Sechs Parteien wollen die Politik mitbestimmen

Sechs Parteien wollen die Politik mitbestimmen
Wer zeichnet in den nächsten vier Jahren verantwortlich für die Geschicke der Gemeinde Langnau? / Bild: Jakob Hofstetter (jhk)
Langnau: Am 31. Oktober wird gewählt. Insgesamt bewerben sich 20 Männer und 10 Frauen für einen Sitz im Gemeinderat. Acht Bisherige möchten ihren Sitz verteidigen.

Aktuell sind im Gemeinderat von Langnau vier Parteien vertreten. Die stärkste Kraft ist die SVP, die mit Beat Gerber, Jürg Gerber und Monika Kühni im Rat vertreten ist und mit Walter Sutter auch den Präsidenten stellt. Alle vier kandidieren für die nächste Legislatur. Etwas weniger komfortabel ist die Ausgangslage für die SP, tritt Renate Strahm doch zurück. Niklaus Müller und Martin Lehmann dagegen stellen sich der Wiederwahl. Die FDP und Die Mitte sind heute mit je einer Person im Gemeinderat vertreten. Sowohl Johann Sommer (FDP) als auch Thomas Gerber (Die Mitte) möchten eine weitere Amtsdauer anhängen. Die vier Parteien erhalten Konkurrenz von der EVP und der GLP, die ebenfalls in den Gemeinderat einziehen möchten. Zwischen der SP und der GLP besteht eine Listenverbindung.

Insgesamt sind es 10 Frauen und 20 Männer, die auf den sechs Gemeinderats-Listen aufgeführt sind. Der Altersdurchschnitt aller Kandidierenden beträgt 50,1 Jahre. Die jüngste Kandidatin hat Jahrgang 1995, die ältesten Kandidaten haben Jahrgang 1957. 


Wahl trotz Einerkandidatur

Etwas speziell ist die Situation für Gemeindepräsident Walter Sutter. Obwohl er der einzige Kandidat für dieses Amt ist, muss er zur Wahl antreten. Diese findet im Majorzsystem statt, es gewinnt also, wer am meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Das Abstimmungs- und Wahlreglement der Gemeinde Langnau sieht für das Gemeindepräsidium keine stille Wahl vor. Selbst wenn nur ein Vorschlag vorhanden ist, wird deshalb eine ordentliche Wahl durchgeführt. Wählbar ist nur der offizielle Kandidat. Sutter braucht also eine einzige Stimme – er kann sich damit bereits auf die nächste Amtsdauer vorbereiten.  

Nebst der Wahl des Gemeinderats findet auch jene für den Grossen Gemeinderat (Parlament) im Proporzsystem statt. Die Sitze werden also im Verhältnis zu den erzielten Parteienstimmen auf die Parteien verteilt.  

Im Grossen Gemeinderat (GGR) sind 40 Sitze zu vergeben. Es treten dieselben sechs Parteien wie für den Gemeinderat an. 32 bisherige Mitglieder bewerben sich für eine weitere Amtsdauer. Insgesamt kandidieren 101 Personen (34 Frauen und 67 Männer). Die stärkste Kraft ist auch hier die SVP mit 16 Parlamentariern, allesamt Männer. Die SP ist aktuell mit zehn Personen im GGR vertreten. Die übrigen vier Parteien teilen sich die restlichen 14 Sitze: FDP und Die Mitte je vier, EVP und GLP je drei. Zwischen der FDP und Die Mitte besteht eine Listenverbindung.

Welche Ziele die Parteien anstreben, wo sie die Herausforderungen für die nächsten vier Jahre sehen und was sie mit zehn Millionen Franken machen würden, beantworten sie im Beitrag unten.   Silvia Wullschläger


Die Kandidierenden für den Gemeinderat: 

Liste 1 EVP: André Röthlisberger, Christoph Utiger, Doris Baumann-Pfister, Kurt Herren, Regula Engel. 

