Error compiling Razor Template (contact the administrator for more details)

Von Stützrädern und Umfahrungen

Kürzlich beobachtete ich beim Spazieren ein mindestens sechs- oder siebenjähriges Kind auf einem Fahrrad mit Stützrädern. Es trat angestrengt in die Pedale und mir schien, als bremsten die zwei zusätzlichen Räder mehr als sie nützten. Unweigerlich fragte ich mich, was denn Eltern dazu bewegt, einem Kind ein Fahrrad mit Stützrädern zu geben. Wollen diese Eltern nicht, dass ihr Kind Fahrrad fahren lernt? Hegen sie darin die ­Absicht, dass ihr Kind nicht zu schnell auf zwei Rädern unterwegs ist? Oder wissen sie es einfach nicht besser? Stützräder sind von gestern. Mindestens. Heute wachsen Kinder mit Laufrädern auf, pedallose ­Fahrräder, mit welchen sie – kaum können sie aufrecht gehen – das Gleichgewicht üben, als Grundlage fürs spätere Fahrradfahren. Unsere beiden Kinder haben sie geliebt, diese Laufräder. Zum dritten Geburtstag war es dann soweit. Sie erhielten ein Fahrrad und innerhalb von weniger als 20 Minuten fuhren die beiden Jungs so sicher auf zwei Rädern, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Zugegeben, beim Losfahren und ­Anhalten brauchten sie in den ersten Tagen noch Unterstützung, aber ­innerhalb Wochenfrist klappte auch das einwandfrei. 

Bei der politischen Debatte im Grossen Rat zu den Ausführungskrediten für die Umfahrungen im Emmental und Oberaargau erging es mir in etwa ähnlich, wie als ich den kleinen Jungen sah, wie er sich mit seinem Fahrrad mit Stützrädern abmühte, ­
wo doch das Fahren ohne viel leichter gehen würde. Auch bei den Umfahrungsstrassen scheint es mir, als ob die Politik sich an alten Lösungsansätzen festklammerte, für ein Verkehrsproblem, welches seit über 50 Jahren bekannt ist und für welches eine neue Generation von Ideen zur Debatte stehen würde. Das Emmental braucht eine Lösung! Darin waren sich alle einig. Aber bei den Lösungsansätzen gingen die Meinungen auseinander. Am Ende der Debatte wurde der Ausführungskredit für ein Projekt im Umfang von fast einer halben Milliarde Schweizer Franken unverändert und ohne Auflagen überwiesen. Da jedoch bereits absehbar ist, dass auch diese neue Strasse zu Mehrverkehr führen wird, gilt es nun, parallel zum Jahrhundert-Projekt «Zufahrt Emmental» die Bahn- und Busverbindungen auszubauen. ­Attraktive Park-and-Ride-Möglichkeiten sollen den ÖV ergänzen, ­sodass der motorisierte Individual­verkehr reduziert werden kann und damit mehr Platz auf den Strassen für Gewerbe und Industrie zur ­Verfügung steht. 

16.06.2022 :: Tabea Bossard-Jenni