Ein Jahrhundert Fisch

Ein Jahrhundert Fisch
Daniel Bigler wirft immer wieder mal einen Blick auf seine Fische.
Grünenmatt: Seit 100 Jahren gehört ein Fischteich zum Hof der Familie Bigler auf Schaufelbühl. Inzwischen ist die Fischzucht zu einem wichtigen Betriebszweig geworden.

Schon als Fünftklässler zog Daniel Bigler vom Hof Schaufelbühl oberhalb Grünenmatt kleine Forellen gross und verkaufte sie den Nachbarn. Heute ist die professionelle Fischzucht eines von drei Standbeinen des Betriebes. Zu diesem gehören nebst den Regenbogen- und Goldforellen auch die Mutterkuhhaltung sowie Gastronomieangebote.

Der Erfolg des Betriebes sei dank der guten Zusammenarbeit mit seiner Frau Christina, seinen Eltern und den Teilzeitangestellten möglich, sagt Bigler. Einige Jahre hat er als Schreiner und Landwirt auswärts gearbeitet. 2020 übernahm das junge Paar den Hof von den Eltern und stellte beide in Vollzeit an. Für die Administration ist Daniel Bigler zuständig, den Stalldienst übernimmt sein Vater Hans Bigler.

«Seit 100 Jahren gehört ein Fischteich zu unserem Hof», erklärt Daniel Bigler. Die antike Broschüre in seiner Hand bestätigt, dass der Hof Schaufelbühl ein Luftkurort war. Hier, oberhalb des Dorfs Grünenmatt, wurde 1921 eine Pension gegründet. Schon damals wurde eingeladen, auf dem Bauernhof frischen eigenen Fisch zu geniessen. Nun betreiben die Biglers hier in der dritten Generation Landwirtschaft. Im idyllischen Spycher bietet die Familie heute ein B&B an, dazu Schlafen im Stroh.


Betrieb ausgebaut

Was einst als Hobby zum Aufbessern des Sackgelds gedacht war, ist nun zu einem wichtigen Erwerbszweig des Hofs Schaufelbühl geworden. Daniel Bigler führt die Aufzucht von Jungfischen weiter, die einst sein Onkel begonnen hatte. «Dank der eigenen Quelle können wir ein Kreislaufsystem betreiben, welches das Wasser reinigt», erklärt der junge Bauer. «Die Feststoffe aus den Fischbecken werden der Gülle zugeführt und so verdünnt aufs Feld ausgetragen.

Zusammen mit seinem Bruder baute der gelernte Schreiner und Landwirt 2007 sowohl die Becken wie auch eine Photovoltaikanlage. Die Biglers erhöhten die Anzahl der Fische, und seit einigen Jahren züchten drei weitere Betriebe Tiere für sie. Daniel Bigler kauft ihnen die Jungfische ab und mästet sie in drei weiteren Becken aus. Die Tiere werden dreimal täglich gefüttert. Wenn sie mit einem Gewicht von 350 bis 450 Gramm erntereif sind, werden sie abgefischt, auf dem Betrieb geschlachtet und verarbeitet.

Jeden Dienstag ist auf dem Hof Schaufelbühl Schlachttag. Zusammen mit weiteren Züchtern des Vereins Emmental-Fisch (siehe Kasten) werden die Fische dann ausgenommen und auf Eis gelegt an Metzgereien geliefert. Weitere Abnehmer von Frischfisch, geräucherten Filets, Knusperli und Nuggets sind Gastronomiebetriebe, Heime und Privatkunden der Region. 


«Nachhaltiger als Fleisch»

«Das sind sehr arbeitsintensive Stunden», hält der Züchter fest. «Wir müssen sauber und schnell arbeiten, um die Hygienevorschriften einhalten zu können.» Als Wertschätzung allen Helferinnen und Helfern gegenüber essen dann alle gemeinsam Znacht. Das gehört für die Familie Bigler nicht nur der Wertschätzung wegen dazu, sondern es schweisse auch das Team zusammen. Die Angestellten stammen aus dem Kollegenkreis und wurden mit der Zeit Freunde. «Wir sind sehr dankbar für das, was wir haben», sagt Daniel Bigler. Ein guter Zusammenhalt sei wichtig, denn «wir sind alle aufeinander angewiesen», so der 36-Jährige.

Nehme er mal frei, werde er von einem der anderen Fischzüchter vertreten. Dafür könnten diese ihre Tiere auf dem Hof Schaufelbühl schlachten und veredeln. Einer dieser Züchter liefert ihm Zander. Dadurch kann Daniel Bigler sein Angebot erweitern. 

Nur acht Prozent der verzehrten Speisefische stammten aus einheimischer Produktion, berichtet Bigler. 170´000 Tonnen würden jährlich importiert. «Die Weltmeere sind überfischt. Daher empfinden wir als Mitglieder des Vereins Emmental-Fisch uns nicht als Konkurrenz, sondern als Kollegen, welche die gleiche wertvolle Dienstleistung erbringen», so der Fischzüchter. Aus ökologischer Sicht sei es sinnvoll, Fisch statt Fleisch zu essen. Denn um ein Kilo essfertigen Fisch zu erhalten, brauche es viel weniger Futter, als um ein Kilo Natura-Beef zu produzieren, weiss der Landwirt und Fischzüchter.

Allein schon das prachtvolle Bauernhaus mit gepflegtem Garten und Mutterkühen auf der Weide laden zum Besuch auf dem Schaufelbühl ein. Jeden Tag kämen Kunden vorbei, um frischen oder geräucherten Fisch oder Natura-Beef einzukaufen. «Viele Städterinnen und Städter haben während der Corona-Pandemie das naturnah und regional produzierte Fleisch und den Fisch wiederentdeckt», freut sich Daniel Bigler. 


Teamwork ist gefragt

Auch Christina Bigler kennt sich mit Fischen aus. Sie pflegte als Jugendliche Zierfische in drei Aquarien und hat daher keine Berührungsangst mit den flinken Tieren. Heute betreut die 32-Jährige jedoch vor allem die beiden Söhne, den fünfjährigen Fabian und den dreijährigen Florian. Auch diese hätten Freude, die Fische zu beobachten.

Christina und Therese Bigler ziehen im Garten Gemüse und Beeren. Von Mai bis Oktober führen die Eltern Theres und Hans das hauseigene Restaurant. Auch hier packen alle Familienmitglieder mit an, dazu Teilzeitangestellte.

Den Biglers ist es ein Anliegen, Nahrungsmittel im Einklang mit der Natur zu produzieren – und mit Achtung vor dem Wohl der Tiere


Mirjam Fisch-Köhler

Netzwerk für Fischzüchter

Der Verein Emmental Fisch hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige Fischzucht zu fördern. Aktuell gehören dem Verein acht Betriebe aus dem Emmental und zwei aus dem Oberaargau an. Nachhaltige Fischzucht bedeutet für die Vereinsmitglieder konkret die Schweizer Aufzucht, die Haltung, das Futter, die Schlachtung und den Transport von Lebend Fischen, wie auf www.emmental-fisch.ch steht. «Die Mitglieder identifizieren sich mit den genannten Interessen und profitieren dadurch von Fachwissen, Netzwerk, Marketing und Futterbezug zum Vorzugspreis», heisst es weiter. Zudem diene der Verein als Anlaufstelle und biete Hilfeleistung bei Fragen zu Aufzucht, Haltung, Gesundheit, Krankheiten und Anlagebau. «Das Label ‹Emmental-Fisch› steht für ein Qualitätsprodukt.» Auch der Pflege der kameradschaftlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern sei wichtig. (wz.)

17.03.2022 ::