Samariterinnen und Samariter üben regelmässig, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Bild: Schweizerischer Samariterbund
Emmental: Viele Samaritervereine haben Nachwuchssorgen, manche lösen sich auf. So wie kürzlich jener in Sumiswald. Nun will der Samariterbund das Kursangebot zeitgemässer gestalten.
Wer den Führerschein machen will, muss einen Nothilfekurs absolvieren. An Gewerbeausstellungen, Festivals und anderen Anlässen bieten Sanitätsposten Hilfe bei medizinischen Problemen. Sind kleine Kinder im Haus, vermitteln die Kurse «Notfälle bei Kleinkindern» nützliches Wissen. Mehrmals pro Jahr werden in Gemeinden Blutspendeaktionen durchgeführt. So unterschiedlich diese Angebote auch sind, immer sind Samariterinnen und Samariter involviert. Rund 19´000 Aktivmitglieder in 880 Vereinen gibt es aktuell in der Schweiz. Vor zehn Jahren waren es noch 1150 Vereine mit fast 28´000 Mitgliedern. Auch im Emmental sind in den letzten Jahren Vereine verschwunden, so in Wasen, Heimisbach, Zollbrück und letzthin in Sumiswald (die «Wochen-Zeitung» berichtete).
Es fehlt der Nachwuchs
Verschiedene Gründe hätten zur Auflösung des Samaritervereins Sumiswald auf Ende 2021 geführt, sagt Margrit Affolter. Sie stand ihm 20 Jahre als Präsidentin vor und war auch Kursleiterin. «Am Schluss waren wir noch 16 Mitglieder, nur drei oder vier jünger als 65.» Damit spricht sie das grösste Problem an: die Überalterung. Sie hätten sich bemüht, junge Leute zu gewinnen, etwa mit Werbung an Nothilfekursen. Doch das sei schwierig. Das Freizeitangebot sei gross und attraktiv. Eine Samariterausbildung könne sich – je nach Stufe – über längere Zeit hinziehen. Dazu kämen die Übungsbesuche, die Weiterbildungskurse und die Mitarbeit beim Blutspenden, Nothelfer oder Postendienst. Sich auf diese Weise in seiner Freizeit zu verpflichten, sei für viele Junge nicht mehr vorstellbar. «Zudem führen die steigenden Anforderungen an den Postendienst in Bezug auf das Höchstalter und die Weitegrbildungen dazu, dass uns künftig die Leute dafür fehlen würden», so Margrit Affolter. Nicht zuletzt hätten in ihrem Verein nächstens drei Posten im Vorstand neu besetzt werden müssen, inklusive dem Präsidium. «Wir konnten niemanden dafür gewinnen.»
Schlanker und zeitgemässer
Beim schweizerischen Samariterbund sei das Problem des fehlenden Nachwuchses erkannt, sagt Rolf Imhof, Mitglied des Zentralvorstandes und Präsident des Regionalverbands Emmental. Er hat mitgeholfen, die Strategie «Samariter der Zukunft 2024» zu erarbeiten. Dabei gehe es einerseits um schlankere Strukturen. So werde der Regionalverband Emmental auf Ende Jahr aufgelöst, da neu der Kantonalverband für die Ausbildung verantwortlich sei. Vor allem aber soll das Angebot zeitgemäss werden. «Wir müssen uns den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen», sagt Imhof. Viele Menschen seien auch heute bereit, Freiwilligenarbeit zu leisten, jedoch eher projektbezogen statt in einem längerfristigen Engagement. Was über Jahrzehnte funktioniert habe – monatliche Übungen, Einsatz beim Postendienst, beim Blutspenden, beim Nothilfekurse, womöglich ein Amt im Vorstand – schrecke heute eher ab.
Spezifische Ausbildung ermöglichen
Neu soll die Ausbildung der Samariterinnen und Samariter modular aufgebaut werden. Je nach Interesse können die Freiwilligen ein Angebot auswählen. Das seien dann zeitlich befristete Ausbildungen, erklärt Rolf Imhof. Wer beispielsweise den Kurs «Notfälle bei Kleinkindern» unterrichten wolle, könne sich spezifisch dafür schulen und müsse nicht die ganze Ausbildung durchlaufen. «Damit wird der Aufwand für die einzelne Person kleiner, und die Chance für ein freiwilliges Engagement grösser.»
Aber auch die Vereine müssten sich bewegen, betont der Präsident des Regionalverbands Emmental. Dazu gehöre nebst einem zeitgemässen Angebot auch ein frischer Auftritt, zum Beispiel auf Social Media. Hier biete der Samariterbund Unterstützung. Und man müsse sich auch besser verkaufen. Eine Samariterausbildung biete viele Vorteile. «Man kann sich gratis in Erster Hilfe aus- und weiterbilden, ist gewappnet für Notfälle und tut etwas Sinnvolles für die Gesellschaft. Auch die Geselligkeit ist ein wichtiger Aspekt», zählt Rolf Imhof auf. Klar sei, dass die Vereine nicht weitermachen könnten wie in den letzten 30, 40 Jahren, sonst seien sie bald am Ende.
Postendienst zertifizieren?
Rolf Imhof betont, dass es mit der Strategie 2024 nicht darum gehe, dass die Freiwilligen praktisch Profis werden müssten. Es sei auch nicht geplant, die Anforderungen an die Samariterinnen und Samariter, die Postendienst leisteten, zu erhöhen. Wer dort eingesetzt werde, müsse schon seit längerem den Ersthelferkurs Stufe 2 vorweisen, jährlich an fünf Fachübungen teilnehmen und alle zwei Jahre eine Weiterbildung in Reanimation absolvieren. Zudem müsse die Person körperlich fit sein. Das sei aber nicht an ein Alter gebunden. Jedoch überlege man sich, den Postendienst zu zertifizieren, wie dies bei vielen Samariterkursen bereits der Fall sei. Dann würde die Einhaltung der Vorgaben kontrolliert, erklärt Rolf Imhof. Das sei heute nicht der Fall. Der Einsatz an einem Sanitätsposten bringe grosse Verantwortung mit sich, könne es doch um Leben
und Tod gehen. Da seien eine hohe Qualität und einheitliche Standards wichtig.