«Im Grunde ist jede Brücke ein technisches Kunstwerk»

«Im Grunde ist jede Brücke ein technisches Kunstwerk»
Christoph Baur hatt die Nydeggbrücke massstabgetreu aus Holz nachgebaut. / Bild: Gabriel Anwander (agl)
Langnau: Christoph Baur aus Langnau hat in vielen Stunden die Nydeggbrücke nachgebaut. Jedes einzelne Holzteil ist beschriftet und wird als Geschenk an seinen Grossenkel übergeben.

Es war ein kühnes Projekt. Vor fast zweihundert Jahren liessen die Berner Burger aus Natursteinen und Mörtel eine achtzehn Meter hohe Bogen­brücke über die Aare bauen: die Nydeggbrücke. Der tragende Steinbogen besteht aus Granit und weist eine Spannweite von 46 Metern auf. Die rund 2400 Tonnen schweren Quader wurden von Steinmetzen im Dachstock des Kornhauses mit Hammer und Meissel konisch zugehauen. Auf den Millimeter genau. Vier Jahre dauerte die Bauzeit, genau genommen von 1840 bis 1844. Die Brücke gilt heute noch als eine der grössten ihrer Art in Europa.


Massstabgetreuer Nachbau

Christoph Baur aus Langnau fand die mächtige, behäbige, zweihundert Meter lange Nydeggbrücke schon immer beeindruckend. Vor einem Jahr beschloss er, ein Modell der Brücke zu schaffen, und holte sich im ­Staatsarchiv des Kantons Bern Kopien von den Bauplänen. Statt Granitquader und Sandsteine wollte er Holz verwenden, statt Mörtel Dübel. 

Baur bastelte schon früher kleinere, meist bunte Spielsachen aus Laubsäge- und Sperrholz. Doch von dieser schönen Brücke, erzählte er, wollte er nicht bloss die äussere Form darstellen, die Kontur aus einem Brett aussägen. «Ich wollte den Hauptteil der Brücke nachbauen. Massstabgetreu. Anstelle der Steine wollte ich Holzklötze verwenden, angefertigt aus Dachlatten und Sperrholzplatten.» Doch für dieses anspruchsvolle Projekt war sein Bastelraum nicht ausreichend ausgerüstet.

Er wandte sich an Beni Hofer, den Verantwortlichen der Schreinerei in der Freizeitstätte Langnau. Dieser ermunterte ihn, die Freizeitstätte zu nutzen und zeigte ihm die Räumlichkeiten, Werkzeuge und Maschinen. Er versprach, ihm nötigenfalls mit Rat zur Seite zu stehen. Baur mietete die Schreinerei, wann immer er Zeit fand, rechnete alle Masse auf die geplante Modellgrösse um, kaufte eine Bodenplatte für das Fundament und einen Stapel Dachlatten für den Aufbau der Konstruktion.


Wiederaufbau möglich

Die Brücke nahm nur langsam Gestalt an. Am meisten Schwierigkeiten bereiteten ihm die konischen Klötze für den tragenden Bogen. Sie mussten präzise geschaffen sein, um eine perfekte Krümmung zu bilden, denn er wollte die Klötze nicht etwa verleimen – was einfacher gewesen wäre –, sondern gegenseitig mit lose eingesteckten Holzdübeln verbinden. Dazu bohrte er Löcher in die Innenseiten. Auf diese Weise lässt sich seine ­Brücke wie ein Baukasten demontieren und wieder aufbauen. Damit ein Wiederaufbau auch wirklich gelingt, zeichnete er einen Bauplan seines Modells und verpasste jedem Holzklotz eine Nummer. Sämtliche Einzelteile wird er seinem Grossenkel im Kanton Graubünden zum Geburtstag schenken. Nur dank der Freizeitstätte habe er sein Projekt verwirklichen können, sagte Baur und ergänzte, er wolle nochmals eine Brücke bauen, eine andere, auch sehr schöne. Abschliessend sagte er: «Im Grunde ist jede Brücke ein technisches Kunstwerk.»

26.01.2023 :: Gabriel Anwander (agl)