Ein Komitee will das «Stumpen» von Bäumen verbieten

Ein Komitee will das «Stumpen» von Bäumen verbieten
Diese Linde ist stark vom Brandkrustenpilz befallen. Im nächsten Frühjahr soll sie gefällt werden. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Lauperswil: Sechs Linden, die der Gemeinde gehören, wurden mehrmals gekappt. Eine Petition will dies verbieten. Der Gemeinderat liess die Bäume begutachten: Ihr Zustand ist schlecht.

«Als die Linden vor einem Jahr gekappt wurden, sahen sie aus wie Gespenster», erinnert sich Hansruedi Wälti. «Viele Leute entsetzten sich.» Bereits vor acht Jahren seien die sechs gemeindeeigenen Linden «gestumpt» worden. Kaum hätten sie im letzten Frühjahr wieder etwas Form angenommen, seien sie erneut derart stark geschnitten worden. Wälti und einige Mitstreiter schlossen sich darauf zu einem Komitee zusammen und sammelten innert Kürze 100 Unterschriften für eine Petition. «Wir wollen, dass der Kappschnitt bei Bäumen, die der Gemeinde gehören, verboten wird.» Denn dies sehe nicht nur optisch schrecklich aus, sondern schade auch den Bäumen. 

Zwei Linden fällen

Aufgrund der Petition, die im Juni 2021 eingereicht wurde, zog der Gemeinderat Lauperswil einen Baumpflegespezialisten bei. Er begutachtete die sechs betroffenen Linden und kam zum Schluss, dass sich diese in einem schlechten Zustand befinden (siehe Kasten). Der Gemeinderat hat deshalb entschieden, die Linde beim Kriegsdenkmal bei der Kirche sowie jene bei der Wegkreuzung Einfahrt Wittenbach im Frühjahr 2023 zu fällen und neue zu pflanzen. 

Doch weshalb liess die Gemeinde in der Vergangenheit die sechs Linden immer wieder «stumpen»? «Wir wollten damit verhindern, dass sie zu gross werden und die Gefahr zunimmt, dass Äste abbrechen und hinunterfallen oder der ganze Baum umstürzen könnte», sagt Gemeindepräsident Christian Baumann. Dabei gehe es auch immer um die Frage der Haftung. Man sei nie davon ausgegangen, dass der Kappschnitt die Bäume schädige. Nun sei man eines Besseren belehrt worden. Künftig werde man die Pflege und das Zurückschneiden der Gemeindelinden durch einen Fachspezialisten ausführen lassen.

Kappschnitte reglementarisch zu verbieten, wie dies die Petitionäre verlangten, bedinge eine Anpassung der baurechtlichen Grundordnung sowie des Schutzzonenplanes, schreibt der Gemeinderat dazu in einer Medienmitteilung. Diese solle im Rahmen der nächsten Gesamt- oder Teilrevision der Ortsplanung erfolgen. «Wann dies sein wird, ist aktuell noch unklar.» 

Die Petitionäre wollen sich mit dieser vagen Zeitangabe nicht begnügen. «Es geht uns darum zu verhindern, dass die gleichen Fehler in 20, 30 Jahren wieder gemacht werden», sagt Hansruedi Wälti. Deshalb brauche es ein Verbot im Baureglement, «auch wenn das einigen Aufwand bedeutet». Man bespreche nun, ob eine Gemeindeinitiative lanciert werden könnte.

Für und wider das «Stumpen» von Bäumen

Hanspeter Röthlisberger hat die Linden im Auftrag der Gemeinde «gestumpt». Und auch schon unzählige andere. «Noch nie ist eine deswegen kaputt gegangen», ist er überzeugt. Gerade die Linde eigne sich gut dafür, weil sie sehr schnell nachwachse. Nach ein paar Jahren habe der Baum wieder eine schöne Form und weise kaum dürre Äste auf. Normalerweise stünden Linden nahe bei Bauernhäusern. Diese Bäume «stumpe» man vor allem wegen der Blätter und Ästchen, die das Dach beschädigten. Er habe diese Arbeit über 40 Jahre verrichtet, sagt Röthlisberger, hauptsächlich bei zu fällenden Tannen und Buchen im Wald. 

Linden in schlechtem Zustand

Nicht gleicher Meinung ist Tobias Hofstetter. Der Baumpflegespezialist hat im Auftrag der Gemeinde Lauperswil die sechs Linden begutachtet. Sein Fazit: «Die Bäume befinden sich aufgrund der Kappschnitte in einem schlechten Zustand.» Zwei sollten gefällt werden (siehe Haupttext). Die drei beim Schulhaus Mungnau könne man mit einem Aufbauschnitt vielleicht noch retten. Allerdings sei der Boden durch parkierte Autos stark verdichtet; keine guten Voraussetzungen. Die Linde beim Schulhaus Emmenmatt sei zwar hohl, aber stabil. «Sie kann als Lebensraum für Tiere dienen, muss aber regelmässig kontrolliert werden.» 

So schadet das Kappen

«Stumpen» habe in der modernen Baumpflege nichts zu suchen, sagt Tobias Hofstetter. Bei den Schnittstellen könnten Pilze eindringen, der Baum beginne zu faulen. Weil durch das Entfernen der Krone das Gleichgewicht zwischen Wurzelwerk und Blattmasse gestört werde, kompensiere der Baum dies mit sehr starkem Wachstum, erklärt der Fachmann. Die Krone verliere durch das «Stumpen» ihre Ästhetik. Die Triebe, die bei den Kappstellen wachsen, seien zudem schlecht im Holz verankert, die Krone werde instabil. «Statt mehr Sicherheit erreicht man genau das Gegenteil.» Tobias Hofstetter betont, dass man einen gesunden Baum nur wenig schneiden müsse. «Es reicht, ihn alle paar Jahre zu kontrollieren.» Den Baumpfleger brauche es meist, wenn Fehler gemacht worden seien: Nebst dem Kappen nennt er das Anpflanzen zu nahe an Gebäuden. 

21.04.2022 :: Silvia Wullschläger (sws)