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Unter freiem Himmel

Grillieren Sie gerne? Bratwürste, Nackensteaks, Tofu, ganze Fische oder halbe Peperoni? Die Spielarten, welches Grillgut unter freiem Himmel gegart wird, kennt ja spätestens seit dem «Tsch-Tsch-Kult» keine Grenzen mehr. Gebe ich bei Google «Salate zum Grillieren» ein, bietet mir alleine eine Koch-Website 622 Treffer. Wenn ich höre: «Komm doch zum Grillen und bring einen Salat und ´ne Flasche Wein mit», lege ich den Kopf immer ein bisschen schief. 

Nach meinen Erfahrungen durchlaufen Grill-Partys einen klassischen Prozess in neun Stationen. Phase 1: Um aus der Masse herauszustechen, brauche ich ein verwegenes Salatrezept und stehe den halben Tag in der Küche. Phase 2: Der Wein muss im zweistelligen Bereich kosten. Man will sich ja nicht lumpen lassen. Phase 3: Ankunft am Zielort mit Tupperschüssel und Weinflasche bewaffnet. Grosses Hallo und Erklärungen, dass die Glut noch nicht ganz perfekt sei, es dauere noch etwas. Phase 4: Der Magen hängt in den Kniekehlen, die Salatvariationen werden erst zum Fleisch freigegeben und ich überfresse mich mit Baguette in Ketchup getunkt. Phase 5: Die Gastgeber referieren über das perfekte Fleisch, die ultimative Marinade oder die innovative Bratwurstpalette, die der Metzgermeister im Dorf anbietet. Der Grill qualmt bis die Augen tränen. Phase 6: Auf einmal muss alles sehr schnell gehen, denn der Grillmeister (meist ein Mann in peinlicher Schürze) ruft «fertig!». Der erste Empfänger verbrennt sich den Mund, der letzte ergattert eine lauwarme Wurst. Alle nachgelieferten Brutzelteile schrammen knapp am Verkohlungsgrad vorbei und jemand ruft: «Das sind nur Röstaromen!» Phase 7: Die Salate schmecken alle gleich, auch der mitgebrachte ist nicht der Knaller. Anstelle des edlen Tropfens aus dem eigenen Weinkeller wird der Landwein des Gastgebers eingeschenkt. Phase 8: Die Gäste sind bedient und die restlichen Würste und Steaks dümpeln am Rande des Grillrosts vor sich hin. 

Ich glaube, wir ahmen beim Grillieren die zünftigen Gepflogenheiten unserer Vorfahren nach, als die noch ums Lagerfeuer sassen und Mammutsteak brutzelten. Doch letzte Woche war ich auf einem Grillfest, da gab es frische Muscheln von der Ile d´Oléron am Atlantik. Diese Meeresfrüchte aus dem Grill-Wok haben herrlich geschmeckt – ein bisschen fühlte ich mich wie eine Steinzeitfrau, als ich mit den Fingern das Muschelfleisch pulte und am Schluss den Weissweinsud aus dem tiefen Teller schlürfte. Phase 9: Wo ist der Deckel meiner Tupperschüssel?

01.07.2021 :: Christina Burghagen (cbs)