Wegen Vogelgrippe kein Geflügel an Ausstellungen

Wegen Vogelgrippe kein Geflügel an Ausstellungen
Dieses Sussex-Huhn hätte Hans Hofer in Schüpbach ausstellen wollen. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Emmental: Wegen der Vogel­grippe darf Geflügel nicht mehr ohne Schutz draussen gehalten werden. Das Verbot trifft nicht nur Profibetriebe, sondern auch Züchter und andere Hobbyhalter.

Hans Hofer öffnet die Tür zum Hühnerstall. Bevor er eintritt, hält er die Stiefel in eine Wanne mit Flüssigkeit. «Das ist zum Desinfizieren, damit man keine Krankheitserreger von draussen einschleppt.» Drinnen ist es hell und sauber. In drei Abteilen tummeln sich Hühner der Rassen Lakenvelder, Vorwerk, Sussex und Barnenvelder. Hofer öffnet einen Verschlag und nimmt ein kastanienfarbenes Huhn mit weissen Punkten auf die Hand. «Das ist ein Sussex braun-porzellanfarbig. Jede Feder muss aussen eine weisse Perle aufweisen», erklärt der Züchter aus Sumiswald. Edel – das Huhn entstammt ja auch einer alten englischen Landrasse. Ruhig lässt es sich bewundern. Eigentlich wäre es für ein grösseres Publikum gedacht gewesen. An der Emmentalischen Kleintierausstellung vom kommenden Wochenende in Schüpbach hätte es von der Jury bewertet werden sollen. Doch daraus wird nun nichts.  


Vergleichsmöglichkeit fehlt nun

Am 24. November entschied das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), dass bis am 15. Februar in der ganzen Schweiz kein Geflügel ausgestellt werden darf. Kurz zuvor wurde im Kanton Zürich bei einem Pfau und einem Graureiher das Vogelgrippe-Virus nachgewiesen. Obwohl es schade sei, dass die Züchterinnen und Züchter ihre Tiere nun nicht beurteilen lassen könnten, verstehe er das Vorgehen der Behörden, sagt Hans Hofer. «Es geht um den Schutz unserer Rassentiere. Das Virus ist hochansteckend und führt immer zum Tod.» An der Ausstellung in Schüpbach hätten er, seine Frau und die Tochter fünf Stämme, je ein Hahn und zwei Hennen, ausstellen wollen. Die Punktierung durch die Jury gebe einem eine Vergleichsmöglichkeit und zeige auf, wo man mit der Zucht stehe, sagt Hofer. Das fehle nun. Die Tiere, die er hätte ausstellen wollen, sind in einem Jahr zu alt dafür. Der Sumiswalder ist nicht nur Züchter, sondern auch Geflügel-Obmann des Teilverbands Emmental von Kleintiere Schweiz. 


Kein Freilauf mehr

Das Ausstellungsverbot ist nicht die einzige Einschränkung, welche die Bundesbehörden angeordnet haben. Auslaufflächen und Wasserbecken von Geflügel – nebst Hühnern sind das etwa auch Enten und Gänse – müssen durch Zäune oder engmaschige Netze vor Wildvögeln geschützt werden. Diese übertragen das Virus, sei es durch direkten Kontakt, über kontaminiertes Wasser und Futter oder Kot. Die Massnahmen gelten nicht nur für Hobbyzüchterinnen und -züchter, sondern auch in Nutztierhaltungen wie Pouletmast- und Legebetrieben (siehe Kasten). 

Züchter Hans Hofer stellten diese Vorschriften vor ein Dilemma: Normalerweise haben seine Hühner Auslauf. Jede der vier Rassen sowie die Hähne verfügen über einen eigenen Stall mit Hof im Freien. «Ich hätte alles überdecken und mit einem feinmaschigen Netz versehen müssen; praktisch unmöglich für diese grosse Fläche.» Schweren Herzens muss er sein Geflügel nun im Stall lassen. Dabei hatte er Glück im Unglück: Letzten Sommer erstellte er einen neuen, grossen Stall für Jungtiere. So konnte er die 60 Hühner sofort in der neuen Unterkunft einquartieren.


Das Futter angepasst

Die Tiere hätten sich rasch an die neuen Bedingungen gewöhnt, erzählt Hans Hofer. «Weil sie genug Platz haben und ich dick einstreue, damit sie scharren können, lassen sie einander in Ruhe.» Die 15 Hähne konnten in ihrem Stall bleiben, auch ihnen wurde der Ausgang gestrichen. Hofer muss nun öfter misten und hat die Fütterung angepasst. «Weil sie keine Kräuter und Würmer picken können, erhalten sie ein Gemisch aus getrockneten Brennnesseln und Oregano sowie getrocknete Mehlwürmer. Das bietet Beschäftigung, Vitamine und Proteine.» Der Geflügelzüchter hofft, dass es die Situation erlaubt, die Massnahmen am 15. Februar aufzuheben und die Tiere wieder ins Freie lassen zu dürfen. Auch das Sussex-Huhn würde sich wohl ob der wiedergewonnen Freiheit freuen, obwohl es, ganz englische Lady, die Einschränkungen mit Würde trägt.


