Error compiling Razor Template (contact the administrator for more details)

Wie die Vorfahren den Alltag meisterten

Wie die Vorfahren den Alltag meisterten
Der untere und obere Schwarzentrub. Hans Rentsch, geboren 1764, war Mitbesitzer des oberen Hofs. Der untere ist heute noch in Besitz von Rentsch-Nachkommen. / Bild: zvg
Trub: Theres Rentsch hat das Alltagsleben von acht Familien über rund vier Jahrhunderte erforscht – eine davon stammt aus Trub. Dabei kam Überraschendes zutage.

Theres Rentsch-Senn hat sich schon immer für Menschen und ihre Lebensweise interessiert. Auf Reisen haben sie und ihr Mann fremde Kulturen kennengelernt. So auch Nomaden in Kirgisien. «Dieses Volk hat praktisch keine schriftlichen Überlieferungen. Umso wichtiger sind Erzählungen.» Zum Beispiel müssten Knaben ihre Vorfahren über acht Generationen kennen, und zwar nicht nur mit Namen, sondern auch, was sie ausgezeichnet hat. Theres Rentsch nahm sich dies zum Vorbild und begab sich auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer eigenen Vorfahren und jenen ihres Mannes. Darunter ist auch die Familie Rentsch aus Trub. «Es ging mir nicht darum, eine Familiengeschichte zu schreiben, vielmehr wollte ich das Alltagsleben von einfachen Menschen erforschen.» 2014 begann sie mit ihrer Arbeit, entstanden ist nun ein Buch von 370 Seiten. 


Alles begann im Rentschhüsli

Anders als die Nomaden in Kirgisien konnte Theres Rentsch bei ihren Recherchen auf zahlreiche Quellen zurückgreifen. So besuchte sie etwa das Staatsarchiv und die Nationalbibliothek, forschte in Kirchenbüchern, Zivilstandsregistern oder Dorfchroniken und konsultierte Lokalhistoriker. «Teilweise stehen die Häuser oder Speicher unserer Vorfahren noch oder es sind Gegenstände vorhanden, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.» 

Von der Familie Rentsch aus Trub sind im Buch neun Generationen beschrieben. Mit den Enkelkindern der Autorin sind bis heute zwölf Generationen bekannt. «Die ältesten nachgewiesenen Vorfahren hiessen Christian Rentsch, geboren um 1600, und seine Frau Anna Haldimann. Sie wohnten im Rentschhüsli in Fankhaus, Trub», erzählt die 74-jährige Worberin.


Leute wurden älter als gedacht

Sie habe während ihrer Forschungsarbeit verschiedene neue Erkenntnisse gewonnen, sagt Theres Rentsch. Zum Beispiel sei sie davon ausgegangen, dass die Leute jung geheiratet hätten und früh verstorben seien. Das stimme aber für die Rentsch-Familie nicht: «Die Männer heirateten im Alter zwischen 24 und 45 Jahren, die Frauen waren bei der Hochzeit mit 19 bis 30 Jahren etwas jünger.» Die Männer seien 70 bis 80 Jahre alt geworden, die Spannbreite bei den Frauen sei mit 61 bis 86 Jahren grösser gewesen. Wie erwartet, hätten die frühen Vorfahren viele Kinder gehabt, zehn bis zwölf an der Zahl. «Die Kindersterblichkeit war hoch. Davon zeugen etwa gleiche Vornamen. Es ist davon auszugehen, dass ein jüngeres Kind den Namen seines älteren, verstorbenen Geschwisters erhalten hat.»


Überzählige Söhne zogen weiter

Überrascht habe sie, dass gewisse Rentsch-Familien in ihrem Leben mehrmals die Wohn- und Wirkstätte gewechselt hätten, sagt Theres Rentsch. Die erste und zweite Generation habe im Rentschhüsli gewohnt, ein kleines Heimwesen, das zum Zürcherhusgut gehört habe. Das Weiterziehen habe mit dem bernischen Erbrecht zu tun. «Der Jüngste übernahm den Hof, die älteren Söhne waren überzählig. War der elterliche Betrieb zu klein, mussten sie ihn verlassen», erklärt Theres Rentsch. Aus ihnen seien oft Tauner (Tagelöhner) geworden. Sie hätten zwar vielfach ein kleines Heimwesen pachten können, das habe aber das Überleben nicht gesichert. Weit gebracht hat es Hans Rentsch (1764), der vom Bauernknecht zum Tagelöhner und Pächter und schliesslich zum Mitbesitzer des Hofes Ober Schwarzentrub wurde. Weit weg gezogen sind die Rentsch-Nachfahren bis Mitte des 19. Jahrhunderts nicht. Alle haben in einem Umkreis von ein bis zwei Kilometern um Trub gewohnt. Spätere Generationen lebten dann als Bauern in Schmidigen, Untersteckholz und auf der Gommenmatte bei Huttwil.


Emmental war Kornkammer

Bis in die achte Generation waren die Rentschs Bauern. Abgewichen von dieser Tradition ist dann Hans Rentsch, der Schwiegervater der Autorin. Er habe nach einer Erkrankung einen lahmen Arm gehabt und deshalb nicht in der Landwirtschaft arbeiten können. «Dank seiner fortschrittlichen Mutter und der Unterstützung von Lehrern konnte er das Klavierspielen erlernen und das Seminar besuchen. Er wurde Lehrer und Kirchenmusiker», erzählt Theres Rentsch.

Nicht gewusst habe sie, dass das hügelige Oberemmental bis in die 1820-er Jahre Getreideland war. «Dies war von der Obrigkeit so gewollt. Für den Stadtstaat Bern war das Emmental die Kornkammer.» Grosse Erträge an Hafer, Dinkel und Gerste hätten die stotzigen Heimetli aber wohl nicht abgeworfen. Ernährt hätten sich die Menschen im Emmental vor allem von Getreidebrei, Hülsenfrüchten wie Erbsen und Ackerbohnen sowie von Gemüse, etwa Wirz.


Wenig Abwechslung im Alltag

Nicht nur die Ernährung, auch der Alltag der Menschen sei eintönig gewesen, sagt Theres Rentsch. Abwechslung habe etwa der Besuch eines Hausierers oder eines Störhandwerkers gebracht. Getroffen habe man sich beim Predigtgang, an Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen. Auch der Langnau-Märit sei ein wichtiger Begegnungsort gewesen. Ansonsten aber sei das Leben geprägt gewesen von harter Arbeit und strengen Vorschriften der Obrigkeit. «Ausgelassener und häufiger Tanz, Essens- und Trinkgelage oder Glücksspiele waren zum Beispiel verboten. Es gab aber auch Vorgaben, die das Privatleben betrafen, so etwa zur Kleidung.»

Die Vorfahren Rentsch hätten ein unspektakuläres und einfaches Leben geführt, so wie viele Menschen auf dem Land. «Ich habe aber eine hohe Achtung und grossen Respekt davor, wie sie das Leben gemeistert haben», betont Theres Rentsch.

04.08.2022 :: Silvia Wullschläger (sws)