Rückhaltebecken: Bewährungsprobe bestanden

Rückhaltebecken: Bewährungsprobe bestanden
Das Schwemmholz zeugt vom Hochwasser. Vor zwei Monaten wäre Martin Zurflüh hier unter Wasser gestanden. / Bild: Lisa Willener (lwh)
Oberburg: Ende August wird am Luterbach der fertiggestellte Damm eingeweiht. Die Feuertaufe hat das Hochwasserrückhaltebecken aber bereits diesen Sommer bestanden.

Ein seltsames Gefühl ist es schon, wenn man mit dem Auto plötzlich über den 11,5 Meter hohen Damm fährt. Schier aus dem Nichts taucht das eindrückliche Bauwerk nach einer leichten Kurve auf der Lauterbachstrasse auf. Das Hochwasserrückhaltebecken hat sich aber bereits in das Landschaftsbild eingefügt und sticht nicht auffällig heraus. Anders als Martin Zurflüh. Der Gemeindeverwalter von Oberburg und Geschäftsführer der Schwellenkorporation Oberburg ist auf seinem Fahrrad nicht zu übersehen. Seine orangefarbene Leuchtweste flattert im Fahrtwind und der rote Bauhelm glänzt in der Nachmittagssonne. Bereits seit 13 Jahren engagiert sich Zurflüh aktiv in der Planung des Hochwasserschutz-Projekts. 

Im Gespräch wird seine Leidenschaft für das historische Bauwerk augenblicklich spürbar. Es sei eine «gefreute» Sache. Voller Elan erzählt er von den unzähligen kleinen und grossen Arbeiten, die hinter dem Projekt stehen, und zählt Fakten auf. Für bauliche Details faltet er seinen grossen Bauplan auseinander, legt ihn vor sich auf den Boden und zeigt auf, was sich wo befindet. «Es ist ein riesiges, komplexes Projekt.» 

Aufwändige Planung

Martin Zurflüh untermauert diese Tatsache: «Wir haben annähernd dieselben Auflagen wie die Grimsel-Staumauer.» Dies habe zu einer enormen Planung, viel Bürokratie und komplizierter Mathematik geführt: «Damit, dass es das Becken vollständig füllt, muss alle 300 Jahre gerechnet werden. Wenn dies passiert, muss der Damm zudem ein Erdbeben aushalten, das einmal in 10´000 Jahren stattfindet.» Mit einem Grinsen im Gesicht sagt Zurflüh: «Jetzt müssen Sie sich vorstellen, was das für eine Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt.» Da ist es kaum verwunderlich, dass bereits 900´000 Franken für die Planung ausgegeben waren, bevor der erste Bagger seine Arbeit in Oberburg aufgenommen hatte.

Höhere Kosten als erwartet

Die Kosten inklusive Landerwerb und Landumlegung waren mit knapp 15 Millionen Franken veranschlagt. Der grösste Teil tragen Bund und Kanton. «Die Abrechnung wird rund neun Prozent höher ausfallen», gesteht Zurflüh. Dies sei teils auf die Bodenbeschaffenheit zurückzuführen, die sich anders herausgesstellt habe als erwartet. «Dadurch mussten wir stellenweise tiefer graben sowie mehr in die Entwässerung investieren.» Auch zu den Mehrkosten beigetragen hätten die hohen Anforderungen an das Material. Ausser dem Auslassbauwerk ist nämlich nichts am Damm betoniert. «Das wurde alles mit Erde aufgeschüttet, die in 10´000 Lastwagenladungen aus der ganzen Schweiz zugeführt werden musste», erklärt er. Man habe sich für dieses Verfahren entschieden, weil es der neuste Stand der Technik und sehr naturnahe sei. 

Feuertaufe problemlos bestanden

Der Luterbach rauscht laut durch das betonierte Auslassbauwerk. Im Auffangrechen hat sich schon eine ziemliche Menge Schwemmholz gesammelt. «Das Bauwerk wurde eigentlich schon vor der Einweihung eingeweiht», sagt Zurflüh. In diesem Jahr habe das Rückhaltebecken seinen Zweck bereits sechsmal erfüllt und Oberburg vor Überschwemmungen geschützt. Und es habe alles funktioniert, bestätigt Martin Zurflüh stolz. 

Nun soll das Bauwerk aber noch offiziell eingeweiht werden. Die Festlichkeiten finden am Samstag, 28. August, statt. Ab 13 Uhr beginnt der Tag der offenen Türe mit diversen Informationsständen. 

Für Zurflüh und sein Team ist bis dahin aber noch einiges zu tun. Schwemmholz muss noch geräumt und ein Erdrutsch gesichert werden. Mit wehender Leuchtweste gehts für den Gemeindeverwalter auf zum nächsten Termin.

Eine Leidensgeschichte mit Happy End

Ende Monat wird das Hochwasserrückhaltebecken in Oberburg nach rund drei Jahren Bauzeit eingeweiht. Doch das historische Projekt hat seine Wurzeln bereits weit in der Vergangenheit. Seit Jahrzehnten wurde eine Lösung für das Hochwasserproblem in Oberburg gesucht. 


* 1987: Starker Regenfall führt in der ganzen Schweiz zu verheerenden Überschwemmungen. Die Gemeinde Oberburg

und Teile von Burgdorf werden hart getroffen: Ein Menschenleben muss beklagt werden und es kommt zu beträchtlichen

Schäden. * 2000: Erinnerungen an das Hochwasser 1987 kommen hoch. Erneut wird Oberburg geflutet und es kommt zu Schäden

in der Höhe von rund 20 Millionen Franken.

* 2011: Die Schwellenkorporation entscheidet sich für das heutige Projekt. Damit kann die Detailplanung für den

Hochwasserschutz beginnen.

2015: Der 11-Millionen-Kredit für den Bau wird von der Schwellenkorporation bewilligt.

März 2018: Weil es zu nahe am Rückhaltebecken stehen würde: Eine Liegenschaft muss abgerissen werden. 

Mai 2018: Es kommt zum Spatenstich beim Projekt Hochwasserrückhaltebecken. Die Bauarbeiten können beginnen. 

* Mai 2019: Es hat sich schon viel getan. Rund sechs Millionen sind verbaut und das Auslaufbauwerk ist fertig. 

November 2020: Die neue Strasse wird eingeweiht und das erste Auto fährt über den beeindruckenden Damm.

* Juni 2021: Während heftiger Gewitter und Starkniederschlägen kommt es zur Feuertaufe für das Hochwasserrückhaltebecken. Alles funktioniert und Oberburg wird vor Schäden bewahrt. 

August 2021: Nun ist es vollbracht. Der historische Bau wird eröffnet. 

19.08.2021 :: Lisa Willener (lwh)