Liste 2 SP: Martin Lehmann, Niklaus Müller Dietrich (beide bisher), Daniela Bärtschi Lopez Zequera, Agatha Aschwanden Schweizer, Salome Maurer, Christian Oswald. 

Liste 3 Die Mitte: Thomas Gerber (bisher), Melanie Gerber, Yvonne Battanta Stämpfli, Thomas Bumbacher, Helena Day, Martin Haldemann, Chantal Lauenstein. 

Liste 4 SVP: Walter Sutter, Jürg Gerber, Beat Gerber, Monika Kühni-Lehmann (alle bisher), Niklaus Blaser. 

Liste 5 GLP: Michael Moser Stifel, Till Basil Brand, Andreas Müller. 

Liste 6 FDP: Johann Sommer (bisher), Bernhard Wegmüller, Anton Liechti, Beat Fankhauser. 

Kommentare

Die Frage

Wie viele Sitze im Gemeinderat und im Grossen Gemeinderat strebt Ihre Partei an und wie schätzen Sie die Chancen ein, dieses Ziel zu erreichen?



SVP

Wir von der SVP Langnau haben das Ziel, unsere Sitze im Gemeinderat und im GGR sowie das Gemeindepräsidium zu verteidigen. Nach unserem Wahlerfolg vor vier Jahren ist dieses Halten der Sitze ein hohes, aber realistisches Ziel. 


SP

Wir streben 12 Sitze im GGR (+2) und 3 Sitze im GR an (unverändert). Wir haben starke Kandidatinnen und Kandidaten – 50% Frauen, 50% Männer – und sind überzeugt, mit ihnen unser Wahlziel zu erreichen. Zudem zeigen die Wahlen in anderen Gemeinden, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung neue Antworten auf die grossen ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen verlangt – die haben wir!


FDP

Für den Grossen Gemeinderat haben wir uns als Minimalziel gesetzt, die aktuellen vier Sitze zu halten. Ein Sitzgewinn wäre für uns ein schöner Erfolg. Beim Gemeinderat ist für uns das Ziel klar, dass wir den aktuellen Sitz verteidigen wollen. Mit Johann Sommer als bisheriges Mitglied stehen aus unserer Sicht die Chancen dafür sehr gut. 


Die Mitte

Das Ziel der Mitte ist, im Gemeinderat mindestens das eine Mandat zu verteidigen. Sie liebäugelt gar mit einem zweiten. Im Grossen Gemeinderat hat sich Die Mitte ein hohes Ziel gesetzt, denn sie will die heutigen vier Sitze verteidigen und wenn möglich auf fünf bis sechs ausbauen. Ob die Einschätzung der Partei realistisch ist, wird sich am Wahltag weisen. 


EVP

Die EVP strebt mit den Spitzenkandidaten André Röthlisberger und Christoph Utiger neu einen Sitz im kleinen Gemeinderat an. Im Parlament möchten wir zu den drei bisherigen ein Mandat dazugewinnen und neu 4 Sitze einnehmen. Die Ziele sind ambitioniert, aber realistisch, wenn die Wählerbasis fleissig wählen geht und wir darüber hinaus Zusatzstimmen gewinnen können.


GLP

Die GLP möchte anlässlich dieser Wahlen den Einzug in die Exekutive schaffen und erhofft sich einen Sitz im Gemeinderat. Im GGR möchten wir einen zusätzlichen Sitz gewinnen und neu mit 4 Vertreterinnen und Vertretern im GGR politisieren. Wir schätzen die Chancen als realistisch ein. 





Die Frage

Wo sieht Ihre Partei die grössten Herausforderungen, die in den nächsten vier Jahren auf die Gemeinde Langnau zukommen?



