Hans Jürg Zingg beschäftigt sich seit langem mit Mundarten. / Bild: Gabriel Anwander (agl)
Rüegsau: Hans Jürg Zingg ist ein Sprachliebhaber und ein Sprachkünstler und er kennt die feinen Unterschiede der bernischen Mundarten. Das beweist er in seinem neuen Buch «tüet nid z wüescht».
Die Berner Mundart ist reich an Varianten. Und doch wird gelegentlich behauptet, die Menschen in und um Thun sprächen kein eigenes Berndeutsch. Zwischen dem markanten musikalischen Dialekt der Oberländer und der betont eleganten Sprache der Stadtberner bleibe kein Raum für eine weitere Mundart-Variante. Der Kabarettist, Liedermacher, Slampoet und Buchautor Hans Jürg Zingg lacht über diese Meinung. Er ist in Thun aufgewachsen, hat während seiner Jugend oft Ferien in der Nähe von Frutigen verbracht und später in Bern studiert. Seit nun über 50 Jahren wohnt er im Emmental. Deshalb kennt er die Mundarten in all diesen Regionen ziemlich genau. Das «Thuner Dütsch», sagt er, lasse sich sehr wohl von den Dialekten der Nachbarregionen abgrenzen.
Zingg liebt die Sprache
Zingg ist ein Sprachliebhaber und Sprachkünstler. Bereits im Gymnasium, erzählt er, habe er ein Schülerkabarett gegründet und die Hälfte der Texte selbst geschrieben. Nach dem Studium unterrichtete er Deutsch am Gymnasium Bern-Kirchenfeld und leitete lange die Theatergruppe. Er inszenierte zeitgenössische Stücke von Frisch, Havel oder Dürrenmatt, dazwischen aber immer wieder auch Eigenproduktionen wie das 1980 auf dem Bärenplatz uraufgeführte Strassenspektakel «Circus Elite´s Galashow».
An einer Hochzeitsfeier gab Zingg eine Schnitzelbank zum Besten. Der für seine Improvisationskunst bekannte Organist Edwin Peter war davon begeistert und bot Zingg an, gemeinsam aufzutreten. Die Zusammenarbeit klappte vom ersten Moment an. Zingg sang bissig-satirische Lieder über aktuelle Themen, Peter begleitete ihn improvisierend am Klavier. Zehn Jahre lang erlebte das Duo in der ganzen Deutschschweiz beachtliche Erfolge. Die besten Stücke wurden auf zwei Langspielplatten mit den Titeln «Improvisatiren» und «Improvokazione» veröffentlicht.
Von 1986 bis 2000 schrieb Zingg mit spitzer Feder Texte für das Satiremagazin Kaktus am Radio. Das Schreiben und Produzieren im Team für ein anonymes Publikum sei für ihn eine neue, spezielle Erfahrung gewesen, erzählt er weiter. Nach seiner Pensionierung blieb ihm mehr Zeit für sein Hobby. 2014 erschien sein Lyrikband «my wörtersack» und bereits zwei Jahre davor startete er seine späte Karriere als ältester Slampoet der Schweiz. Er trat in der gesamten Deutschschweiz auf und schaffte es im Jahr 2014 ins Finale der Schweizermeisterschaften in Bern. Seit diesem Frühjahr, so Zingg, habe er mit Slammen aufgehört, um sich ganz der Promotion seines Mundartromans zu widmen.
«Schül» verliebt sich
Das Buch ist im März erschienen und trägt den Titel «tüet nid zwüescht», und die Ergänzung «e gymerliebi vo synerzyt z gäbige am thunersee – spouken wöörd roman». Die fein gesponnene Liebesgeschichte ist gleichzeitig ein Bildungsroman und spielt in den frühen Sechzigern in «Gäbigen», einer Kleinstadt am Thunersee.
Schül, der Lehrerssohn, verliebt sich in Änni, die Bergbauerntochter aus dem Frutigland. Beide besuchen das Gymnasium, sie belegt Englisch, er Griechisch. Auch in Sachen Kunst und Musik haben sie unterschiedliche Ansichten. Beide singen zwar gerne, doch er hört lieber Jazz und sie mehr Klassik, ausserdem ist sie ein Klaviertalent, während er auf Bratsche und Klarinette «herumstümpert». In der Liebe geht es ihnen ähnlich, nach den Funken der Verliebtheit folgt das Feuer, dann aber bald der erste Dämpfer. Dieses Auf und Ab in der Beziehung, mal Glück, mal Enttäuschung, macht die Erzählung zu einem fesselnden Lesestoff.
Der Text ist frei von jeglichen Satzzeichen, durchwegs klein geschrieben und in gebrochenen Zeilen angeordnet. Und die Eigenheiten der beiden Mundarten stellt Zingg in den zahlreichen Dialogen schön, eindeutig und gepflegt dar.
schüls blick
wanderet itze zum änni überen u die
luegt zrügg u winkt ne häre wiischt waas
seit si haublut won er vor e re schteit
wier ziichnen enanderen aab zeerscht duu miig
u näär iig diig
schül weis das er ke schlächte zeichner isch
u bi ännis voorschlaag wiird s im heiss vor fröid
aber trotzdäm seit er
u du meinsch das chöm guet
was het schwarz gsiit – e muetproob
schül schlückt läär u seit komentaarloos
auso de schtand häre – oder wosch hocke
u schämt sech e chlei
für sy aafluug vo feigheit
Beim Lesen wird schnell klar: Zingg hat seine Lust am Erzählen, seinen Sinn für Humor, sein ganzes sprachliches Können in dem Buch vereint und ein Glanzstück geschaffen. Der Mundartspezialist und Autor Christian Schmid schreibt im Vorwort: «Vergleichbares habe ich in der Mundartliteratur bis heute noch nicht gelesen.» Dieser Aussage schliessen wir uns gerne an.