Mahnmal für den Frieden

Mahnmal für den Frieden
Entlang des Rundweges sind auf Tafeln Aussagen aus der Bibel und dem Koran sowie Gedanken von Hans Schöpfer zu lesen. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Sörenberg: Vor 25 Jahren wurden in Luxor in Ägypten 60 Touristen von Islamisten ermordet. Hans Schöpfer verlor seine Schwester und seine Nichte. Als Zeichen gegen Terror und Gewalt erschuf er das Friedensmemorial.

Das Wasser im Teich liegt still da. Herbstlaub hat sich darauf niedergelassen. Noch leuchtet die Kapelle hell in den letzten Sonnenstrahlen und spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Dann ist die Sonne weg. Die Farben verlieren an Kraft. Die Kälte kommt gekrochen.


Mitten im Leben kann uns der Tod überfallen.

Die Hölle mit dem Teufel Mensch.


Diese Hölle erlebte am 17. November 1997 eine Gruppe Touristen in Ägypten. Bei einer archäologischen Ausgrabungsstätte in der Nähe von Luxor ermordeten islamistische Extremisten 62 Menschen, darunter 36 Schweizer Staatsangehörige. Auch die Schwester und die Nichte von Hans Schöpfer (1940). Er war damals Dozent für Entwicklungspolitik und interdisziplinäre Theologie an der Universität Freiburg. «Ich war in früheren Jahren für zahlreiche Entwicklungsprojekte in Lateinamerika unterwegs, auch in Bürgerkriegsgebieten. Da habe ich viel Elend, Ausbeutung und Gewalt gesehen.» Doch diese Gewalt dann persönlich zu erleben, in der eigenen Familie, das sei nochmals eine ganz andere Dimension. «Man fühlt sich hilflos, ohnmächtig, kann es nicht wahrhaben, nicht mehr schlafen.» Zeugen hätten berichtet, dass die Leute nicht direkt erschossen, sondern zuvor gequält worden seien. «Diabolisch», sagt Hans Schöpfer. Doch das Böse sollte nicht das letzte Wort haben.


Mitten im Leben müssen wir Widerstand leisten.

Vergebung gegen alle Gewalt.


«Hass, nein Hass ist keine gute Reaktion», betont Hans Schöpfer. Wer hasse, laufe Gefahr, ebenso mit Gewalt zu reagieren. Ein Teufelskreis, der nie ende. Ein besserer, wenn auch schwieriger Weg sei die Vergebung. So werde die Gewaltspirale gestoppt.  Es gelte, dem Unrecht etwas Gutes entgegenzusetzen. Hans Schöpfer, der neben seiner beruflichen Tätigkeit als Eisenplastiker tätig war, entwarf eine Gedenkstätte für   die Opfer der Terroranschläge von Luxor und für alle weiteren Opfer von Terror, Krieg und Ausbeutung. Er wollte das Mahnmal im Entlebuch realisieren, denn er ist in Schüpfheim aufgewachsen. In Sörenberg stiessen seine Pläne auf offene Ohren. Bald fand sich ein geeigneter Platz, beim Teich mitten im Dorf. «Ein meditativer Ort, umgeben von Bäumen, zudem gut erreichbar und mit einem Fussweg rundum.» Ausserdem sei dort bereits ein Denkmal gestanden für die Internierten im Zweiten Weltkrieg. Da habe ein Friedensmemorial, wie er das Projekt nannte, gut gepasst.


Mitten im Leben wollen wir Hoffnung schaffen.


Erbaut hat Hans Schöpfer eine Kapelle, die man nicht betreten kann. «Ich wollte einen kleinen Teil unseres Planeten vor dem Zugriff des Menschen bewahren», so seine Überlegung. Auf der Vorder- und Rückseite hat er seine Gedanken in Spiegelschrift festgehalten (kursiver Text in diesem Artikel). Blickt man durch die Buchstaben hindurch, ist der Text auf der gegenüberliegenden Seite normal lesbar. Oder man kann die Spiegelschrift entziffern. Beides nicht ganz einfach. Auch das ist Absicht. «Alles, was wir machen müssen, um Frieden zu erlangen, ist schwer. Und es braucht viel Geduld», erklärt der Künstler, der mit verschiedenen Kunst- und Literaturpreisen ausgezeichnet wurde.

Gerade in der heutigen Zeit, da in Europa wieder Krieg herrsche, gelte es, sich für den Frieden zu engagieren. «Wir dürfen nicht aufgeben, uns für das Gute einzusetzen», appelliert Hans Schöpfer. Jeder einzelne Mensch könne etwas beitragen für eine bessere Welt, sei es im Kleinen, etwa mit Nachbarschaftshilfe, sei es, indem man sich in der Gesellschaft, in der Politik oder Wirtschaft für Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich engagiere. «Es mag vielleicht naiv erscheinen, wenn ich zu mehr Mut und Solidarität, zu Idealismus und Bescheidenheit, zu Toleranz und Kompromissbereitschaft aufrufe», sagt Schöpfer. Doch das sei keine Illusion, sondern die einzige Chance, wie die Menschheit würdig überleben könne.


Platz für Gott auf der Welt.


Die Terroranschläge in Luxor, und seitdem an vielen anderen Orten dieser Welt, wurden im Namen der Religion ausgeführt. Extremismus, betont Hans Schöpfer, müsse immer bekämpft und dürfe nie toleriert werden, egal, ob Islamisten Touristen ermorden oder Rechtsextreme eine Flüchtlingsunterkunft anzünden. Trotz der dunklen Seiten, die alle Religionen hätten, brauche es den Dialog. Der Künstler hat dies mit der Spitze auf der Kapelle dargestellt: Darin sind alle drei monotheistischen Weltreligionen – das Judentum, das Christentum und der Islam – mit ihrem jeweiligen Symbol (Davidstern, Kreuz, Halbmond) vereint. Und auf dem Rundweg sind auf drei der sieben Metalltafeln Aussagen aus dem Alten Testament, dem Neuen Testament und dem Koran zu lesen. Sie alle handeln von Gewaltfreiheit und Frieden.

17.11.2022 :: Silvia Wullschläger (sws)