Alp Münchegg: Neue Hirtenfamilie, aber keine Fohlen mehr

Alp Münchegg: Neue Hirtenfamilie, aber keine Fohlen mehr
Übernehmen die Geschicke auf der Alp Münchegg: Christian und Kathrin Rentsch mit Söhnchen Silas. / Bild: x x (x)
Röthenbach: Nach über 100 Jahren wechselt die Hirtenfamilie auf der Alp Münchegg. Obwohl sie der Pferdezuchtgenossenschaft gehört, werden dort keine Fohlen mehr gehalten.

«Wir freuen uns darauf, auf der Münchegg ein Zuhause aufzubauen.» Die 21-jährige Kathrin Rentsch und ihr um zwei Jahre älterer Mann Christian sitzen am Küchentisch ihrer jetzigen Wohnung in Eggiwil, wo sie zusammen mit ihrem Söhnchen Silas leben.

Eigentlich habe es ihnen mit einem eigenen Hof noch nicht besonders «pressiert», verrät der gelernte Landwirt, der seine Lehre 2017 abgeschlossen hat. Doch dann erschien in der «Wochen-Zeitung» ein Inserat, wonach die Alpgenossenschaft Münch-egg eine neue Pächter- und Hirtenfamilie suche. Eine Chance, die es zu packen gelte, fanden die beiden. Nach einer ersten Besichtigung des Hofs bewarben sich die Familie Rentsch und bekam prompt den Zuschlag.


Eine über 100-jährige Ära endet 

Noch bis Ende März wird die Münch-egg vom Ehepaar Ernst und Vreni Fahrni-Wüthrich bewirtschaftet. 1984 übernahmen diese in dritter Generation die Hirtschaft der ganzjährig bewohnten Alp. Nun werden sie pensioniert und ihre beiden erwachsenen Töchter schlugen andere Wege ein. Deshalb endet nach über 100 Jahren  ein prägendes Kapitel in der Familiengeschichte der Fahrnis. Ihre Verabschiedung findet anlässlich der Generalversammlung der Genossenschaft Anfangs April statt.

Obwohl die Betriebsübergabe bereits auf den 1. April erfolgt, brauchen Rentschs noch etwas Geduld, bis sie in der Münchegg definitiv einziehen können. Zuerst wird nämlich das Haus mit Wohnung und Stall umgebaut. «Anstelle des Anbindestall entsteht neu ein Laufstall», freut sich Christian Rentsch. Ab Herbst 2022 wird die Familie rund 16 eigene Milchkühe halten. Die Milch liefern sie in die Käserei Röthenbach.


Neu keine Fohlen mehr 

Während des Alpsommers kommen zusätzlich bis zu 200 Rinder von Genossenschaftern auf die Münchegg. Auch Fohlen gehörten bis vor Kurzem zu den temporären Gästen, ihre Zahl nahm allerdings in den letzten Jahren ab. Neu werden keine mehr auf der Alp zu sehen sein. 

Trotzdem wartet viel Arbeit auf die Hirten. Doch davor haben die beiden zukünftigen Älpler keine Angst. Christian Rentsch ist zwar nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen, aber er wusste schon im Kindergarten, dass er einmal Landwirt werden will und konnte seinen Traum verwirklichen. Kathrin ist gelernte Malerin, auf einem Bauernhof aufgewachsen und arbeitet Teilzeit als Skilehrerin oder im Service. Beide sind sich also gewohnt, überall mit anzupacken. Der neuen Herausforderung sehen sie zuversichtlich entgegen.

Dem eineinhalbjährigen Silas wird es langsam langweilig drinnen im Stöckli. Ihn zieht es nach draussen, wo es Interessantes zu entdecken gibt. Wie etwa Nachbars Katze, die ihre Streicheleinheiten bei ihm abholen will. 

Pferdezüchter gründeten Alpgenossenschaft

1911 gründeten 35 Bauern aus der Region die damalige Pferdezuchtgenossenschaft des Amtes Konolfingen und Umgebung. Zwei Jahre später folgte der Kauf der rund 56 Hektar grossen Alp Münchegg in Röthenbach für 77´000 Franken. Von nun an bot sich den Mitgliedern die Gelegenheit, Jungvieh wie auch Fohlen zur Sömmerung oder Winterung auf die Alp zu bringen. 1917 kaufte die Genossenschaft die landwirtschaftliche Liegenschaft Schwändeli dazu und später weitere Parzellen.

Laufend wurde modernisiert, es entstanden neue Ställe und Zufahrtsstrassen. 1954 erschloss die BKW das Gebiet mit einer elektrischen Versorgung. Kostspielig war die Rekonstruktion eines Drainagesystems in einer Weide, die 1985 erfolgte, weil Weidegras zunehmend durch Sumpfgräser verdrängt wurde: 226´000 Franken kostete das Projekt – inklusive Baus eines Biotops. 40 Prozent bezahlten Bund und Kanton.

Im Festführer zum 100-Jahr-Jubiläum sind auch wetterbedingte Ereignisse niedergeschrieben. So seien etwa die Sommer 1947 und 1949 sehr trocken gewesen, was Futter und Wasser knapp werden liess. Der Sturm Lothar verursachte 1999 grosse Schäden im Wald, auch von Hagelschäden und Tierseuchen ist die Rede.

Die Pferdezuchtgenossenschaft bestand lange Zeit aus zwei Genossenschaften, die zusammen eine Betriebsgemeinschaft bildeten: Wer keine Anteilscheine der Münchegg besass, gehörte zur ersten Genossenschaft, alle Anteilscheinbesitzer zur zweiten, der heutigen Alpgenossenschaft Münchegg. Seit 2011 sind die beiden vollständig getrennt.

Heute weist die Alp Münchegg eine Gesamtfläche von rund 77 Hektaren auf, davon sind zehn Hektaren Wald.

31.03.2022 :: Rebekka Schüpbach (srz)