Wie eine Indoor-Hanfanlage die Juristen beschäftigt

Wie eine Indoor-Hanfanlage die Juristen beschäftigt
CBD-Hanf ist legal. Für die Anlage, in der er aufgezogen wird, ist allerdings eine Bewilligung nötig (Symbolbild). / Bild: Pixabay/Pfüderi
Langnau: Im ehemaligen Coop an der Oberstrasse wollen gleich zwei Firmen legalen Hanf produzieren. Nachbarn wehren sich dagegen. Mittlerweile liegt der Fall beim Kanton.

An der Oberstrasse 6 in Langnau, wo bis 2010 der Grossverteiler Coop sein Verkaufsgeschäft hatte, stehen heute drei Wohnblocks mit Eigentums- und Mietwohnungen. Unterkellert sind diese Gebäude mit der ehemaligen Coop-Verkaufsfläche und der früheren Einstellhalle. Diese Gebäudeteile wurden vom Abriss des Coop verschont. Und um einen grossen Teil dieser Verkaufsfläche geht es in einer noch nicht unendlichen, aber mittlerweile doch ziemlich langen Geschichte.


Zwei Firmen scheitern

Seit 2017 werden diese ehemaligen Coop-Räume vermietet. Zunächst etabliert sich in einem Teilbereich die Firma CannaCous GmbH, die legale Hanfprodukte produzieren und verkaufen will. Im April 2019 geht die Firma in Liquidation. An ihre Stelle tritt ein paar Monate später die Firma Cannabizz AG. Auch sie will legale Hanfprodukte herstellen und verkaufen. Unter «legalem Hanf» wird der sogenannte CBD-Hanf verstanden, der eine beruhigende Wirkung haben soll und der gegen verschiedene Krankheiten eingesetzt wird.

Eine Bewilligung für die Herstellung dieses legalen Hanfs liegt nicht vor. Gleichwohl beginnt Canabizz mit der Produktion. Es gibt Beschwerden der Nachbarschaft, die sich durch Geruchs- und Lärmemissionen belästigt fühlt. Deshalb schreiten die Gemeindebehörden ein. Die Produktion wird mangels Baubewilligung verboten und die Firma aufgefordert, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Cannabizz wird liquidiert und geht 2022 in Konkurs.


Ein neuer Anlauf

Im Juli 2021 startet die Herbsensis CBD GmbH aus dem luzernischen Kriens einen weiteren Versuch, an der Oberstrasse 6 legalen Hanf zu produzieren. Geplant ist, den Hanf in zehn Stecklingszelten à rund 160 Pflanzen zu ziehen und die Pflanzen etwa zehn Wochen später nach ihrer Blütezeit an spezialisierte Betriebe weiterzuverkaufen. LED-Lampen sollen für das nötige Licht sorgen und der Einsatz eines Aktivkohlefilters und Abluftgebläses soll Geruchsemissionen verhindern.

Verschiedene Nachbarn – nach den Erfahrungen mit der Firma Cannabizz alarmiert – erheben Einsprache gegen das Projekt. Sie wehren sich gegen den zu erwartenden «Gestank und Lärm», sie weisen darauf hin, dass in diesen Lagerräumen nur «ein stilles Gewerbe» zugelassen werden könne. Eine Einigungsverhandlung verläuft erfolglos. Im März 2022 wird eine Projektänderung publiziert, die insbesondere Änderungen am Lüftungskonzept vorsieht. Darauf werden wiederum diverse Einsprachen eingereicht. Diese seien abgewiesen worden, «ohne dass die Gemeinde mit uns das Gespräch gesucht hat», sagt Markus Brügger, einer der Nachbarn. Er findet, aus Sicht der Gemeinde seien die Einsprecher wohl einfach nur «lästige Nörgler».


Beschwerde eingereicht

Am 14. Februar dieses Jahres erteilt die Gemeinde der Herbsensis GmbH die Baubewilligung für das Betreiben einer CBD-Anlage. «Wissen Sie, wie Cannabis riecht? Stellen Sie sich vor, so riecht es in Ihrem Keller, Ihrem Treppenhaus und sogar in Ihrer Wohnung. Diese Horrorvorstellung dürfte bald unser Alltag sein», schreibt Brügger danach in einem Mail an die «Wochen-Zeitung». Brügger, der sich mit dem Thema Hanf-Produktion intensiv befasst hat, findet auch: «Die Konkurrenz beim CBD-Hanf ist heute so gross, dass er in der Schweiz kaum kostendeckend hergestellt werden kann. Aus meiner Sicht besteht die Gefahr, dass versucht wird, heimlich auch THC-Hanf zu produzieren. Damit würden wir in der Nachbarschaft mit Kriminalität konfrontiert.»

