Er prägte die Gemeinde Flühli während Jahrzehnten, nun geht er in Pension: Hans Lipp. / Bild: Rudolf Burger (bur)
Flühli: Nach einer überaus langen politischen Karriere wird Gemeindeammann Hans Lipp Ende April pensioniert. Ein Porträt über einen, der mit Leib und Seele Gemeindepolitiker war.
Er war Gemeinderat, Gemeindepräsident, Kantonsrat, Parteipräsident, Chef Bevölkerungsschutz und ist noch für wenige Tage Gemeindeammann. Auf Ende Monat ist Schluss; dann ist Hans Lipp 65, und dann wird, wie er sagt, «das Politische abgehängt». Über die Gemeinde Flühli weiss nach seiner 33-jährigen politischen Karriere keiner so viel wie er. «Ja, manchmal hat man mir gesagt, ich sei der Dorfkönig, aber ich habe mich nie so gefühlt und auch nicht so aufgeführt», sagt er.
Um zu beurteilen, ob vielleicht nicht doch zu viel Macht in seiner Person vereinigt war, muss man sich vergewissern, wie die Gemeinde organisiert war: Der Gemeindeammann ist nach luzernischem Gemeinderecht Teil der Exekutive, Lipp war in Flühli zu 100 Prozent angestellt und unter anderem verantwortlich für die Finanzen und das Bauwesen. Die Gemeindepräsidentin und drei weitere Gemeinderäte politisierten dagegen «nur» nebenamtlich. Nach dem Rücktritt von Lipp wird sich Flühli neu organisieren: Sein Nachfolger Stefan Süess wird noch in einem 50-Prozent-Pensum angestellt, die Pensen der übrigen Gemeinderäte werden zum Teil erhöht, ihre Ressorts neu organisiert und auch personell aufgestockt. «Ich war nicht für dieses Modell», sagt Lipp offen, «die Verwaltung wird stärker, der Gemeinderat schwächer. Ich frage mich auch, ob die Gemeinde das finanziell vermag. Unter dem Strich kostet das mehr. Aber es ist so, gewisse Leute dachten, der Gemeindeammann sei zu mächtig.»
«Keine 0815-Gemeinde»
Tatsächlich kann man sich fragen,
ob sich Flühli, eine Gemeinde mit bloss rund 1850 Einwohnern, mit dem neuen Organisationsmodell nicht übernommen hat. Allerdings sei Flühli «keine 0815-Gemeinde», erklärt Lipp, «zusammen mit Sörenberg sind wir 108 Quadratkilometer gross, wir haben viele Zweitwohnungen, viel Tourismus.» Die Entwicklung der Gemeinde, auf die er stolz ist, die er mitverfolgt und gefördert hat, bescherte ihm aber auch eine empfindliche Niederlage: Vergeblich versuchte er im Luzerner Kantonsrat, dem er seit 2015 angehörte, zu verhindern, dass Flühli von weniger Rückzonungen betroffen wäre. Die Quittung dafür gab es im Mai 2022: An der damaligen Gemeindeversammlung wurden 19 der 21 Einsprachen gegen die vom Kanton angeordneten Rückzonungen gutgeheissen. «Ein unschönes, sehr emotionsgeladenes Thema», kommentiert Lipp, der aber auch weiss, dass dieser Protest gegen das Rückzonen von «teilweise voll erschlossenem Bauland» wohl nichts fruchten wird.
Finanzen saniert
Als grössten Erfolg bezeichnet Hans Lipp, der auch einmal Leiter der örtlichen Raiffeisen-Filiale war, die Entwicklung der Gemeindefinanzen: «Als ich angetreten bin, betrug die Pro-Kopf-Verschuldung fast 15´000 Franken, jetzt sind wir bei einem Pro-Kopf-Vermögen von rund 6700 Franken.» Als weitere positive Entwicklungen in seiner Zeit sieht er die Ansiedlung des Reka-Feriendorfs in Sörenberg, «die uns 50´000 Übernachtungen pro Jahr gebracht hat» und den Bau des Golfplatzes, der im zweiten Anlauf gutgeheissen wurde. Jetzt, da er vor dem Rücktritt steht, kann er auch dazu stehen, dass er «nicht Feuer und Flamme» für das Fusionsprojekt von Flühli, Entlebuch, Hasle und Schüpfheim war, das 2010 nur gerade von Schüpfheim angenommen wurde. «Offiziell musste ich – in Übereinstimmung mit dem Gemeinderat – dafür sein, inoffiziell war ich dagegen.»
Sorgen macht Hans Lipp die Klimaveränderung. «Das Unwetter vom 4. Juli letzten Jahres hat enorme Schäden verursacht.» Schon 2005 habe es ein «riesiges Unwetter» gegeben, «wir mussten gar Leute evakuieren».
Wenn, wie in diesem Winter, der Schnee ausbleibe, werde es für den Wintersport in Sörenberg problematisch. «Ohne Beschneiungsanlagen kann man die Skilifte nicht mehr betreiben», sagt er. Auch deshalb setze man vermehrt auf Sommertourismus. «Der neue Moorrundweg auf der Rossweid zieht viele Familien an.»
Sorgen um seine Partei
Gewisse Sorgen hat er auch in Bezug auf seine Partei. Mit dem Namenswechsel von der CVP zur «Die Mitte» hatte Lipp «keine Mühe», aber als einer, «der im rechten Flügel politisierte», gefällt ihm eines «nicht so gut»: «Viele driften Richtung links ab, vor allem die Frauen.» Darüber hinaus musste er zur Kenntnis nehmen, dass sein Nachfolger als Gemeindeammann, Stefan Süess, SVP, die Kampfwahl gegen den Mitte-Kandidaten klar gewann und die SVP bei den jüngsten Wahlen ins Kantonsparlament auf Kosten der Mitte im Entlebuch einen Sitz gewann.
Grossvater, Wanderer, Biker
Dass es in wenigen Tagen mit seiner Arbeit im Gemeindehaus vorbei ist, bedauert Lipp keineswegs. «Ein neuer Lebensabschnitt beginnt», sagt er. Das zweite Enkelkind sei unterwegs, er freue sich auf die Grossvaterrolle, freue sich aufs Wandern, Biken, Langlaufen, Skifahren, Lesen und vor allem auch auf den 16. September: Dann findet die 9. Entlebucher Kaffee-Schnaps-Wanderung statt, ein Anlass, den er als OK-Präsident gründen half. Auf dem Rundgang von fünf Kilometern werden sieben verschiedene Posten angelaufen, dabei ist einiges zu verköstigen und mit diversen Wässerchen herunterzuspülen. «Es geht darum, Entlebucher Kafi Träsch so zuzubereiten, dass man durch das Glas Zeitung lesen kann», erklärt Lipp. «Alle 888 Startplätze sind jeweils innert Kürze verkauft, es kommen Taxis aus der ganzen Schweiz.» Er selbst marschiert zwar nicht mit, weil mit Organisationsaufgaben betraut, aber um 19 Uhr, wenn sich alle im Festzelt einfinden, wird dort auch der Pensionär Hans Lipp anzutreffen sein.