Auf einem grossen Platz üben die Geisslechlöpfer für ihren grossen Auftritt. / Bild: Pedro Neuenschwander (pnz)
Schüpfheim: Für die einen ist es Musik, für die anderen Krach: Seit Allerheiligen sind die Geisslechlöpfer wieder am Üben. Auch in Schüpfheim.
Der Winter naht. Dicke Schärpen zieren den Hals, Handschuhe bedecken die Hände und Thermounterwäsche wird übergestreift. Verlässt man das Haus am Morgen, ist es dunkel; kehrt man am Abend nach Hause zurück, ist es Nacht.
Es ist auch die Zeit, in der ein Brauch wieder auflebt: das Geisslechlöpfe. Der Brauch stammt aus der vorchristlichen Zeit und verfolgt der Legende nach das Ziel, böse Geister und Dämonen zu vertreiben – später wurde mit dem Chlöpfe der Samichlaus angekündigt. «Ich bin mit dieser Tradition seit meiner Kindheit vertraut. Schon früh habe ich die Chlöpfer-Kunst in meinem Jugenddorf Flühli kennengelernt und habe in der dortigen Samichlaus-Gesellschaft im Vorstand mitgewirkt», sagt Anton Thalmann. Heute ist er in Schüpfheim beim Verein «Schüpfheimer Samichlaus» für das Ressort Geisslechlöpfer verantwortlich.
Diesem Brauch wird vorwiegend in der Zentralschweiz und im Aargau gefrönt. Offiziell «gchlöpft» darf ab Allerheiligen bis und mit dem 6. Dezember werden.
Früh übt sich, wer ein Meister werden will
Das Geisslechlöpfe muss gelernt sein. «Wir trainieren das Geisslechlöpfen an vier Abenden», steht auf der Homepage des «Schüpfheimer Samichlaus». 23 Kinder und Jugendliche, 17 Knaben und sechs Mädchen im Alter von sechs bis 17 Jahren, sind dem Aufruf zur ersten Übungsstunde gefolgt. Geübt wird draussen, auf dem beleuchteten Kistag-Areal, das von der Firma jeweils zur Verfügung gestellt wird.
Nach einer kurzen Einführung durch die Verantwortlichen wird die Geissel geschwungen, es zischt um die Ohren, es knallt in der finsteren Nacht. «Es ist cool, die Geissel zu schwingen und am Chlaustag den Samichlaus zu begleiten», sagt Linus Schnider, der seit drei Jahren mit von der Partie ist. Noch pointierter drückt sich die zehnjährige Lienne Thalmann aus: «Es macht Spass, diese faszinierende Tradition weiterleben zu dürfen. Umso mehr, als ich damit in die Fussstapfen meines Vaters treten kann.» Die Atmosphäre auf dem grossen Übungsplatz ist wahrlich eindrücklich. Auch die drei Übungsleiter geben ihr Bestes, sie schwitzen und atmen schnell nach einer Vorführung. Das Geisslechlöpfe fordert dem Körper alles ab. Voraussetzung sind Freude, Fitness, Präzision wie auch Ausdauer.
Unterschiedliche Geräte
In der Innerschweiz gibt es zwei verschiedene Ausführungen von Geisseln: die Lüthi-Geissel und das Innerschweizer Modell. Die Lüthi-Geissel ist dicker und schwerer als diejenige aus der Innerschweiz. Geklöpft wird mit beiden Händen abwechselnd von links nach rechts. Die Geissel misst zwischen 1,5 und 4,5 Meter, je nach der jeweiligen Körpergrösse und dem Können des Chlöpfers. Der bewegliche Teil besteht aus Hanf und Flachs. Am Ende der Geissel ist ein «Schlössli» und ein Zwick aus Kunststoff befestigt. Dieser Zwick ist verantwortlich für den Knall. «Dafür wird er von einem geübten Geisslechlöpfer über die Schallgeschwindigkeit hinaus beschleunigt, was eine starke Luftdruckveränderung verursacht», beschreibt Anton Thalmann. «Dieser Überschallknall wird dann vom Gehör wahrgenommen.» Trockenes Wetter ist Voraussetzung für gutes Knallen. Nasses, feuchtes Wetter ist ungeeignet; der Schnee dämpft die Wirkung.
Im November wird an vier Abenden intensiv geübt. Als Dank für den Einsatz dürfen die Kinder und Jugendlichne am Chlaustag den traditionellen Samichlausauszug anführen.