Patrick Schwab, Bauinspektor der Gemeinde Langnau, sieht den Ablauf etwas anders. «Wir verstehen die Sorgen der Anwohner und haben mehrere Besprechungen mit ihnen geführt. Wir haben  für die Einsprecher viel Zeit aufgewendet und ihre Anliegen ernst genommen», sagt er. Der Betrieb einer Hanfanlage sei aus Sicht der Gemeinde in dieser Mischzone möglich, es sei nur mit mässigen Emissionen zu rechnen. Deshalb habe die Baukommission die Bewilligung erteilt. Gegen die Bewilligung der Gemeinde haben zwei Nachbarn, die namentlich nicht genannt werden wollen, bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern Beschwerde eingereicht. Ihr Vertreter, der Langenthaler Rechtsanwalt Patrick Freudiger, verlangt, die Baubewilligung sei zu verweigern. Die Voraussetzungen für eine solche Anlage seien unter der geltenden ZPP (Zone mit Planungspflicht) und einer Zone mit Wohnnutzungen nicht gegeben.  Die dauernd laufende Lüftungsanlage der CBD-Indoor-Anlage erzeuge Lärm- und Geruchsemissionen, die über einen Kamin ins Freie gelangten. Der geplante Kamin auf dem neu erstellten Liftschacht – in dem der Lift allerdings fehlt – sei zu wenig hoch und es gebe für den Schacht keine gültige Baubewilligung. Kritisiert werden in der Beschwerde auch die Gutachten und Messungen punkto Geruchs- und Lärmemissionen. Und: «Betroffene Personen hatten aufgrund der in der Vergangenheit erfolgten unbewilligten CBD-Produktion erhebliche Geruchsemissionen zu erdulden. Wochenlang waren penetrante Gerüche wahrnehmbar, zum Beispiel im Treppenhaus oder sogar in Wohnungen und in der ganzen Umgebung.» In nächster Umgebung des geplanten Kamins befänden sich nebst Familien- auch Alterswohnungen und eine Kindertagesstätte.


Der «Fall Lotzwil»

Markus Schwarz, Geschäftsführer der Herbsensis GmbH, will gegenüber der «Wochen-Zeitung» zur Beschwerde nicht Stellung nehmen, der Zeitpunkt dafür sei «momentan sehr ungünstig». Laut dem Rechtsamt der Bau- und Verkehrsdirektion wird es bis zum Sommer dauern, bis der Kanton in dieser Sache entscheidet.

Mut schöpfen die Gegner der Anlage aus dem «Fall Lotzwil». In der Oberaargauer Gemeinde hatten die Behörden ein Baugesuch für eine CBD-Aufzuchtanlage in einem Gewerberaum abgelehnt, weil dort nur stilles Gewerbe zulässig sei. Dagegen erhob der Projektverfasser Beschwerde, blitzte aber im Februar dieses Jahres bei der kantonalen Bau- und Verkehrsdirektion ab. Laut dem Langnauer Bauinspektor Patrick Schwab sind die beiden Fälle aber nicht gleich gelagert: «In Lotzwil betraf das Vorhaben eine reine Wohnzone. Die Oberstrasse 6 dagegen liegt in einer Mischzone, in der stilles bis mässig störendes Gewerbe erlaubt ist. Zu diesem Schluss ist beim Projekt Herbsensis auch die kantonale Fachstelle Immissionsschutz gekommen.»


Ein zweites Projekt

Aus Sicht der Nachbarschaft wird die Geschichte um den CBD-Hanf noch unerfreulicher, weil im März bei der Gemeinde ein weiteres Baugesuch für die übrigen Lagerräume im ersten Untergeschoss an der Oberstrasse 6 eingereicht wurde: Auch die Firma Snema GmbH aus dem luzernischen Büron möchte dort eine Anlage zur Produktion von CBD-Hanf betreiben. Er verwende ein System mit Klimaanlage und Aktivkohlefilter, sagt Geschäftsführer Snezana Ristanovic, «das stinkt nicht und gibt keinen Lärm». Seine Firma habe mit der Hanfproduktion Erfahrung, und er habe schon viel Zeit und Geld investiert. «Wenn Einsprecher nach der Bewilligung das Verfahren weiterziehen, wird das teuer für sie.»

Der Besitzer der ehemaligen Coop-Räume will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen und sich nicht öffentlich zur Angelegenheit äussern. Auch er hat bereits juristischen Rat eingeholt. Es sieht also ganz danach aus, dass sich der Streit um die Produktion von legalem Hanf an der Langnauer Oberstrasse noch einige Zeit hinziehen wird.

CBD und THC – der Unterschied

In Hanfpflanzen gibt es rund 80 sogenannte Cannabinoide.
Die bekanntesten davon sind das berauschende Tetrahydrocannabinol (besser bekannt als THC) sowie nicht berauschende Cannabidiol (CBD).

Das CBD wird als Heilmittel unter anderem gegen Stress und Schmerzen verwendet, allerdings ohne dass die Wirksamkeit medizinisch nachgewiesen wäre. Cannabis mit CBD, das einen THC-Gehalt von weniger als einem Prozent enthält, kann legal verkauft und gekauft werden.

13.04.2023 :: Rudolf Burger (bur)