Der Keramik-Meister im Reich der Tiere

Der Keramik-Meister  im Reich der Tiere
Hansueli Nydegger beherrscht die Kunst der Tiergestaltung / Bild: Christina Burghagen (cbs)
Oberdiessbach: Am Wochenende präsentierten drei Kunstschaffende in Werkschauen ihr Können. Dazu gehörte auch Hansueli Nydegger mit einem Zoo an tönernen Tieren.

Da staunte Terrier Pino am Sonntag nicht schlecht, als er mit seinem Herrchen an der Leine das Atelier des Keramikers Hansueli Nydegger betrat: Elefanten, Bären, Elche und eine ganze Eisbärenfamilie schauten aus den Regalen. Enten und Seepferdchen schwebten an der Decke und eine Schar Regenpfeifer bevölkerte artgerecht auf Sand das Schaufenster. Doch nach einem hundgerechten Schnüffelrundgang entschied Pino, sich gepflegt zu langweilen. Nicht so all die Menschen, die von Freitag bis Sonntag das Atelier an der Schlossstrasse 22 in Oberdiessbach besuchten. Denn das einladende Ambiente, nicht zuletzt durch die exquisite Floristik, lud ein, all die tönernden Tiere und Gefässe im Ladenlokal zu ent-decken, die unglaublich naturnah und echt das Atelier bevölkern.


Felle, Häute, Bewegung

«Meine Inspiration für ein Tier bekomme ich durch die Textur seiner Oberfläche», verrät Hansueli Nydegger. Das sei zum Beispiel die Haut eines Chamäleons oder eines Elefanten, das dichte, kurze Fell eines Fischotters oder die Wuschelmähne eines Hochlandrindes. Zudem, erklärte der Tonmeister, seien spezielle Bewegungsabläufe einzelner Tiere interessant, um sie in einer Momentaufnahme darzustellen. Dazu verwendet Nydegger zwölf verschiedene Ton-Sorten in Weiss-, Rot-, Braun- oder Schwarzfärbung: «Je höher die Brenntemperatur, desto robuster ist das Objekt», klärt der Künstler auf.

Nach der Schule wusste Hansueli Nydegger genau, dass er mit seinen Händen etwas erschaffen wollte. «Meine erste Berufsidee war Drechsler, da gab es aber keine Lehrstelle. Also begann ich 1980 bei Keramik Beer eine Lehre zum Töpfer, wo meine Schwester zeitgleich Keramik-Malerin lernte», erinnert er sich.

Nach mehreren Weiterbildungen an der Schule für Gestaltung in Bern und Beschäftigungen in der modellierenden Baubranche machte sich Nydegger 1996 selbstständig. Ob man denn gut davon leben könne, fragen wir ihn. Bevor er antworten kann, ruft seine Gattin, die gerade einen Blumenstrauss einpackt: «Er hat eine anspruchslose Frau!», und lacht vergnügt. Er generiere seinen Umsatz aus Kundenwünschen, deren Duplikate dann nicht selten ins Sortiment einfliessen. Zudem lehre er regelmässig im «Lehmhuus» in Aesch die Kunst der Tiergestaltung. Dazu kommen die Verkaufsstände an Keramik-Fachmärkten wie Jegenstorf, der Pantschau in Murten oder Morges.


Meister der Raku-Keramik

Das Herrchen von Terrier Pino wirft ein, dass nicht vergessen werden dürfe, dass Hansueli Nydegger die Kunst der Raku-Keramik (raku bedeutet Freude) beherrsche und als Meister gelte. Die Brenntechnik aus Japan sei sehr anspruchsvoll, erklärt Nydegger. Bei dem komplizierten Verfahren mit sehr hohen Temperaturen und aufwendiger Handarbeit entstehe ein gewünschtes Krakelee, durch Glasur eine marmorähnliche Oberfläche und edle Muster.


Elefant für die Wohnung

Ein Pärchen betritt den Laden, um das bestellte Tier abzuholen. Dazu führen die beiden eine grosse Kiste mit sich. Den stattlichen Elefanten wuchtet Nydegger geübt in das Behältnis, stopft in alle Ecken Wolldecken und weist das Paar auf die Empfindlichkeit des Rüssels hin. Die Eheleute weilten kürzlich in Namibia und beschlossen, den Dickhäuter als Erinnerung in ihre Wohnung zu stellen. «Ein bisschen Abschiedsschmerz habe ich schon, wenn ein Tier mein Haus verlässt», gesteht der Keramik-Künstler. Aber letztendlich entstehen unter seinen Händen ja neue Tiere, die seinen Zoo aus Ton bevölkern und bereichern.

17.11.2022 :: Christina Burghagen (cbs)