«Die schwarze Spinne» als Film: Helden durch Heldinnen ersetzt

«Die schwarze Spinne» als Film:  Helden durch Heldinnen ersetzt
Erstmals wurde die schwarze Spinne verfilmt – so überzeugend wie das Buch ist der Streifen nicht. Bild: Ascot Elite Entertainment
Emmental: Nur kurz hat sich der Film über Jeremias Gotthelfs weltbekannte Erzählung in den Kinos halten können. Allen negativen Kritiken zum Trotz: Es ist kein schlechter Film.

Ein Film kann ein Buch nicht ersetzen, und nach einem Film greift man gerne nochmals zum Buch, auch wenn es lange her ist, seit man es gelesen hat. Das ist im Fall der «Schwarzen Spinne» nicht anders. Das Buch von Jeremias Gotthelf wurde 1842 veröffentlicht und seither immer wieder neu aufgelegt. Der gleichnamige Film von Markus Fischer kam am 10. März in die Kinos und ist mittlerweile schon wieder abgesetzt. Das Buch hatte und hat viele Bewunderer, unter anderen Thomas Mann. Der Film indes erhielt viele schlechte Kritiken. Das Werk schaffe es nicht «die Relevanz der Erzählung in die Gegenwart zu retten», hiess es zum Beispiel im «NZZ Magazin».


Heutige politische Korrektheit 

Nun, das wäre aus der Sicht dieses Kritikers, kein Filmspezialist, auch ein schwieriges Unterfangen. Es geht in der schwarzen Spinne ja um einen Pakt mit dem Teufel, aber dass es den Leibhaftigen überhaupt gibt, daran glaubt eine Mehrheit in diesem Land, auch im Emmental, wohl nicht mehr. Also: Der Film scheint mir handwerklich gut gemacht, die Kostüme, der Schauplatz in Ungarn, das Schloss und so weiter. Keine Stromleitungen wurden gesichtet und auch sonst nichts, was uns an unsere modernen Zeiten erinnert hätte. Was aber auffällt, sind die Konzessionen an die Moderne: Christine, die den Pakt mit dem Teufel schliesst, ist im Buch eine Ausländerin, ein «grausam handlich Weib» aus Lindau – sie wurde im Film zur Emmentalerin; die Priester, im Buch zu Heldentaten fähig, werden im Film durch Heldinnen ersetzt, nämlich durch Christine und ihre Zwillingsschwester Maria; Frauen, die im Buch ihre Männer drangsalieren, gibt es im Film nicht. Das zeigt, dass der Film der heute üblichen politischen Korrektheit Genüge tut.


Weniger wäre oft mehr 

Im Weitern hat der Film Längen – man hätte sich mit weniger als 116 Minuten begnügen können; der Teufel, bei Gotthelf ein «grüner Jägersmann» mit rotem Bärtchen und roter Feder auf dem «Barett», sieht im Film sehr zivilisiert aus; der böse Schlossherr Hans von Stoffeln, der von den Bauern Unmögliches verlangt, ist im Film noch böser, weil er Christines Zwillingsschwester Maria geschwängert hat. Kritisieren könnte man auch, dass das Wachsen der Spinne, die der Kuss des Teufels auf Christines Backe hinterlassen hat, wohl gruseliger hätte dargestellt werden können. Überhaupt ist von den vielen todbringenden Spinnen im Buch auf der Leinwand nur wenig zusehen. Gut gemacht ist jedoch die Szene, wie die Spinne, in die sich Christine – in Abweichung vom Text Gotthelfs – verwandelt hat, von Maria in ein Loch im Balken gesperrt wird.


Langweilig ist der Streifen nicht 

Bei all dem, was an diesem Film auszusetzen ist: Man sollte sich ihn trotzdem ansehen, wenn er irgendwann einmal im Fernsehen gezeigt wird. Langweilig ist der Streifen nicht, Landschaften und Kulissen gefallen, die Darstellerinnen und Darsteller machen ihre Sache gut, dass die Dialoge offenbar nicht immer im reinsten Berndeutsch dargeboten werden, darüber kann der schreibende Aargauer hinwegsehen. Und, um zum Anfang dieses Beitrags zurückzukehren: Der Film bietet den Anlass dafür, wieder einmal das Buch zur Hand zu nehmen, um zu schauen, wie sich Gotthelf die Geschichte ausgedacht hat. Die Kurzkritik zum Buch: «Die schwarze Spinne» ist eine ideale Bettlektüre, ein in farbiger Sprache geschriebenes Schreckmümpfeli auf wenig mehr als 100 Seiten.

19.05.2022 :: Rudolf Burger (bur)