Langnau– Eggiwil–Thun per Eisenbahn

Langnau– Eggiwil–Thun per Eisenbahn
Das 1905 gebaute Haus Neuhof hätte auch als Bahnhof dienen sollen. / Bild: Hansjörg Mader (hme)
«Grosse Pläne» – Serie (3/4): Eine Schmalspurbahn von Langnau bis nach Thun wurde wirklich mal geplant. 1913 reichte die Gemeinde Eggiwil gar das Konzessionsgesuch ein. Auch wurde bereits ein Bahnhof-Gebäude erstellt, das noch heute steht.

Auf der Strecke Bern–Langnau verkehrten 1864 die ersten Züge. 1875 war dann die durchgehende Reise nach Luzern möglich. Die Strecke Hasle-Rüegsau–Thun wurde 1899 in Betrieb genommen. 

Erst dann kam der Wunsch auf, eine neue Linie von Langnau via Eggiwil, Oberei bis Steffisburg (oder Thun) zu bauen. Gemäss eines Beitrags des «Emmentaler Blatts» ging die Initiative nicht von den Gemeindebehörden aus, sondern vielmehr von einzelnen Bürgern. Diese gewährten freiwillige Beiträge und beauftragten den Geometer Grabow in Eggiwil, einen Plan und einen Kostenvoranschlag «für eine elektrisch zu betreibende Schmalspurbahn von Thun, Steffisburg über Schwarzenegg, Eggiwil mit Anschluss in Langnau oder Signau auszuarbeiten und diesen Plan den interessierten Gemeinden zwecks Erwerbung der erforderlichen Konzession zu unterbreiten».


Ein Bahntunnel durch die Hohwacht 

Noch heute finden sich etliche Pläne dieses Projekts. Von Langnau war ein Tunnel durch die Hohwacht nach Aeschau geplant. Der Zug wäre dann via Moos zum Bahnhof in Langnau gefahren. Dagegen opponierte die Gemeinde Signau, welche sich übergangen fühlte. Daraufhin wurden noch drei weitere Varianten ausgearbeitet, welche von Aeschau über Signau, respektive Schüpbach führten. Von dort bis nach Langnau hätte aber ein separates Gleis verlegt werden müssen, denn das neue Projekt sah eine Schmalspurbahn vor. «Nebst dem Vorteil, dass diese günstiger ist, können mit den schmaleren Gleisen auch engere Radien gefahren werden», erklärte Bahnhistoriker Werner Neuhaus. Schliesslich wurde die Gemeinde Eggiwil beauftragt, ein Konzessionsgesuch einzureichen, was diese am
12. Mai 1913 tat. Das Gesuch ging an die «Hochgeehrten Bundesräte» und umfasst lediglich zwei Seiten. Einiges war noch unklar: Anfangs- und Endpunkt der Bahn seien noch nicht definitiv festgelegt, heisst es darin. Unterzeichnet ist es «mit vollkommener Hochachtung» vom damaligen Gemeindepräsidenten Gottfried Haldemann.


Bahnhof bereits gebaut

Haldemann war offenbar von dem Eisenbahn-Projekt begeistert. Er liess nämlich bereits 1905 beim Weiler Dieboldswil ein Gebäude errichten, exakt an der Stelle, an der ein Bahnhof geplant war. Das Gebäude steht noch heute. «Es war wohl wie ein Bahnhof-Buffet geplant», sagt Annelies Haldemann-Weber, die mit ihrer Familie dort wohnt. «Auffallend ist die Raumhöhe, welche 2,80 Meter beträgt.» Zudem sei das Erdgeschoss in vier gleich grosse Räume unterteilt und der Gang verlaufe durch das ganze Haus. 

Ein Zug ist bei dem Haus indes nie vorgefahren, auch die Gleise wurden nie verlegt. «Das Bahnprojekt erhielt die Konzession nicht», weiss Bahnhistoriker Werner Neuhaus. Um diese zu erhalten, hätte zumindest ein Teil der Finanzierung gesichert sein müssen, was im Ersten Weltkrieg aussichtslos war. Der «generelle Kostenvoranschlag» ist noch erhalten. Für die zirka 33,8 Kilometer lange Strecke wurden 2,77 Millionen Franken berechnet, mit Hohwacht-Tunnel 4,68 Millionen. 

«Es gab Vorbehalte bezüglich der Rentabilität», sagt Lokalhistoriker Hans Minder, der derzeit Informationen für ein Historisches Lexikon der Gemeinde Eggiwil zusammenträgt. «Der Bundesrat sah mehr Potenzial bei einer Bahn auf den Napf.» Heute wissen wir: Auf den Napf geht man heute noch zu Fuss – nach Eggiwil verkehrt wenigstens der Bus. 

Güter besser exportieren

Bahnhistoriker Werner Neuhaus weiss von mehr als hundert Bahnprojekten im Kanton Bern, welche zwar die Konzession erhielten, aber nie gebaut wurden. Eine jähe Zäsur war hierbei der Erste Weltkrieg. «Bei den Projekten im Berner Oberland fehlten durch den Krieg die Gäste, welche auf die kleine Scheidegg oder eine andere Anhöhe fahren wollten», berichtet Neuhaus. «Und bei Bahnprojekten im Unterland fehlte dann oftmals das Geld.» 

Im Gegensatz zu heute war der Güterverkehr oft der Hauptgrund, ein Bahnprojekt anzupacken. «Man wollte Güter einfacher exportieren können», nennt der Bahnhistoriker einen Beweggrund. Bei der Simmentalbahn etwa habe man sich Vorteile für den Viehverkauf versprochen. Die Bauern wollten ihre Kühe einfacher nach Spiez, Thun oder auch ins Ausland transportieren können. 


Kürzer, aber auch konkurrenzfähig?

Hätte die Langnau–Eggiwil–Steffisburg-Bahn je rentiert, wie dies Berechnungen glaubhaft machen wollten? «Das ist höchst fraglich», sagt Neuhaus. «Man konnte ja Güter von Langnau bereits seit 1899 via Konolfingen nach Thun senden. Die neue Strecke wäre zwar kürzer gewesen, aber ob sie auch konkurrenzfähig gewesen wäre?» 

Der Bahnhistoriker blickt aber auch in die Zukunft: «Ab diesem Sommer soll ein Wanderbus von Thun via Steffisburg, Unterlangenegg, Röthenbach, Marbach nach Escholzmatt verkehren. Das ist ja eine ähnliche Route und ich werde diese sicher mal fahren.»

12.01.2023 :: Bruno Zürcher (zue)