Von Glockenriemen bis Silo-Wasserpressen

Von Glockenriemen bis Silo-Wasserpressen
Glockenriemen sind längst nicht die einzigen Aufträge des Sattlers Kurt Stalder – er arbeitet auch mit Kunststoffen. / Bild: Sandra Steffen-Odermatt (sso)
Schüpfheim: Sattler Kurt Stalder findet für (fast) jeden Spezialwunsch eine Lösung. Daher kommt Kundschaft aus der ganzen Schweiz in seine kleine Werkstatt.

Ein durchdringender Geruch nach neuem und gebrauchtem Leder hängt in der Luft. Glockenriemen, Lederstücke, Blachen und Polster stapeln sich in der Werkstatt Gloggehus von Kurt Stalder. Dieser nimmt den Geruch nicht mehr wahr, höchstens kurz, wenn er mit seiner fünfköpfigen Familie mal für ein paar Ferientage weg war. Der 42-Jährige ist in der Werkstatt aufgewachsen, hat von klein auf seinem Vater gehandlangert und sich nebenbei das Handwerk angeeignet. 


Armeeaufträge und Glockenriemen

Kurt Stalders Vater Hans hatte 1976 angefangen mit den Sattlerarbeiten, als alternativer Erwerb nach einer Polio-Erkrankung mit daraus folgender körperlicher Einschränkung. Er stellte wunderbar bestickte Glocken- und Treichel-Riemen her, der wesentliche Teil des Verdienstes jedoch kam von Aufträgen der Armee. Nach der Reform 1995 vergab diese plötzlich keine Heimarbeit mehr an Sattler – genau zu der Zeit, als Sohn Kurt vor der Berufswahl stand. Dieser schnupperte als Schlosser, Zimmermann und Koch, entschied sich schliesslich aber doch für eine Lehre als Sattler. 


Das Blickfeld erweitert

Welch vielfältigen Beruf er hat, wurde dem Sattler jedoch erst in der Rekrutenschule richtig bewusst. Als Truppensattler war er im Einsatz mit Kollegen aus allerlei verwandten Berufsgattungen wie Polsterern oder Carosseriesattlern, was sein Blickfeld erweiterte. Auch Blachen zu schweissen lernte er und schaffte zuhause sogleich einen Heissluftföhn und eine geeignete Nähmaschine an. Wollte er das Geschäft seines Vaters übernehmen, war es überlebensnotwendig, vielseitiger zu werden. Denn nebst den ausfallenden Armee-Aufträgen schwand auch die Tradition von Staatsriemen oder Glocken als standardmässiges Hochzeits- oder Jubiläumsgeschenk. Heute werden Treicheln meist nur noch gezielt an Leute verschenkt, welche diese auch nutzen oder sich entsprechend darüber freuen. Solche Aufträge sind für Kurt Stalder stets ein Highlight: Er prägt und schnitzt leidenschaftlich gerne Sujets nach Foto-Vorlage in Leder. 


Individuelle Sonderanfertigungen 

Nach und nach fanden dann Kunden mit speziellen Wünschen ins Gloggehus – oft über Zufälle. «Spinner finden einander», schmunzelt Kurt Stalder. «Oft kommen Leute mit einem ganz speziellen Fachwissen zu mir, die Leidenschaft für unser jeweiliges Handwerk verbindet uns und so finden wir Lösungen.» Mittlerweile wird der Sattler von drei Teilzeitangestellten unterstützt und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Messerschmiede lassen Etuis für ihre Messer im Gloggehus nähen, Schreinereien oder Private lassen Eckbänke polstern, Blachenhüllen für Anhänger, Transportkisten und Baumaschinen werden hier angefertigt, für einen Handorgelbauer werden Lederriemen genäht, die päpstliche Garde hat ihre neuen Helme individuell polstern lassen, es werden Leder-Bezüge von Oldtimer-Autos ausgewechselt und vieles mehr.


Silo-Wasserpressen nach Mass

Eines Tages hatte der Schwiegervater von Kurt Stalder eine Idee, wie er seine Wasserpresse, mit denen Futtersilos luftdicht abgeschlossen werden, verbessert haben möchte. Durch diese Erfahrung wagte der Sattler, einen kompletten Wassersack selbst herzustellen. Mittlerweile gehen jährlich mehrere eckige Massanfertigungen und runde Standardgrössen über den Ladentisch. 

Kurt Stalder hat sich einen Namen gemacht mit seinem Drang zu Perfektionismus, der ihn jedoch manchmal auch stolpern lasse, wie er schmunzelnd gesteht: «Vielfach kommen Kunden zu mir, denen ein Produkt ab Stange zu wenig praktisch oder zu wenig stabil ist; ich bin dann im Dilemma, den sinnvollen Aufwand für eine Einzelanfertigung gegenüber meinem Ehrgeiz abzuwägen.» Denn leider brauche es bei aller Tradition und Liebe zu speziellen Herausforderungen halt trotzdem eine gewisse Effizienz. 

10.03.2022 :: Sandra Steffen-Odermatt (sso)