Langnau: Am Kammermusikabend sang Annina Martens-Künzi zwei Liederzyklen von Robert Schumann. Es war das letzte Konzert, für welches Christian Lehmann mitverantwortlich war.
Robert Schumann, einer der bedeutendsten Komponisten aus der Zeit der Romantik, hat zwei Liederzyklen geschrieben: Frauenliebe und Dichterliebe. Im ersten werden in Gedichten von Adalbert Chamisso Freuden und Leiden einer liebenden Frau und Mutter erzählt, vom Frisch-Verliebt-Sein über das Hochzeitsfest und Mutterglück bis zum bitteren Tod des Ehemannes. Im zweiten Zyklus – mit Texten von Heinrich Heine – hören wir von Liebessehnsucht, Liebesglück und Liebesschmerz eines jungen Mannes. Schumann hat die beiden Liedersammlungen als Dreissigjähriger geschrieben, als sein Liebesglück mit Clara Wieck nach harten Kämpfen mit deren Vater endlich die Erfüllung gefunden hatte.
Die ganze Gefühlsdramatik der Gedichtreihen setzte Schumann genial in Töne um, und die beiden Künstlerinnen, die einheimische Sopranistin Annina Martens-Künzi und die Pianistin Elizaveta Parfentyeva, liessen das Publikum an diesem Gefühlsreigen mit ihrer Gestaltungskraft und ihrem musikalischen Können auf packende Art teilhaben: Schmachtende Sehnsucht, göttliche Bewunderung, grenzenlose Enttäuschung oder tiefster Schmerz, bei dem der Betroffene glaubt, die Natur und der ganze Kosmos müssten daran mitleiden.
Liebesschicksal in Töne gesetzt
Wie kann ein Komponist diese Empfindungen musikalisch ausdrücken? Bei Schumann hören wir etwa unerwartete, schrille Intervalle oder Akkorde, die am Schluss eines Liedes unaufgelöst «hängen» bleiben: Man spürt die unerfüllte Sehnsucht. Bewusst bleibt oft die Dur/Moll-Stimmung labil oder es finden abrupte Tonartwechsel statt: ein Ausdruck des Auf- und Abwogens der Gefühle. Die Sängerin deutete mit knapper Mimik und Gestik hin und wieder etwas vom Innenleben des Liebesgequälten an, aber so dezent, dass man meistens vergass, dass die Gefühlsergüsse des leidenden Jünglings ja von einer Frau gesungen wurden.
Zwischen den beiden Liederzyklen spielte Elizaveta Parfentyeva acht Stücke aus den reizvollen «Kinderszenen». Schumann hat diese Sammlung nicht etwa für Kinder geschrieben. Die meist kurzen Kompositionen sind eher als Mahnung an uns Erwachsene gedacht, das Kindliche in uns nicht ganz zu verlieren. Als Schumann die Stücke an seine Geliebte schickte, die eine hervorragende Konzertpianistin war, schrieb er ihr: «Du musst hier all deine Virtuosität vergessen.» Genau diese bescheidene Zurückhaltung spürte man bei der russischen Pianistin. Es gelang ihr, die kleinen Kunstwerke ins Zentrum zu stellen und nicht ihre eigene Person.
Wachtablösung in der Leitung
Kaum jemandem unter den Zuhörenden war bewusst, dass dieses Konzert das letzte war, das Christian Lehmann in seiner Funktion als organisatorischer Leiter der Kammermusikabende verantwortete. 32 Jahre lang hat er dieses Amt ausgeübt, mit ungeminderter Freude, wie er selber sagt. Seine drei Mitarbeiterinnen dankten ihm für seine immense Arbeit, seine ansteckende Begeisterung und den beflügelnden Humor. Sie zählten einige Dinge auf, die «Chrigu» Lehmann in seiner leitenden Funktion zu erledigen hatte: Sponsoren suchen, Lokale reservieren, Inserate und andere Druckaufträge aufgeben, Musikerinnen und Musiker betreuen und verpflegen – ganz abgesehen von all dem Unvorhergesehenen, bei dem es kühlen Kopf zu bewahren galt. All das wurde im letzten Jahr durch die Corona-Einschränkungen noch massiv erschwert.
Paul Haldemann wird ab nächster Saison das Amt von Christian Lehmann übernehmen.