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«Bärewirts Töchterli»: Von einer Liebe in Zeiten des Krieges

«Bärewirts Töchterli»: Von einer  Liebe in Zeiten des Krieges
Die Bären-Magd Beth nervt Liseli mit Ratschlägen dem Junker nachzugeben, weil dies nur Vorzüge habe. Bild: Daniel Rhyner
Signau: Zwölf Jahre ist es her, seit «Bärewirts Töchterli» in Signau gegeben wurde. Die Geschichte um Liebe, Eifersucht und Krieg hat weder an Reiz noch an Aussagekraft verloren.

Dröhnende Kuhglocken schenken dem Publikum die Illusion eines festlichen Alpabtriebs. Die Signauer Bauersleut´ kehren guter Dinge in den «Bären» ein und sind überzeugt: «Bauern sollen leben, aus dem Saft der Reben!» Bärewirts Töchterli Liseli hat alle Hände voll zu tun, um die trockenen Kehlen benetzt zu wissen. Plötzlich treffen sich zwei Augenpaare: Fritz erspäht Liseli, Liseli entdeckt Fritz, und die Zeit scheint stillzustehen. Die Stimmung ist ausgelassen, Musikanten spielen zum Tanz auf, der Wein fliesst…

Doch etwas scheint der Idylle in die Suppe zu spucken. Schon lange leiden die Bauern unter der Knute des Landvogts. Michi, der Geschirrhändler, weiss davon ein Lied zu singen. Die Hatschiere haben ihn auf Geheiss des Vogts mit Stockhieben traktiert. Regietechnisch ausgefeilt darf das Publikum in einer Rückblende Michis schmachvolle Züchtigung miterleben. Nur wenige der Bauersleute zeigen sich noch obrigkeitshörig. «Unser Schweizer Haus ist verlottert, bauen wir ein neues», prosten sie sich zu. 


Verletzte Ehre

Der Bärenwirt verfolgt andere Pläne, denn Junker Ernest, ein schleimiger Geck im Glitterfummel, hat ein Auge auf Liseli geworfen. Der Wirt rechnet sich Vorteile aus, wenn der Junker seine Tochter zum Altar führen würde. Der Glitterschleimi kommt hoch zu Ross zur Schenke und scharwenzelt um das Liseli, holt sich aber einen Korb nach dem anderen. In seiner zweifelhaften Ehre verletzt, lässt er Fritz in den Mörderkasten sperren, um Rache zu nehmen. Zum höfischen Tirilieren des Flötisten polieren die Schlossherren das auf tönernen Füssen stehende Image des Ancien Régimes. Selbst der Flötenspieler zupft geziert seine Hemd-Rüschen grade. 


Aushauchender Berner Marsch

Inzwischen sind die Franzosen in Bern eingefallen. Das Dorf rüstet sich zur Schlacht beim Grauholz. Eine düstere Gestalt, Gevatter Tod nicht unähnlich, schlurft durch das Bühnenbild und lässt seine Klarinette sprechen – im Hintergrund spielt ein Örgeli einen aushauchenden Berner Marsch, in den sich vielsagend Fragmente der Marseillaise mischen. 

Zuvor stürmen sie das Signauer Schloss, jagen Landvogt und Junker zum Teufel und befreien Fritz. Todesmutig zieht Liseli mit ins Gefecht. Die Schlacht können die Signauer nicht gewinnen, aber die intriganten Despoten sind abgehauen, und die Liebe hat Platz in einer neuen Zeit.


Ergreifende Klänge

Die Musik mit Karl Johannes Rechsteiner (Klarinette, Blockflöte) und Wolfgang Böhler (Handorgel) verbindet die Szenen ergreifend mit Klängen von Volksmusik bis freie Improvisation. Die barocke Flötenmelodie im Schloss bekam an der Premiere zu Recht Szenenapplaus. Beim abgewandelten Fahnenmarsch gruselt der nahe Krieg, während der Kuhreihen zum Schluss in der Nacht übers Sterben weint. 

Bei der zweiten Hälfte der Aufführungen ab Mitte Juli übernimmt Familie Schenk aus Signau mit Flöte und Schwyzerörgeli einen Teil der Musik. 

Unter der Regie von Barbara Bircher und Angelo Nef entstand ein anrührendes Theaterstück in kernigem Berndeutsch, getragen von über 50 starken Schauspielenden. Die perfekte Ausstrahlung mit den Kostümen von Helena Rindlisbacher machen das Stück vor dem Gasthaus Bären zur Augenweide. Allen voran verkörpert Sarah Bigler ihre Rolle als Liseli beeindruckend intensiv. Mit Marco Lehmann als Fritz möchte man sich nicht anlegen, denn der vor Kraft strotzende Bauerssohn verfügt über ausdrucksstarke Augen, deren Blicke vermutlich töten können – natürlich nicht, wenn er das Liseli anschaut. Sich herrlich aufregen kann Vinzenz Haldimann als fliegender Händler Michi, bei dem man nicht weiss, ob man lachen oder weinen soll. 


Schräger Witz

Einen schrägen Witz bringen auch die Hatschiere mit, die Häscher wirken wie eine Gurkentruppe en miniature. Wunderbar hassenswert bewegt sich Tobias Zurflüh als Junker Ernest durch die Geschichte und hinterlässt eine Schleimspur. Valentina Schweizer als Annalise ist zunächst keine Sympathieträgerin, dafür stockt einem der Atem, wenn sie nach der Schlacht zerrissen die Dorfstrasse hinunterwankt und eine Vergewaltigung vermuten lässt. Zehn Kinder jeden Alters spielen entspannt und natürlich. Und alle Dorfbewohnenden und Bauersleute fügen sich bestens in die Handlung ein, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

30.06.2022 :: Christina Burghagen (cbs)