SVP

Die hohen Investitionen im Hochwasserschutz, Feuerwehrmagazin, Abwassersanierung, Badi-Sanierung etc., welche in der Gemeinde in naher Zukunft anstehen, müssen gut abgestimmt werden. Nebst den weiteren Punkten, welche die Gemeinde lösen muss (Digitalisierung, Auswirkungen Covid-Pandemie etc.), darf der Steuerfuss unter gar keinem Umstand erhöht werden. 


SP

Priorität haben für uns die Umsetzung des Verkehrsrichtplans (mit Einführung von Tempo 30 im Dorf), die Realisierung einer Begegnungszone im Dorfkern und der Velostation am Bahnhof, die Förderung von Photovoltaikanlagen auf privaten und Gemeindeliegenschaften und der Ausbau der familienergänzenden Angebote. Und wir werden uns für eine Sanierung des Hallen- und Freibads stark machen. 


FDP

In den nächsten Jahren müssen viele zentrale In-
frastrukturen der Gemeinde erneuert und modernisiert werden. Schulhäuser, Feuerwehrmagazin, Wasserversorgung, Hochwasserschutz und Gemeindestrassen werden viele Mittel beanspruchen. Es wird nicht einfach sein, all diese für Langnau wichtigen Vorhaben zu realisieren, ohne die Verschuldung übermässig zu erhöhen.


Die Mitte

Für Die Mitte ist klar, dass die finanzielle Situation der Gemeinde ein wichtiges Thema bleiben wird. Zu einer Steuererhöhung darf es jedenfalls nicht kommen. Mit geschickter Politik sollte eher kurz- bis mittelfristig das Gegenteil möglich werden. 


EVP

Es kommen grosse Investitionen zur Erneuerung der Infrastruktur auf uns zu – zum Beispiel bei der Wasserversorgung und in der Badi. Eine Priorisierung der Anliegen wird notwendig sein, aber auch die Suche nach innovativen Lösungen. Zusätzlich müssen wir das strukturelle Defizit der Gemeinde angehen. Wir sehen dabei Potenzial für Effizienzsteigerungen durch schlanke Abläufe und Digitalisierung. 


GLP

Die grössten Herausforderungen sieht die GLP in den Bereichen Finanzen, Verkehr und einer professionellen Verwaltung. Wir setzen uns für eine vernünftige, vorausschauende Finanzpolitik ein. Im Bereich Verkehr sehen wir sichere Schulwege und eine Beruhigung in der Kernzone als dringender Handlungsbedarf. Ausserdem setzen wir uns für eine professionelle, digitale Verwaltung ein. 





Die Frage

Was will Ihre Partei konkret dazu beitragen, diese Herausforderungen zu meistern?



SVP

Wir wollen Investitionen hinterfragen, ob sie wirklich notwendig sind. Auch wenn diese vom Kanton oder Bund gefordert werden, ist eine kritische Haltung angebracht. Trotz hohen Ausgaben soll es keine Kürzungen im Angebot der Gemeinde und keine Steuererhöhung geben. Die Aufgaben einer Zentrumsgemeinde müssen hinterfragt werden. Sind die Kosten auf die anderen Gemeinden nicht abzuwälzen? 


SP

Indem wir dort, wo es möglich ist, Abstriche bei überhöhten Qualitätsansprüchen machen – etwa beim Ausbau von Strassen zugunsten des motorisierten Verkehrs. Zudem sind wir überzeugt, dass Langnau mit einer Attraktivierung des Dorfkerns – mehr Grün, weniger Grau! – potenzielle Zuzügerinnen und Zuzüger ansprechen kann. Was wiederum bewirkt, dass mehr Steuern in die Gemeindekasse fliessen. 


FDP

Wir werden bei allen Projekten immer darauf achten, was aus Sicht der ganzen Gemeinde wichtig, machbar und finanzierbar ist. Das Wünschbare, aber nicht Notwendige wird angesichts der vielen zwingenden Aufgaben und Investitionen hintenanstehen müssen. Ein Wunschkonzert für zusätzliche Gemeindeaufgaben ist in den nächsten Jahren nicht möglich. Das wäre unehrlich gegenüber den Stimmbürgern. 


