Bei herrenlosem Land handelt es sich beispielsweise um Schutthalden. Auch wenn der Kanton Besitzer wird, bleibt es frei zugänglich. / Bild: Pixabay
Kanton Bern: Es gibt im Hochgebirge 38’000 Hektaren Land, das als herrenlos gilt. Dieses soll nun vermessen und der Kanton als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden.
Es ist ein aussergewöhnliches Geschäft, mit dem sich der Grosse Rat im Herbst befassen wird. Es geht um sogenannt herrenloses Land. Dabei handle es sich um Land, das noch nie vermessen worden sei und entsprechend nicht im Grundbuch erscheine, erklärt Thomas Hardmeier, Vorsteher des kantonalen Amts für Geoinformation. Es gilt als nicht kulturfähig und umfasst etwa Felsen, Schutthalden und Gletscher. Nicht zu verwechseln sei herrenloses Land mit herrenlosen Grundstücken, betont Hardmeier (siehe Kasten).
Bei dem nun neu zu vermessenden Land gehe es um eine Fläche von 38´000 Hektaren, sagt Thomas Hardmeier. Es befinde sich im Hochgebirge der Verwaltungsregion Oberland. Im Emmental dagegen gebe es keine solchen Gebiete. Selbst der Hohgant und der Napf seien vermessen und alle Parzellen wiesen einen Besitzer oder eine Besitzerin auf. Ein Blick auf das Geoportal (www.be.ch/geoportal) bestätigt dies.
Vermessung per Flugzeug
Die Ingenieur-Geometerinnen und -Geometer müssen sich nicht ins unwegsame Gelände begeben, um das herrenlose Land zu vermessen. «Da sich diese Gebiete in der Regel auf 2400 Meter über Meer oder höher befinden, werden sie üblicherweise photogrammetrisch vermessen», erklärt der Vorsteher des Amts für Geoinformation. Das bedeute, dass ein Flugzeug das Gebiet mit einer grossformatigen Luftbildkamera streifenförmig abfliege. Die Bilder würden eine Überdeckung von 60 bis 80 Prozent aufweisen. So könnten die Luftbilder dreidimensional ausgewertet werden.
Doch warum diese grosse Mühe? Es ist der Bund, der die amtliche Vermessung aller Flächen in der Schweiz verlangt. Doch auch der Regierungsrat kann dem Unterfangen etwas abgewinnen. «Es besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, dass das bernische Kantonsgebiet flächendeckend im Grundbuch enthalten ist», schreibt er in seiner Botschaft an den Grossen Rat. So werde beispielsweise das Problem behoben, dass beim herrenlosen Land oft unklar sei, wer dafür Ansprechpartner ist. Auch die elektronischen Abfragen führten damit zu vollständigen Ergebnissen. Erst mit der lückenlosen Aufnahme des Kantonsgebietes in das Grundbuch werde dieses seiner Aufgabe «als zeitgemässes und umfassendes Bodeninformationssystem gerecht», findet der Regierungsrat.
Keine Verbotstafel zu befürchten
Damit herrenloses Land in das Grundbuch eingetragen werden kann, braucht es auf kantonaler Ebene eine gesetzliche Grundlage. Diese sieht vor, dass der Kanton Eigentümer wird. Herrenloses Land steht gemäss Zivilgesetzbuch (ZGB) in der Hoheit des Kantons. Er hat demnach das Recht, das Eigentum daran zu beanspruchen. «Dadurch ändert sich dessen rechtlicher Charakter jedoch nicht, da es damit nicht zu Privateigentum wird», hält der Regierungsrat fest. Auch wenn der Kanton also als Besitzer im Grundbuch eingetragen wird, steht das Land weiterhin der Allgemeinheit zum Gebrauch offen. Kein Wanderer und keine Bergsteigerin muss also befürchten, plötzlich vor einer Verbotstafel zu stehen.
Heiss begehrt ist das Land nicht
Wer Besitzer des herrenlosen Landes werden soll, gab in der vorberatenden Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) zu reden. Diskutiert worden sei, «ob es möglich und sinnvoll wäre, das herrenlose Land statt dem Kanton den betroffenen Gemeinden als Eigentum zu überlassen», schreibt die SAK in einer Medienmitteilung. Es sei die Befürchtung geäussert worden, dass der Handlungsspielraum der Gemeinden eingeschränkt werden könnte, wenn der Kanton Eigentümer wird. Die Mehrheit konnte jedoch keine Vorteile oder konkreten Interessen der Gemeinden erkennen. Kommissionssprecherin Sarah Gabi Schönenberger ergänzt, dass sich in der Vernehmlassung keine Gemeinde oder Regionalkonferenz für eine solche Lösung ausgesprochen habe. Begehrt scheint dieses Land also nicht zu sein.
Der Grosse Rat wird das Geschäft in der Herbstsession behandeln. Geplant ist, die Vermessungsarbeiten bis Ende 2026 auszuführen.