Er wandert ab und zu bei uns durch

Er wandert ab und zu bei uns durch
Der kräftige Wanderfalke weist eine Spannweite von 89 bis 113 Zentimeter auf. / Bild: Christian Fosserat
Emmental/Entlebuch: Ein einziges Wanderfalkenpaar brütet laut der Vogelwarte Sempach mit Sicherheit im Gebiet der «Wochen-Zeitung». In den letzten Jahren ist der kleine Bestand in der Schweiz wieder leicht gesunken. Der Wanderfalke benötige viel Raum und Ruhe, sagen Experten.

«Ausschluss aufgrund bestehender Brutplätze des Wanderfalken.» So lautet die knappe Begründung im kürzlich veröffentlichten Windkraft-Konzept des Kantons Luzern, warum auf der Anhöhe westlich von Marbach keine Windkraftwerke erstellt werden dürfen. 

Aktuell lebe sicher ein Wanderfalkenpaar in dem Gebiet, erklärt Livio Rey von der Vogelwarte Sempach auf Anfrage. 1998 sei dort erstmals ein brütendes Paar nachgewiesen worden. Es sei aber durchaus möglich, dass in dem abgeschiedenen Gebiet schon in früheren Jahren solche Greifvögel gelebt hätten.


Einige Bruten in Ramsei

Eine Umfrage bei ornithologischen Vereinen der Region zeigt, dass die Wanderfalken auch im Emmental sporadisch gebrütet haben. Zum Beispiel in Ramsei: «Von 2008 bis 2016 hat jeweils ein Paar gebrütet. Leider hat sich dann 2016 neben dem Horst der Falken ein Kolkrabenpaar eingenistet und die Wanderfalken vertrieben», berichtet Kurt Maibach vom Langnauer Natur- und Vogelschutz. «Das bereits brütende Weibchen hat den Brutplatz verlassen und ist nicht mehr zurückgekehrt. Seit 2017 bis heute sind in Ramsei keine Wanderfalken mehr gesichtet worden.» Martin Leuenberger vom Natur- und Vogelschutzverein Wasen weiss zwar nichts von weiteren Brutplätzen, hat aber in den letzten Wochen gleich mehrfach Wanderfalken beim Vorbeiflug beobachten können. 

Der Wanderfalke steht auf der Roten Liste und gilt als «potenziell gefährdet». Er gilt aber laut der Vogelwarte nicht als «Prioritätsart für die Artenförderung». Warum? «Das ist so, weil er eigentlich keine spezifischen Anforderungen an seinen Lebensraum stellt», erläutert Livio Rey. Er könne viele Gebiete besiedeln, sofern vertikale, freistehende Felsen (beispielsweise Steinbrüche) oder auch hohe Gebäude mit möglichen Brutplätzen vorhanden sind. «Es gibt zahlreiche Arten, die stärker auf spezifische Förderung angewiesen sind als der Wanderfalke», begründet der Biologe.


Zwei Paare pro 100 Quadratkilometer

Was die Tiere vor allem benötigen, ist Ruhe und viel Platz: «Der Wanderfalke erreicht in den geeignetsten Gebieten Dichten von rund zwei Paaren pro 100 Quadratkilometer», weiss Livio Rey. 

Schweizweit werden gegen 300 Paare gezählt. Dabei handle es sich fast ausschliesslich um Standvögel. Der Name Wanderfalke kommt davon, dass er in der ganzen Welt herumstreift und beziehe sich auf dessen weltweite Verbreitung. «Nördliche Populationen ziehen aber sehr wohl im Winter in den Süden», fügt Livio Rey an. Innerhalb der Schweiz sei es so, dass etwa Jungvögel herumziehen, wenn sie das elterliche Revier verlassen haben. Aber auch Altvögel seien ausserhalb der Brutzeit nicht fix an ihren Brutplatz gebunden, auch wenn sie meist in der Region verbleiben würden.


Viele Faktoren beeinflussen den Bestand 

Nachdem der Wanderfalke in den Fünfzigerjahren fast ausgestorben ist (siehe Kasten), hat sich seitdem der Bestand der in der Schweiz lebenden Paare stetig etwas vergrössert. In den letzten Jahren musste aber ein leicht negativer Trend festgestellt werden. Der Rückgang habe zum Teil natürliche Ursachen, erklärt der Biologe. So habe beispielsweise der Bestand an Uhus zugenommen. Die Uhus gehören zu den natürlichen Feinden der Falkenart. Aber auch Störungen beispielsweise durch Kletterer in Brutfelsen hätten sich negativ ausgewirkt. Aus diesem Grund sei es aus Sicht der Vogelwarte Sempach wichtig, dass Brutstandorte ungestört bleiben: Es handle sich bei dem Gebiet westlich von Marbach zwar nicht um eine der schweizweit wichtigsten Regionen für den Wanderfalken, hält Livio Rey fest. «Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Windenergie in diesem Gebiet für Vögel unproblematisch ist.»

Im Sturzflug erreicht der Wanderfalke bis Tempo 300

Der Wanderfalke fällt durch seinen blaugrauen Rücken sowie seine helle Unterseite mit dunkler Querbänderung auf. Er weist eine Grösse von 36 bis 48 Zentimeter auf, wobei das Weibchen grösser ist als das Männchen. Die Spannweite beträgt bei ausgewachsenen Tieren zwischen 89 und 113 Zentimeter und das Gewicht 600 bis 1300 Gramm.


Pfeilschneller Jäger

Im normalen Flug erreicht der Wanderfalke Geschwindigkeiten von 40 bis 60 Stundenkilometern. In der Jagd nähert er sich dem Beutevogel von hinten und nutzt den toten Winkel als Überraschungsmoment. Dabei erreicht er bis zu 100 Stundenkilometer. Noch viel rasanter ist er unterwegs, wenn er sich aus grosser Höhe mit angewinkelten Flügeln auf seine darunter fliegende Beute stürzt. Dabei sind Tempi bis 300 Stundenkilometer möglich. Manchmal tötet er seine Beute schon durch die pure Wucht des Aufpralls. Dennoch sind bloss etwa sieben Prozent seiner Angriffe von Erfolg gekrönt. 

Der Wanderfalke fühlt sich in Gebieten mit hohen Warten, Felswänden als Brutplätze, freiem Luftraum und vielen Vögeln wie Tauben, Möwen, Drosseln als Nahrung wohl. Für die Brut scharren die Wanderfalken eine kleine Mulde in den Untergund von Felsnischen. Teilweise bewohnen sie Nester anderer Felsbrüter. Das Weibchen legt ab Mitte März drei bis vier rostbraune Eier, welche beide Partner in zirca 30 Tagen ausbrüten. Fünf bis sieben Wochen bleiben die Jungen im Nest und werden danach noch drei bis vier Wochen von den Eltern geführt.


Verschiedene Gefährdungen

Nun gibt es aber neue Gefährdungen:
Es wurden vereinzelt von Taubenhaltern mit Gift präparierte Tauben festgestellt, an welchen der Wanderfalke stirbt. Windenergieanlagen in der Nähe von Horsten führen zu Schlagopfern. Für Wanderfalken in Städten stellen vor allem Kollisionen mit Glasfassaden oder Stürze von Jungtieren in Schornsteine eine Gefahr dar. Dagegen können Massnahmen ergriffen werden, indem weniger spiegelndes Glas verwendet wird und Kamine mit einem feinen Gitter zugedeckt werden.

08.07.2021 :: Bruno Zürcher (zue)