Die Mitte

Die Mitte wird aktiv mitarbeiten, damit die Geschäfte, die zusätzliche Ausgaben auslösen, sorgfältig geplant werden. Trotzdem muss eine Entwicklung möglich sein, damit das Dorf attraktiv bleibt und das Leben lebenswert macht.


EVP

Die EVP wird sich weiterhin für einen vernünftigen Einsatz der Gemeindefinanzen einsetzen. Wir stehen ein für nachhaltige und pragmatische Lösungen, wollen für alle Langnauerinnen und Langnauer Politik betreiben. Dazu sind wir auch offen für Allianzen mit allen Parteien – immer lösungsorientiert. Die EVP wird Ideen einbringen, kritische Fragen stellen und aktiv mitdenken und mitarbeiten. 


GLP

Alle Investitionen müssen gut überlegt werden, es darf aber nicht am falschen Ort gespart werden. Es muss tabufrei auch über grössere Sparmassnahmen in einem kostspieligen Verwaltungsapparat diskutiert werden. Zum Beispiel die Reduktion der Exekutive. Ein neunköpfiger Gemeinderat ist ein ziemlicher Luxus. Auch beim Werkhof/Unterhalt wäre noch viel Sparpotential durch mehr Effizienz vorhanden. 





Die Frage

Angenommen, eine Bürgerin von Langnau gewinnt bei den Euromillions und beschert der Gemeinde zehn Millionen Franken zusätzliche Steuereinnahmen. Wie würde Ihre Partei dieses Geld einsetzen?



SVP 

Sollte dies einmal vorkommen (was durchaus schön wäre), müsste der Betrag so nachhaltig eingesetzt werden, dass dieser nicht nur ein Jahr spürbar wäre, sondern auch noch unsere Nachkommen müssten von diesem einmaligen Betrag profitieren. Eine Mischung zwischen Investitionen und Schuldenabbau wäre wohl das Richtige.


SP

Wir würden die Sanierung der Badi priorisieren (und nicht schon beim ersten Planungsschritt ängstlich aufs Portemonnaie schauen). Wir würden Massnahmen zugunsten eines attraktiveren, grüneren, zum Flanieren und Verweilen einladenden Dorfkerns vorantreiben. Wir würden Langnau zur Energiestadt machen. Und wir würden ein paar Franken dafür verwenden, dass wieder Enten in den Äntelipark kommen. 


FDP

Wir würden ein solches «Geschenk» für die Aufwertung und Verbesserung von bestehenden Aufgaben und Infrastrukturen nutzen, zum Beispiel für Investitionen in Schulräume, für die Aufwertung des Dorfzentrums, zum Beispiel den Vieh- und Pferdemarktplatz, und für das Vorantreiben der Digitalisierung bei den Gemeindebetrieben. 


Die Mitte

Einerseits könnte das Geld für die oben beschriebene Attraktivität eingesetzt werden (Schwimmbad, Pumptrack…), andrerseits kann es genutzt werden, um die Steuerbelastung zu minimieren (Schuldenabbau).


EVP

Neue Luxuslösungen wären auch dann nicht angezeigt, aber das finanzielle Polster wäre sicherlich komfortabler. Gerade Investitionen in Bildung, Dorfentwicklung und Nachhaltigkeit könnten sich lohnen. Falls es die Situation erlaubt, sollte auch eine Steuersenkung angestrebt werden – unter anderem, um die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver zu gestalten.


GLP

Was für ein Glücksfall! Die GLP würde sich für den Abbau von aufgestautem Unterhalt im Bereich Schul- und Freizeitanlagen einsetzen, die Mittel zudem für nachhaltige Energien einsetzen und gleichzeitig darauf achten, dass der finanzielle Gemeindehaushalt über mehrere Perioden auf einem gesunden Niveau verbleibt. 



14.10.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)