Die Bauarbeiten werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis das Kemmeriboden Bad wieder öffnen kann. / Bild: Rudolf Burger (bur)
Schangnau: Noch für Monate wird das Kemmeriboden Bad keine Gäste beherbergen können. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Niemand musste entlassen werden.
Schuttmulden, Bau-Container und Baumaschinen dominieren das Bild des Hotel Kemmeriboden Bad drei Wochen nach der Flut. Reto und Alexandra Invernizzi, die das Hotel in der 6. Generation führen, haben am Montag an einer Medienkonferenz über den Stand der Dinge informiert. Zunächst schilderte der Hotelier, wie er am Nachmittag des 4. Juli mit Gästen auf der Terrasse sass, es nur leicht regnete, er es aber donnern hörte, nachschauen ging und sah, wie eine Walze aus Schlamm, Geröll und Schwemmholz den Damm überflutete, den seine Eltern gebaut hatten. Um 15.50 Uhr wurde das Erdgeschoss des Hotels von der Schlammwelle erfasst. Er und seine Gäste brachten sich im 1. Stock in Sicherheit. Personen kamen nicht zu Schaden, was auch dem Glück im Unglück zuzuschreiben ist, dass an diesem Montag wegen des Wirtesonntags keine Ausflügler den Aussenbereich bevölkerten.
Schlamm so hart wie Beton
«Wir waren froh für die Hilfe, die sofort kam», sagt Reto Invernizzi, «das regionale Führungsorgan, die Regierungsstatthalterin, der Zivilschutz waren rasch zur Stelle.» Jetzt, drei Wochen später, gelte es erst einmal, die Küchen, Gaststuben, Bar, Vinothek und alles weitere im Erdgeschoss auszuräumen. Der stinkende Schlamm, der mittlerweile so hart sei wie Beton, müsse vollständig weg. Die grösste Herausforderung sei es zu bestimmen, wie viel ab- und ausgebrochen werden müsse. Im Prinzip bleibe im Erdgeschoss nur der Rohbau übrig. Und was den Aussenbereich anbetrifft, erklärt Invernizzi: «Am Morgen des 4. Juli haben wir den neu gestalteten Garten abgenommen, um 16 Uhr hatten wir keinen Garten mehr.»
Gut versichert
Gehen die Schäden zulasten der Versicherungen? «Wir haben gute Versicherungen, aber alles ist nicht gedeckt», sagt der Hotelier. Eine Schätzung, wie viel die Instandstellung kosten könnte, wagt er noch nicht: «Zusammen mit Architekten, Ingenieuren und Planern müssen wir innert weniger Wochen den Wiederaufbau organisieren, eine Aufgabe, für die man im Normalfall ein Jahr bräuchte.» Es sei aber auch eine Chance, das Haus für kommende Generationen mit moderner Infrastruktur und Technik bereitzustellen. Gefragt, was er an verlorenem Inventar besonders vermisse, erwähnt Invernizzi ein paar erst kürzlich restaurierte Biedermeiersofas – und «für mich als Weinkenner besonders schmerzlich»: 7800 Flaschen Wein aus der Vinothek, die jetzt auf ihre Trinkbarkeit getestet werden müssten.
Kein Personalabbau
70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf 45 Vollzeitstellen verteilt waren im Hotel und Restaurant beschäftigt – und sind es weiterhin. «Wir können alle behalten, dank der guten Betriebsausfallversicherung», sagt Alexandra Invernizzi, «und auch für die Lernenden gibt es gute Anschlusslösungen». Ein Teil des Personals wird vom 3. August an im Franc Bistro an der Bahnhofstrasse in Thun arbeiten, das ein befreundeter Gastronom der Kemmeriboden-Mannschaft temporär zur Verfügung stellt. Laut Reto Invernizzi wird im Franc Bistro unter anderem auch «unsere berühmte Merängge» zum Angebot gehören. Ein Datum für die Wiedereröffnung des Hotel- und Restaurantbetriebs am Originalort ist nicht in Sicht, ab September soll aber ein Pop-Up-Betrieb im Aussenbereich Gäste bedienen können.
Im Verlauf der Medienkonferenz wird Reto Invernizzi nicht müde, die «gigantische Solidarität» von Hoteliers, Freunden und Privatpersonen zu erwähnen, die sie hätten erfahren dürfen. Besonders gefreut hat ihn, dass die ganze Mannschaft am vergangenen Wochenende von einer ehemaligen Mitarbeiterin zu einer Party an den Bielersee eingeladen worden sei. «Es war nach der Arbeit hier einmal etwas anderes, alle in Badehosen zu sehen.»
Baudirektor Neuhaus vor Ort
Der Zufall wollte es, dass sich am Montag Regierungsrat Christoph Neuhaus, Schangnaus Gemeindepräsident Beat Gerber, Gemeinderat Stefan Gfeller und Grossrat Ueli Gfeller vor Ort darüber berieten, was zu tun sei, um das Hotel Kemmeriboden Bad künftig vor Unwettern zu schützen. Das sei eine Verbundaufgabe für Kanton und Gemeinde, sagte Neuhaus, «jetzt geht es darum, Varianten auszuarbeiten, eventuell muss die Strasse verschoben werden». Gefragt nach dem Zeithorizont erklärte der Baudirektor, dass es möglich sein sollte, bis 2026 eine Lösung zu realisieren. Zügig zu handeln sei wichtig, immerhin sei das Kemmeriboden Bad nach Kambly und der Schaukäserei in Affoltern die drittwichtigste Touristenattraktion im Emmental. Worauf ihn Gemeindepräsident Gerber korrigierte: «Nein, nach Kambly die zweitwichtigste.»