Der Champions-League-Goalie beim FC Aemme

Der Champions-League-Goalie  beim FC Aemme
Aemme-Trainer Vladislav Spunda (links) und sein Kollege, der ehemalige Weltklassetorhüter Martin Vaniak. / Bild: Markus Zahno (maz)
Zollbrück: Einst spielte Martin Vaniak in der Königsklasse gegen Arsenal. Jetzt hilft er beim FC Aemme aus. Möglich gemacht hat diesen Coup ein Kollege aus früheren Zeiten in Tschechien.

Es wird langsam dunkel. Die Flutlichter auf dem Fussballplatz Tannschachen in Zollbrück sind bereits eingeschaltet. Sie beleuchten das Training der F-Junioren. Die Kinder in ihren hellgrünen und orangefarbenen Überzügen machen Übungen mit und ohne Ball. Ein paar Eltern schauen zu – und ein Mann mit einem grossen Namen: Martin Vaniak.

Vaniak war Torhüter der tschechischen Nationalmannschaft, wurde mit Slavia Prag zweimal Meister. 2007 war er – auch dank einem gehaltenen Penalty – der gefeierte Held, als sich Slavia für die Champions League qualifizierte und dort gegen Klubs wie Arsenal und Sevilla spielte. Vor ein paar Monaten ist der 51-Jährige nach Zollbrück gezogen und wirkt hier in seiner Freizeit als Torhütertrainer beim FC Aemme.


In der Heimat den Job verloren

Dass Vaniak hier ist, hat mit dem Mann zu tun, der neben ihm steht: Vladislav Spunda. Auch er stammt aus Tschechien, kam vor 14 Jahren als Spieler zum FC Zollbrück und ist jetzt Trainer beim Zweitligisten FC Aemme, dem Fusionsverein von Zollbrück und Hasle-Rüegsau.

Spunda und Vaniak setzen sich an einen Tisch und erzählen ihre Geschichte. Die beiden spielten einst im gleichen Team in der höchsten tschechischen Liga. Später trennten sich ihre Wege: Spunda setzte seine Karriere in einer tieferen Spielklasse fort, Vaniak schaffte es bis in die Champions League. Als 41-Jähriger beendete er seine Profikarriere und war anschliessend in verschiedenen Klubs im Trainerstab tätig, zuletzt im Nachwuchsbereich von Sigma Olomouc. «Doch dann kam Corona», sagt Martin Vaniak. Die Juniorenmeisterschaft wurde eingestellt, und der Klub entliess aus finanziellen Gründen alle Nachwuchs-Angestellten. «Mein Leben lang habe ich mein Geld mit Fussball verdient. Plötzlich war das nicht mehr möglich.»


Ein komplett anderer Alltag

Dann kam der Anruf von Vladislav Spunda. Dieser war auf der Suche nach einem Goalietrainer für den FC Aemme – und erinnerte sich an seinen Kameraden. Bei seiner Anfrage fügte er sofort ein «Aber» an. Goalietrainer beim FC Aemme ist ein Amt, das man in der Freizeit ausübt. «Ich sagte Martin: ‹Wenn du hierher kommst, musst du neben dem Fussball eine Arbeitsstelle annehmen.›» So arbeitet Martin Vaniak heute in Vollzeit als Gipser. Nach Feierabend steht er fast täglich in Zollbrück auf dem Fussballplatz. Er ist Goalietrainer aller Teams; bei den Männern, den Frauen und den Junioren.

Es sei eine Umstellung, tagsüber zu arbeiten und abends Freizeitsportler zu trainieren, sagt Martin Vaniak. Vladislav Spunda nickt. Auch er hat neben dem Fussball einen Vollzeitjob, arbeitet bei einer Abdichtungsfirma. «Als ich vor 14 Jahren hierher kam, fiel ich abends um acht jeweils todmüde ins Bett.» Mit der Zeit habe er sich immer besser daran gewöhnt.


Kämpfen gelernt

Spunda ist nicht verheiratet. Martin Vaniak hat Familie, die aber in Tschechien geblieben ist. Seine Frau und die 26-jährige Tochter haben dort eine Stelle, der 19-jährige Sohn studiert. So leben Vaniak und Spunda nun gemeinsam in einer WG in Zollbrück.

Schon als Profifussballer habe er seine Familie bei weitem nicht jeden Tag sehen können, sagt Vaniak, der die Fragen auf Deutsch gut versteht, manchmal aber noch auf Tschechisch antwortet. «Als Fussballer haben wir gelernt, diszipliniert zu sein und zu kämpfen», lässt er via Spunda übersetzen. «Wir nehmen es so, wie es ist.»


Ein Sieg und eine Niederlage

Doch jetzt nimmt die Geschichte noch eine Wende. Denn im Moment hat der FC Aemme Verletzungssorgen bei den Goalies. Gleich drei Schlussmänner sind ausgefallen. Trainer Vladislav Spunda blieb nicht viel anderes übrig, als den Goalietrainer ins Tor zu stellen. So gab Martin Vaniak zehn Jahre nach dem Rücktritt als Aktiver sein Comeback. Er, der einst Schüsse von Weltklassestürmern wie Suárez und Huntelaar abwehrte, stand in den letzten zwei Spielen gegen den FC Belp (4:2) und den FC Weissenstein (2:3) im Tor.

«Sie können sich nicht vorstellen, wie kaputt ich nach den Spielen bin», sagt Vaniak schmunzelnd. Spunda fügt mit dem ihm eigenen Schalk an: «Am nächsten Tag brauchst du jeweils fast einen Rollstuhl.»


Vorübergehende Lösung

Das Comeback ist befristet. «Es ist nicht unser Ziel, einen 51-Jährigen ins Tor zu stellen und einem Jungen den Platz wegzunehmen», sagt Trainer Spunda. Vaniak werde einfach solange spielen, wie die anderen Goalies ausfielen. Eventuell kann der Stammgoalie bereits dieses Wochenende wieder eingesetzt werden.

Die Arbeit beim FC Aemme mache ihm Spass, sagt Martin Vaniak. Es sei schön, sein Wissen weitergeben zu können und zu sehen, dass dies geschätzt werde. Irgendwann möchte er wieder im Profifussball tätig sein, vielleicht als Goalietrainer in der Schweiz, in Deutschland oder Österreich. Doch vorher will er in Zollbrück sein Bestes geben. Feierabend für Feierabend.

21.10.2021 :: Markus Zahno (maz)