mit dem Burkhalters einschliesslich gut dosierten Stöhn-Seufzern überzeugt, was auch für die Nummer «Sie ist ein herrliches Weib» gilt. Die kann nämlich nicht kochen, nicht lesen, nicht schreiben und nicht tanzen, was eine Gruppe orthodoxer Juden bekümmert mit Oi Oi Oi Oi kommentiert. Als der Krieg vorbei ist, feiert Lola. Ja, mehr noch. Im Lied «Heut werd ich mich be­saufen …» gibt sie sich so richtig die Kanne und dem Publikum einen atemberaubenden Moment an schauspielerischer Leistung und Stimm-Brillanz. Sicherlich ein Höhepunkt der Inszenierung ist die fesselnde und zum Niederknien komische Szene, als Lola dem Theaterdirektor am Telefon die unterschiedlichsten Varianten des Lieds «Ich hab´ die Liebe in der Tasche» vorsingt. Wer zum Schluss immer noch grübelte, wer dieser Georg Kreisler eigentlich war, dem wurde mit dem fröhlichen-bösen Schunkelwalzer «Geh ma Tauben vergiften im Park» auf die Sprünge geholfen. Zum Schluss heisst es: «So ist das Leben. Erst geht man auf den Leim, dann bleibt man kleben …»


Das Ensemble

In weiteren mehrfach besetzten Rollen sind zu sehen: Stefanie Verkerk, Martin Schurr, sowie Barbara Bortoli und Cedric Baumann als Tanzpaar. Das Ensemble und den Chor bildeten Sonja Nydegger, Hubert Marbacher, Christa Berger, Edith Wild, Peter Gloor, Danièle Themis, Jrene Studer, Bettina Fatio, Hansueli Widmer, Annatina Themis, Madeleine Gamma, Pino Simili und Bärbel Doniat. Das Musical wird bis zum 28. Juni gespielt.

15.06.2023 :: Christina Burghagen (cbs)