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Eine Vogelart im Aufwind

Eine Vogelart im Aufwind
Der Rotmilan kann heute viel öfter am Himmel beobachtet werden als noch vor wenigen Jahrzehnten. / Bild: Marcel Burkhardt
Natur: Weltweit ist der Bestand des Rotmilans am Schrumpfen. Nicht so in der Schweiz, wo dieser Greifvogel mittlerweile häufig beobachtet werden kann. Forscher der Vogelwarte Sempach gehen der Frage nach, warum es dem eleganten Greifvogel bei uns so gut gefällt.

Hoch oben am Himmel zieht er seine Kreise. Der Rotmilan, der immer häufiger beobachtet werden kann. Gemäss den Erhebungen der Vogelwarte Sempach hat sich der Bestand dieser Vogelart in den letzten 15 Jahren verdoppelt. 2800 bis 3500 Paare brüten heute in der Schweiz. Das ist zwar viel, aber beispielsweise Mäusebussarde, welche den Lebensraum mit den Rotmilanen teilen, sind mit 15´000 Paaren noch wesentlich häufiger. 


Die Schweiz in der Verantwortung

Global betrachtet fällt auf, dass die in unserem Land lebenden Rotmilane rund zehn Prozent des Weltbestandes ausmachen. «Die Schweiz hat daher eine hohe internationale Verantwortung zum Schutz des Rotmilans», schreibt die Vogelwarte Sempach in einer Mitteilung. Während in unserem Land der Bestand wächst, nimmt er weltweit  ab. Die Vogelwarte Sempach hat daher im Jahr 2015 ein umfangreiches Forschungsprojekt zu dieser Vogelart lanciert. Dazu wurden in der Region Sensebezirk, Kanton Fribourg, insgesamt 450 Jung- und 70 Altvögel mit einem solarbetriebenen GPS-Sender ausgestattet. «Im Fokus des Projektes liegt die Erforschung der Faktoren, welche bestimmen, wie lange die Vögel leben, wie erfolgreich sie sich fortpflanzen, wohin sie abwandern und welche Lebensräume sie nutzen», erklären die Projektleiter der Vogelwarte Sempach auf Anfrage. Dank der Daten weiss man unter anderem, dass sich bereits zwei dieser Jungvögel im Emmental niedergelassen und erfolgreich gebrütet haben. 


Ältere Vögel bleiben auch im Winter 

Dank des Forschungsprojekts konnten bereits weitere Erkenntnisse über den Rotmilan gewonnen werden: Der Vogel ist bei der Wahl seiner Nahrung sehr anpassungsfähig und nicht wählerisch: «Er frisst Aas, Abfälle, Würmer oder kleine Säugetiere wie Mäuse, die er kreisend entdeckt.» Auf frisch gemähten Wiesen und gepflügten Äckern können sich grosse Gruppen von Rotmilanen versammeln, um gemeinsam verletzte oder tote Tiere zu fressen. Die Rotmilane litten, wie auch etwa Turmfalken und Mäusebussarde unter dem Einsatz von Pestiziden, die zu Vergiftung oder verringertem Bruterfolg führten. «Seit diese Gefahren deutlich reduziert wurden, steigen auch die Bestände vieler Greifvögel wieder an», halten die Forscher fest. 

Hinzu kommt, dass der Rotmilan vom Klimawandel eher profitiert.» Die Untersuchungen der Vogelwarte haben gezeigt, dass sich bereits eine leichte Erhöhung der Durchschnittstemperatur in der Brutzeit positiv auf den Bruterfolg und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Jungvögel auswirkt», erklärt das Forschungsteam. «Wie genau die Ausbreitung entlang des Höhengradienten funktioniert und welche Individuen sich in diesen wohl weniger geeigneten Habitaten ansiedeln, ist noch Gegenstand unserer laufenden Untersuchungen.» Bekannt ist, dass der Rotmilan aus wärmeren Gebieten wie Spanien allmählich verschwindet – dort wird es ihm zu heiss. 

Die tendenziell milderen Temperaturen in der Schweiz haben auch das Zugverhalten der Vögel beeinflusst, wie die Forscher weiter herausgefunden haben: «Früher zogen im Herbst alle Schweizer Rotmilane auf die Iberische Halbinsel, um dort zu überwintern. Dank zahlreichen besenderten Vögeln konnte die Schweizerische Vogelwarte zeigen, dass die meisten Jungvögel nach wie vor nach Südwesten ziehen. Je älter die Vögel werden, desto eher bleiben sie aber in der Schweiz. Mittlerweile überwintert rund die Hälfte der Schweizer Rotmilane bei uns. Ein beachtlicher Teil dieser Vögel versammelt sich abends jeweils an gemeinsamen Schlafplätzen, die über 100 Tiere umfassen können.

Die Vögel beanspruchen für sich ein bestimmtes Revier. Wie stark wird die Dichte der Rotmilane hierzulande noch steigen? «Dies ist sehr schwierig vorherzusagen. Grundsätzlich können die Reviere kleiner werden, wenn genügend Nahrung und Brutmöglichkeiten vorhanden sind. Je höher die Dichte aber ist, desto eher kommt es zu Konflikten mit Artgenossen, welche die Brutpaare am Brüten hindern», erklären die Forscher. «Irgendwann wird sich ein Gleichgewicht zwischen diesen gegeneinander wirkenden Faktoren einstellen, dann stabilisiert sich die Population und steigt nicht weiter an.»  


Einst als Schädling verfolgt

Der Greifvogel mit dem grauen Kopfgefieder und dem gegabelten Schwanz ist mit einer Spannbreite von rund 150 Zentimeter eine imposante Erscheinung. Obwohl es sich beim Rotmilan nach dem Bartgeier und dem Steinadler um den drittgrössten, hiesigen Greifvogel handelt, wiegt er lediglich gut ein Kilogramm. 

Der elegant fliegende Vogel wurde vor allem im 19. Jahrhundert verfolgt. Wie vielen anderen Greifvögeln und Beutegreifern wurde dem Rotmilan nachgestellt, weil er als Schädling angesehen wurde. Dabei ist der Rotmilan ein Nahrungsopportunist und frisst, was gerade verfügbar ist. 

Noch heute hört man, dass sich die hohe Population des Rotmilans – wie auch anderer fliegender Jäger wie Mäusebussard oder Schleiereule – beispielsweise negativ auf die Population des Feldhasen auswirke. Dazu Experten der Vogelwarte Sempach: «Nein, da ist nichts dran. Der Feldhase ist zu einer Zeit seltener geworden, als auch die Greifvögel seltener wurden, nämlich in den 1960er und 1970er Jahren, als die Landwirtschaft intensiviert wurde und massiv Pestizide eingesetzt wurden. In unserer ausgeräumten und intensiv bewirtschafteten Kulturlandschaft kann der Feldhase nur noch dort überleben, wo die Landwirtschaft extensiv betrieben wird.»

25.11.2021 :: Bruno Zürcher (zue)