Kleintierausstellung ohne Geflügel


Vom 13. bis 15. Januar findet in der Markthalle Hübelischachen in Schüpbach die Emmentalische Kleintierausstellung statt. «Eigentlich wäre mehr als die Hälfte des Platzes für das Geflügel reserviert gewesen», sagt OK-Chef Andreas Küenzi vom organisierenden Ornithologischen Verein Zäziwil. Weil das Ausstellungsverbot erst am 24. November ausgesprochen worden sei, habe die Zeit nicht gereicht, um eine Spezialausstellung auf die Beine zu stellen oder die Zahl der Tiere zu erhöhen. «Wir werden die Gehege der Kaninchen und Tauben nun etwas grosszügiger anordnen», sagt Küenzi. 

Zu sehen sind in Schüpbach über 500 Kaninchen und 150 Tauben.
In vier Volieren werden zudem Ziervögel präsentiert. Auch der Vogel- und Naturschutz sowie die Fellnähgruppe sind vor Ort. 


Ansteckungen erfolgen über die Atemwege

Betroffen von der Vogelgrippe, auch Geflügelpest genannt, sind alle Vogelarten, insbesondere Hühner und Truten. «Erkranktes Geflügel hat Schwierigkeiten beim Atmen. Bei Hühnern kommt es zu einem Rückgang der Legeleistung, viele Tiere sterben», schreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in einer Mitteilung. Bei Wasservögeln seien meist keine Symptome zu erkennen. Die Ansteckung erfolgt über die Atemwege durch das Einatmen von kontaminierten Tröpfchen von Nasen-, Rachen- oder Augensekreten. Das Einatmen von erregerhaltigem Staub, der mit virushaltigem Kot in Kontakt war, kann ebenfalls zur Ansteckung führen. Die Vogelgrippe ist eine hochansteckende Seuche und damit meldepflichtig. Bei Verdacht und beim Auftreten der Krankheit müssen strenge Bekämpfungsmassnahmen ergriffen werden. Dabei wird das Geflügel in verseuchten Beständen getötet und es werden Schutz- und Überwachungszonen errichtet.


Selten auf Mensch übertragbar 

Menschen, die in engem Kontakt mit erkranktem Geflügel leben, wie dies zum Beispiel in vielen Gegenden Asiens der Fall ist, können auch an der Geflügelpest erkranken. Erste Symptome treten zwei bis 14 Tage nach der Ansteckung auf in Form von schweren grippeähnlichen Beschwerden. «Der aktuell zirkulierende Virusstamm H5N1 ist nach heutigem Erkenntnisstand nur in äusserst seltenen Fällen und nur bei sehr engem Kontakt auf den Menschen übertragbar», hält das BLV fest. Produkte wie Poulet-Fleisch und Eier könnten ohne Bedenken konsumiert werden. Tot aufgefundene Wildvögel sollten generell nicht berührt werden. Sie sind der Wildhut, der Polizei oder dem Veterinärdienst zu melden.

«Professionelle Betriebe sind gut eingerichtet»

Betroffen von den Massnahmen gegen die Vogelgrippe sind auch die Legehennen- und Geflügelmastbetriebe. Die meisten ihrer Mitglieder seien gut eingerichtet, sagen Daniel Würgler, Präsident des Verbands der Eierproduzenten, und Corinne Gygax, Leiterin der Geschäftsstelle der Schweizer Geflügelproduzenten. «Sie verfügen über einen Aussenklimabereich, der überdeckt und an den Seiten mit Gittern versehen ist.» Die Tiere könnten also an die frische Luft und seien trotzdem geschützt vor dem Kontakt mit Wildvögeln. Einzig der Weidegang sei nicht möglich. Etwas mehr Aufwand hätten die Betreiber von mobilen Ställen, die über keinen festen, gedeckten Aussenplatz verfügten, ergänzt Daniel Würgler. Für Hobbyhalterinnen und -halter sei es oft schwieriger, die Massnahmen umzusetzen. Einen grossen Auslauf mit Netzen oder Gittern zu schützen, sei aufwändig. Trotzdem appellieren die beiden, die Vorschriften streng einzuhalten.


Folgen auch für Nachbarbetriebe

Sie habe das Gefühl, dass die Botschaft noch nicht alle Geflügelbesitzer erreicht habe, sagt Gygax. Hobbyhalter seien sich unter Umständen der schwerwiegenden Folgen nicht bewusst. Werde ein positiver Fall entdeckt, müsse nicht nur der ganze Tierbestand getötet werden, sondern es würden auch Schutz- und Überwachungszonen von mehreren Kilometern eingerichtet. «In den Zonen muss der gesamte Geflügelbestand getestet werden. Das kann Tage oder gar Wochen dauern», führt Würgler aus. In dieser Zeit dürften Eier und Tiere, wenn überhaupt, nur mit Bewilligung die Zone verlassen, was wirtschaftlicher Schaden bedeute. «Es geht also nicht nur um die eigenen Tiere, sondern auch um jene in der Umgebung.» 

12.01.2023 :: Silvia Wullschläger (sws)