Eine Mühle, zwei Jubiläen

Eine Mühle, zwei Jubiläen
Die Mühle in Lützelflüh ist auch ein idyllischer Ort. / Bild: Max Sterchi (mss)
Lützelflüh: Die Mühle wurde vor 200 Jahren erbaut, und seit 50 Jahren ist sie die Kulturmühle.

Mit einem dreitätigen Fest und einem ansprechenden Programm will Lützelflüh am kommenden Wochenende seine Kulturstätte feiern. «Ich freue mich ganz besonders, dass es diese Mühle – seit 50 Jahren als Kulturmühle – noch gibt», sagt Marianne Flückiger, Präsidentin des Stiftungsrates. Geschäftsführerin Monika Gfeller doppelt nach: «Und ich freue mich, dass nach zwei Jahren Unterbruch, der traditionelle Schweizer Mühlentag wieder stattfinden kann. Ich freue mich auf den Betrieb im Haus, auf Familien mit ihren Kindern und auf den Lärm.» Die Vorbereitungen für den Jubiläumsanlass seien gut verlaufen, sagt Marianne Flückiger. Es sei einzig recht schwierig gewesen, die nötigen Helferinnen zu rekrutieren, weil am gleichen Datum auch das Emmentalische Schwingfest in Hasle-Rüegsau stattfinde. Aber das Engagement von Stiftungsrat und Verein Kulturmühle sei hervorragend; alle zögen am gleichen Strick.

Bewegte Geschichte

Wie aus der Festschrift hervorgeht, wurde die Mühle Lützelflüh im Jahre 1821 vom Müller und Grossgrundbesitzer Ulrich Bärtschi gebaut. Die Mühle blieb über ein Jahrhundert im Besitz der Familie Bärtschi. Im Jahr 1932 übernahm dann Hans Leuenberger die Kundenmühle; in einer Zeit des Umbruchs. Längst hatte die elektrische Energie die Wasserkraft ersetzt; es entstanden grosse Industriemühlen, wie etwa die Kentaur AG. 1970 gab Leuenberger den Betrieb auf. Die Gemeinde Lützelflüh erwarb das ganze Areal mit Gebäuden, Land und Areal im Umfang von 11´665 Quadratmeter zum Preis von 550´000 Franken. 

Der Weiterverkauf gestaltete sich dann, besonders für das Hauptgebäude, recht schwierig. Ein Interessent war vorhanden, aber kurz vor der Gemeindeversammlung meldete sich eine Frau, die wesentlich mehr zu zahlen bereit war als der bisherige Anbieter. So konnte die kaum bekannte Jolanda Rodio die Liegenschaft erwerben, allerdings mit der Auflage, die Gebäude innerhalb von zwei Jahren zu sanieren.

Aufbau und Krise

Jolanda Rodio war eine Schweizerin mit italienischer Abstammung; sie heiratete einen Dänen und lebte dann auch in Dänemark. Die musikalisch begabte Frau schloss das Diplom als Pianistin und das Staatsdiplom in Gesang und Gesangspädagogik am Konservatorium Kopenhagen ab. Nach 32 Jahren Aufenthalt in Dänemark kehrte sie in die Schweiz zurück. Sie übernahm einen Lehrauftrag an der Musikschule Burgdorf und kaufte 1972 die Mühle in Lützelflüh. Inzwischen 58 Jahre alt, begann sie ihr ehrgeiziges Projekt «Kulturmühle Lützelflüh» umzusetzen. Sie gründete die «Schule für Totales Theater» und bot unter anderem Unterricht in Tanz, Akrobatik, Pantomime, Gesang und Sprache, Multimedia und Film an. Das Projekt scheiterte an der finanziellen Tragfähigkeit. Der Konkurs war unvermeidbar, die Schule wurde geschlossen und der Kulturbetrieb auf Sparflamme gesetzt.

Nach der Rettung kam der Erfolg

Während der Ära Rodio hatte sich die Kulturmühle als überregionale und bedeutende Institution etabliert. So nahm der Geschäftsführer der damaligen Volkswirtschaftskammer, Fritz von Gunten, das Heft in die Hand, um die Kulturmühle vor dem drohenden Aus zu bewahren. Mit einem Betrag von 50´000 Franken der Gemeinde Lützelflüh, einer Spende der Gemeinde Ittigen in gleicher Höhe und Vereinbarungen mit den Gläubigern beschloss der Grosse Rat einen Sanierungskredit zulasten des Lotteriefonds. Mit diesen Mitteln konnte der Konkurs gestoppt und mit der Neuorientierung der Kulturmühle begonnen werden. Eine organisatorische und bauliche Umgestaltung der Kulturmühle wurde in Angriff genommen. Dafür sorgte ein neu zusammengesetzter Stiftungsrat; der Kulturbetrieb wurde vom Verein Kulturmühle geführt. Die historische Liegenschaft wurde umfassend saniert und mit Zimmern mit über 30 Schlafplätzen ausgerüstet. Damit wurden die Nutzungsmöglichkeiten für verschiedenste kulturelle Angebote, Kurse und vieles mehr erweitert. Im Jahr 1995 wurde das imposante Wasserrad ersetzt und ein Jahr später der Mahlgang mit dem Mühle-
stein wieder in Gang gebracht. Aber auch die Sanierung der Nebengebäude wurde nach und nach an die Hand genommen und umgesetzt.

Für die Zukunft gerüstet

Wie Marianne Flückiger und Monika Gfeller übereinstimmend erklären, haben sich die neuen Betriebsstrukturen sehr bewährt. Die Stiftung vermietet die Räume an den Verein, aber auch an Aussenstehende. Und der Verein Kulturmühle ist verantwortlich für die kulturellen Aktivitäten. «Wir bieten jegliche Arten von Kultur, sowohl in der bildenden wie auch der darstellenden Kunst an», sagt die Geschäftsführerin. 

Und auf was freuen sich die beiden Gesprächspartnerinnen am kommenden Jubiläumsanlass besonders? «Wir haben offene Türen und ein sehr reichhaltiges Programm, das ‹Juhubiläum› des Kabarettisten Josef Wermuth ist speziell auf unser Jubiläum zugeschnitten – wir sind alle sehr gespannt darauf.»


Das ganze Festprogramm kann von www.kulturmuehle.ch/veranstaltungen/ heruntergeladen werden.

25.05.2022 :: Max Sterchi (mss)