Die Innereien der Schrattenfluh

Die Innereien der Schrattenfluh
Künstliches Licht erhellt die Höhle Silwängen. Die Temperatur beträgt konstant sieben Grad. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Flühli: Das Innerschweizer Kunstprojekt «Innereien» nimmt sich auch dem Innen­leben der Schrattenfluh an. Ein Theater sowie eine Ausstellung zum Thema wurden ergänzt durch den direkten Einblick in die Höhlen der Schrattenfluh.

Um 9 Uhr ist Besammlung beim Restaurant Südelhöhe. Eine bunt gemischte Wandergruppe wird empfangen von Pius Schnider aus Flühli. Zusammen mit seiner Frau Anita führt er seit 22 Jahren Interessierte in die wenigen öffentlich zugänglichen Höhlen der Schrattenfluh. In diesem Karstgebiet erstreckt sich ein weitverzweigtes Höhlensystem. Bis heute seien, so erzählt Pius Schnider auf der Autofahrt hoch zur Alp Schlund, über 250 Höhlen erforscht. Begonnen 1959, sei bis heute eine Gesamtlänge von knapp 60 Kilometern vermessen.


Teufel, Hengst und Jungfrau 

Die Wanderung ist die letzte im Rahmen eines multimedialen Kunstprojekts, bestehend aus einem Bühnenstück, einer Ausstellung und einer Höhlenwanderung. Realisiert unter der Leitung von Robert Müller vom Atelier Schmiede in Buttisholz, ist «Schratteflue – Teufel, Hengst und Jungfrau» Teil des Innerschweizerischen Kunstprojekts «Innereien». Die Höhlenwanderung führt zum «Originalschauplatz» auf die Schrattenfluh. 

Die Gruppe macht sich auf den Weg. Zwischen Fichten und Föhren gehts bergauf. Unterwegs nimmt sich Schnider immer wieder Zeit für einen kurzen Ausflug in die Botanik. Anschaulich und leicht verständlich erklärt er unscheinbare Pflanzen, an denen wohl sonst mancher ahnungslos vorübergegangen wäre. Bald erreichen wir mit der «Arena» unser erstes Ziel. Wir steigen ab in diese Doline, ohne jedoch weiter ins Höhlensystem einzudringen. Oberhalb der Baumgrenze angekommen, lässt uns Schnider genügend Zeit fürs Picknick, das beim Anblick der herrlichen Karstlandschaft und des Bergpanoramas doppelt schmeckt. Nach dem Essen steigen wir weiter hoch zum «Bierkeller». Die meist kalte Luft, welche durch diese Höhle zieht, habe ihr den Namen gegeben. Heute jedoch ist die Kälte kaum zu spüren. Ein typisches Zeichen, so Schnider, für einen bevorstehenden Wetterumschwung.

Nach einem engen Einstieg, dieser ist markiert durch eine leuchtend rote Seilinstallation, erweitert sich die Höhle zu einem grossen Saal. Im Licht unserer Stirnlampen treffen wir hier auf wenige Installationen, welche in den andern Teilprojekten akustisch und visuell aufgenommen wurden. An einer Schnur können Töne erzeugt werden, während uns weiter hinten ein weisser Morgenrock in einer Höhlennische überrascht. 

Wieder unterhalb der Waldgrenze, erwartet uns die Kausenlochhöhle. Kopf voran gehts rein ins enge Loch – nichts für Leute mit Platzangst – und auf allen Vieren robben wir uns 20 Meter durch Stein und Dreck. Kaum zu glauben, dass man am Schluss den engen Ausstieg wieder schafft – eher gemacht für Mäuse denn Menschen.


Über messerscharfen Karst zur «20A2»

Wer jetzt noch mag, den lädt Pius Schnider auf einen Abstecher ein zur Höhle mit dem unromantischen Namen «20A2». Der Weg führt – abseits des Bergwegs – über die messerscharfen Kanten des Karstfeldes. Hier sind eine hohe Trittsicherheit sowie griffiges Schuhmaterial unabdingbar. Während der Leiter leichten Fusses über den Karst tänzelt, siehts bei den Mitgliedern der Wandergruppe nicht immer so elegant aus. Die Höhle hat den Abstecher gelohnt, der herausfordernde Weg dorthin und zurück ebenfalls. Und obendrein gabs noch das majestätische Segeln eines Steinadlers mit seinen zwei Jungen zu bestaunen. 

Danach erfolgt der Abstieg zur Alp Silwängen. Unmittelbar hinter dem Stall ist der Einstieg in die gleichnamige Höhle. Pius Schnider öffnet den Schachtdeckel und dann gehts acht Meter auf einer Eisenleiter senkrecht hinab. Die Temperatur betrage hier unten, erklärt uns Schnider, permanent sieben Grad. 

Schnell erweitert sich die Höhle zu einem mächtigen Raum. Wir bewundern die Stalaktiten und Stalagmiten, die seltsamen Formen und Gestalten an den Höhlenwänden. Bei ausgeschalteten Lampen lauschen wir der finsteren Stille, nur unterbrochen von ewig fallenden Wassertropfen. 

Zurück an der noch wärmenden Sonne des späten Nachmittags, lässt Pius Schnider den heutigen Wandertag anhand von Karten nochmals Revue passieren. Der abschliessende Applaus ist ein kleiner Dank für seine sehr umsichtige, sichere und spannend orchestrierte Führung durch den heutigen Tag. 

Kulturprojekt «Innereien»

Die Albert Koechlin Stiftung (AKS) ini-tiierte für das Jahr 2022 bereits zum siebten Mal ein Kulturprojekt mit Produktionen aus der Innerschweiz für die -Innerschweiz. Das Thema des Kultur-projekts im Jahr 2022 war «Innereien». 

«Schrattenflue – Teufel, Hengst und Jungfrau» - realisiert vom Atelier -Schmiede mit Robert Müller war Teil -dieses Kulturprojekts.

Alle drei bis vier Jahre schreibt die Albert Koechlin Stiftung mit Sitz in Luzern das Innerschweizer Kulturprojekt mit festgelegtem Thema aus. Aus 93 eingereichten Projekten hat eine unabhängige Jury -dieses Jahr 20 Projekte ausgewählt. 

07.07.2022 :: Daniel Schweizer (sdl)