Wenn Senioren ihre Erinnerungen mit Jugendlichen teilen

Wenn Senioren ihre Erinnerungen  mit Jugendlichen teilen
Anna Schenk, Amelia Schneider, Ernst und Rosina Rothenbühler (v.l.) unterhalten sich über frühere Zeiten. / Bild: Kathrin Schneider (skw)
Biglen: Im Generationenspiel «Zeitmaschine.TV» erforschen Jugendliche die Erinnerungen von Seniorinnen und Senioren. Dazu haben sie sich getroffen und Filme gedreht.

Die Stimmung ist gut bei den Ro-
thenbühlers in Biglen. Um den Esstisch sitzen das Ehepaar Ernst und Rosina Rothenbühler sowie Amelia Schneider und Anna Schenk aus Arni, die beide in Biglen die neunte Klasse besuchen. Beide Senioren blättern eifrig in alten Fotoalben und suchen interessante Schnappschüsse aus ihrer Jugendzeit. «Damals hat man sich halt für den Fotografen noch extra schön angezogen und in Pose gestellt», erinnert sich Rosina Rothenbühler und schmunzelt. «Ui, die Lehrerin sieht aber streng aus», bemerkt Anna Schenk und zeigt auf eine alte Klassenfoto mit einer riesigen Kinderschar und einer ernst blickenden Dame in der Mitte.

Anna Schenk und Amelia Schneider besuchen das Ehepaar Rothenbühler an diesem Donnerstagnachmittag das zweite Mal. Nachdem sie in der Schule das Interview vorbereitet hatten, konnten sie vor rund zwei Wochen ihre Fragen stellen und die Gespräche aufzeichnen. 


Kriegsjahre und Landwirtschaft

Sehr gut vorbereitet seien die zwei jungen Damen, lobt Ernst Rothenbühler. Überhaupt geniesse er das Interesse der Schülerinnen. Sie hätten ihn und seine Frau regelrecht gelöchert mit ihren Fragen zur Landwirtschaft im letzten Jahrhundert. Mit alten Werkzeugen demonstrieren die Rothenbühlers, wie früher Garben gebunden wurden. «Während dem Weltkrieg waren die Garbenschnüre sogar nur aus Papier gedreht», erzählt Ernst Rothenbühler. Er erzählt von Bunkern in Heiligenschwendi, die wie Scheunen aussahen, und von den Kriegsspielen während des Zweiten Weltkriegs. 

Rosina Rothenbühlers Kindheit war ebenfalls vom Krieg geprägt; sie weiss von Frauen, die auf den Bauernhöfen zurückblieben, während Männer und auch Pferde für den Militärdienst eingezogen wurden.


Kaum Freizeit und knappe Löhne

Für Erstaunen sorgen bei den jungen Leuten Rosina Rothenbühlers Erinnerungen an das Welschlandjahr und die sechs einzigen Ferientage über Weihnachten. «Am Schluss habe ich mir vom Lohn ein Kleid gekauft, das ich noch lange getragen habe», erzählt sie den aufmerksamen Zuhörerinnen. Dieses Kleid hätten die beiden Schülerinnen nur zu gerne fotografiert, aber es sei leider nicht mehr vorhanden. Auch Liebesbriefe fänden sie keine mehr. Rosina und Ernst Rothenbühler lachen. Sie haben beide Jahrgang 1939 und trafen sich in der Landwirtschaftsschule auf dem Waldhof. «Natürlich Frauen und Männer in getrennten Klassen», ergänzt Rosina Rothenbühler. Aber lustig sei die Zeit im Internat trotzdem gewesen, lacht ihr Mann und zückt verschiedene Fotos. Diese bleiben jedoch privat. 

«Zeitmaschine.TV»: für Jugendliche und Senioren

Das Generationenspiel «Zeitmaschine.TV» wurde von Christian Lüthi initiiert. Er ist seit 2006 Geschäftsführer des Vereins und verantwortlich für Umsetzungen mit Schulen und weiteren Partnern wie  Altersinstitutionen und Museen. Das Projekt wurde schon in den verschiedensten Schweizer Regionen sowie in Berlin durchgeführt. In Biglen hat es die Lehrerin Barbara Mikosch für ihre Klasse gebucht. Die Schüler mussten Senioren finden und mit diesen einen Vertrag über Bild- und Tonrechte abschliessen. Dann realisierten sie kurze Film-Clips. Mit einer App konnten sie die Interviews mit Schwenks über die Fotos der Zeitzeugen illustrieren. Die Clips findet man unter www.zeitmaschine.tv/Biglen-be.

18.11.2021 :: Kathrin Schneider (skw)