Die neuen Bio-Richtlinien bringen einige Betriebe unter Druck

Die neuen Bio-Richtlinien bringen einige Betriebe unter Druck
Die Familie Fankhauser – hier Sohn Yan – hält 240 Milchschafe. Sie ist von den Neuerungen stark betroffen. / Bild: Markus Zahno (maz)
Zollbrück: Neu dürfen Biobauern nur noch Schweizer Biofutter einsetzen. Das bringt jene Landwirte, die selber nicht genügend Futter produzieren können, in Schwierigkeiten.

Von Zollbrück geht die Strasse in den Unterfrittenbach, zweigt dann ab und führt hinauf zum Geissbühl. Auf 864 Metern über Meer ist das Ziel erreicht: der Bauernhof der Familie Fankhauser. Sie bewirtschaftet hier einen 40 Hektaren grossen Biobetrieb. Die Hälfte davon sind steile Weiden. Deshalb halten Fankhausers nicht Kühe, sondern 2000 Legehennen und 240 Milchschafe. Die Schafmilch bringen sie in die Käserei Gohl, wo sie zu Biokäse verarbeitet wird.

Bisher hat das Konzept funktioniert. Doch auf Anfang Jahr hat Bio Suisse seine Richtlinien angepasst. Neu dürfen Wiederkäuer – Kühe, Schafe und Geissen – nur noch Schweizer-Knospe-Futter erhalten, bisher war ein Anteil an Importfutter möglich. Zudem darf der Kraftfutteranteil neu höchstens fünf Prozent betragen, bisher waren zehn Prozent erlaubt. Ein Argument für die Neuerungen war das Tierwohl. Wiederkäuer seien nicht gemacht, um so viel Kraftfutter zu verdauen, erklärte ein Sprecher von Bio Suisse. Es sei sinnvoll, möglichst viel Gerste, Mais und Soja für die menschliche Ernährung einzusetzen und möglichst wenig den Tieren zu verfüttern.


Die Auswirkungen

Für die Familie Fankhauser vom Geissbühl sind die neuen Bio-Richtlinien ein Problem. «Auf unserem steilen Land können wir nicht einfach Ackerbau betreiben und das von uns benötigte eiweissreiche Kraftfutter selbst anbauen», sagt Martin Fankhauser. Am Küchentisch erklärt er: Schafmilch hat einen viel höheren Eiweiss- und Fettgehalt als Kuhmilch, entsprechend muss auch das Futter sein. Bisher konnte Fankhauser den Schafen unter anderem ein Konzen-
trat mit 38 Prozent Eiweissgehalt verfüttern. Mit den neuen Vorgaben sei nur noch ein halb so hoher Eiweissgehalt im Futter realistisch.

Für ihn werde es schwierig, das benötigte Kraftfutter hierzulande einkaufen zu können, sagt Martin Fankhauser. Auch der Kauf des Grundfutters könne – insbesondere bei zu trockenem oder zu nassem Wetter – schwierig sein. Zudem sei es nicht von heute auf morgen möglich, neue Schaf-Rassen zu züchten, die weniger Futter bräuchten. «Solche Züchtungen dauern Jahrzehnte.»


Die Unterschiede

An Fankhausers Küchentisch sitzt noch ein anderer Landwirt: Beat Gerber. Auf der gegenüberliegenden, sonnigeren Seite des Unterfrittenbachs bewirtschaftet er einen ebenfalls 40 Hektaren grossen Betrieb. Dieser ist anders aufgestellt. Gerber hält 13 Milchkühe, 16 Mutterkühe, und im steilen Land weiden etwa 60 Geissen. Zudem betreibt er Ackerbau und baut Kräuter an.

Beat Gerber ist auch Bio-Kontrolleur und Vorstandsmitglied der «Bärner Bio Bure». Seit sieben Jahren verzichtet er in seinem Betrieb auf Kraftfutter. Er nimmt eine Grafik aus der Mappe: die Kurve der Milchleistung, die markant zurückgegangen ist. Gaben Gerbers Kühe mit Kraftfutter im Durchschnitt über 7000 Kilogramm Milch pro Jahr, sind es heute noch rund 5000 Kilo. Auf der Einnahmenseite sei das einschneidend gewesen. Doch durch die Einsparungen auf der Ausgabenseite kann er mit diesem Konzept leben.

Die einzelnen Betriebe seien nur schwer miteinander vergleichbar, gibt Beat Gerber zu bedenken. Viele Faktoren hätten Einfluss auf die Futterproduktion, zum Beispiel: Wie steil ist das Land? Liegt es an der Sonn- oder der Schattseite? «Jeder Landwirt hat andere Voraussetzungen», sagt Beat Gerber. Und dann zu Martin Fankhauser: «Betriebe wie deinen treffen die Neuerungen am härtesten.»


Die Zukunft

Der neue Stall der Familie Fankhauser ist für 300 Milchschafe ausgelegt. Die Investition erfolgte auch im Hinblick auf den Generationenwechsel: Martin Fankhauser will den Betrieb dereinst an Sohn Yan übergeben, der im Moment die Ausbildung als Landwirt macht. Nebst ihm arbeiten noch ein weiterer Lehrling sowie ein externer Angestellter auf dem Hof.

Wie es nun weitergeht, weiss Fankhauser nicht genau. Bis Juni muss er das im alten Jahr nach den alten Vorgaben zugekaufte Futter aufbrauchen. Dann gelte es, das Land möglichst intensiv für eiweissreiches Futter zu bewirtschaften – ein Sommer mit gutem Wetter würde dabei helfen. Auch mit Ackerbau zu beginnen, steht zur Diskussion. Wenn das nicht reiche, «müssen wir die Zahl der Schafe reduzieren», sagt Martin Fankhauser. Dann wären Arbeitsplätze in Gefahr, je nachdem müsste jemand aus der Familie einer externen Arbeit nachgehen. Noch hat er aber die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es ohne diesen Schritt geht.

13.01.2022 :: Markus Zahno (maz)