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Der Weg und kein Ziel

Kennen Sie das, wenn Sie mit aller Energie auf ein Ziel hinarbeiten, und auf einmal hat sich aus irgendwelchen Gründen das Ziel aus dem Staub gemacht? Zum Beispiel erwarten Sie Übernachtungsbesuch, putzen stundenlang die Wohnung, der Besuch sagt kurzfristig ab, und Sie sitzen in einer nie gekannten Sauberkeit? Okay, bei Ihnen ist es vermutlich immer pico­bello ohne Staubschichten und Kruschtelecken, wie die Schwaben sagen. Dann stellen Sie sich mal vor, Sie möchten einen Pudding anrühren, bringen die Milch zum Kochen und stellen dann fest, dass es kein Puddingpulver mehr im Schrank gibt. Jetzt wirds klar, gell?


Im Dezember lud mich meine Lieblingsnichte zu Ihrem 50. Geburtstag nach Nordhessen ein. Zwei Monate freute ich mich darauf, sie wiederzu­sehen. Doch auch unliebsames Kino schlich sich in meinen Kopf. Nacheinander liess ich innerlich die ganze ­Familie aufmarschieren. Einige hatten abgesagt, weil andere zugesagt hatten. Weitere wurden gar nicht erst einge­laden, weil sie mit jemandem auf der Gästeliste nicht klar kamen. Und es gab Absagen aus Zeitnot oder wegen zu langem Anfahrtsweg. «Der Kreis ist recht klein ausgefallen», informierte mich meine Nichte. Ein Pärchen käme nun nicht wegen der zu mickrigen Runde. «Aber ich will auf keinen Fall neben denen und denen sitzen», rief ich entsetzt. Das sei kein Problem, als Flucht-Gesprächspartner würden sich die und die eignen. Es sei auch noch nicht sicher, ob die von mir Verschmähten überhaupt kämen, weil sie vermuten würden, dass sie vielleicht von jemandem verschmäht werden könnten.

Können Sie mir noch folgen? 

Ich hatte es längst aufgegeben …

Weiteres Gedankenfutter lieferte die Frage der Kleidung. Edel und schlicht? Modisch und farbenfroh? Ich spürte schon die musternden Blicke! So wählte ich sowohl ein distinguiert-schwarzes und ein schreiend-fröhliches Outfit und ich packte noch ein paar Klamotten zum Variieren ein. Mit riesigem Koffer, den mein Mann zog, bestiegen wir den Zug, freuten uns über die 15 Minuten Verspätung der Deutschen Bahn und sahen einer sechsstündigen ICE-Fahrt entgegen. Im Speisewagen entdeckten wir, dass es nur vegane Currywurst gab, am Fenster tauchte die Skyline von Frankfurt am Main auf und meine Nichte rief an. Sie sässe vor einem positiven Coronatest. Das Fest finde nicht statt. Wir schauten wie Eichhörnchen nach einem Waldbrand. 


Im Frühling wird uns meine Lieblingsnichte im Emmental besuchen. Klar, dass ich vorher einen ausführlichen Wohnungsputz plane …

09.02.2023 :: Christina Burghagen (cbs)