Plötzlich soll die Elektriker-Offerte kosten

Plötzlich soll die Elektriker-Offerte kosten
Den Zuschlag für die Reparaturarbeiten erhielt der Elektriker nicht, für die Offerte stelle er nach Jahren Rechnung. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Emmental: Offerten einholen und Offerten erstellen – eigentlich Routineangelegenheiten in unserem privaten und beruflichen Alltag. Doch manchmal haben sie ihre Tücken.

Es ist kalt an diesem Abend im Dezember 2017. Die Frau steigt in den Keller hinunter und legt nochmals kräftig Holz nach in der Stückholzheizung in ihrem Haus, abseits gelegen auf leicht erhöhter Lage im Emmental. Wegen eines technischen Defekts öffnet sich der Deckel der Heizung. Da beginnt der Albtraum. Die Flammen schlagen unkontrolliert aus dem Heizkessel und drohen, das Haus in Brand zu setzen. Dank couragiertem Einsatz der Hausbewohner sowie rascher Alarmierung der Feuerwehr beschränkt sich der Schaden nur auf das Kellergeschoss. Das Haus ist gerettet, das Ganze ein Fall für die Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB).


Drei Offerten eingeholt

Wie üblich in solchen Fällen ersucht die GVB den Geschädigten, für die verschiedenen Instandsetzungsarbeiten jeweils drei Offerten einzuholen. Das macht Max M.* auch für die Arbeiten an den elektrischen Anlagen; den Schaden dokumentiert er mit zahlreichen Fotos.

Zwei Elektriker reichen eine schriftliche Offerte ein; der dritte, Hans H.* aus einem nicht weit entfernten Nachbardorf, erklärt, selber vor Ort einen Augenschein nehmen zu wollen. Der dafür notwendige Zusatzaufwand beläuft sich auf eine gute Stunde. Dieser kleine Mehraufwand hat sich für ihn nicht gelohnt – er erhält den Zuschlag nicht.

Die Reparaturarbeiten werden aufgenommen, bald ist alles wieder komplett in Stand gesetzt. Die Sache scheint bereinigt.


Rechnung nach gut zwei Jahren

Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Gute zwei Jahre später, im Mai 2020, flattert Max M. eine Rechnung des Elektrikers Hans H. ins Haus. Er, der den Zuschlag nicht erhielt, stellt seinen Aufwand für den Kostenvoranschlag mit 323 Franken in Rechnung. Nach Rücksprache mit seiner Rechtsschutzversicherung ersucht Max M., etwas irritiert und leicht verärgert, den Elektriker, angesichts des bescheidenen Aufwands für die Offerterstellung die Rechnung zu stornieren – zumal auch keine Vereinbarung abgeschlossen wurde, das Erstellen der Offerte bei deren Nichtberücksichtigung in Rechnung zu stellen.


Inkassobüro stellt Forderungen

Danach herrscht ein Jahr Funkstille, bis im April 2021 die Forderung eines Inkassobüros über 573 Franken bei Max M. ins Haus schneit. Darob nun doch ziemlich erbost, versucht Max M., telefonisch und auch vor Ort, mit dem Elektriker Kontakt aufzunehmen, um die Angelegenheit zu klären. Vergeblich – letzterer zeigt und meldet sich nicht. Jetzt schaltet Max M. erneut seine Rechtsberatung ein und beauftragt diese mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Nun reagiert Hans H. und erklärt gegenüber der Vertreterin des Rechtsschutzes, er habe mit Max M. ein Entgelten der Offerte bei deren Nichtberücksichtigung schriftlich geregelt. Der Aufforderung, dieses Schriftstück vorzulegen, kann er nicht nachkommen. Das erwähnte Dokument sei nicht mehr auffindbar.

Ende April erhält Max M. erneut Post vom Inkassobüro – diesmal mit einer Forderung über 679 Franken und der Androhung rechtlicher Schritte bei deren Nichtbegleichung.


Wie geht´s weiter?

Soweit die Geschichte, wie sie Max M., relativ emotionslos, aber bis ins Detail, schildert, und die wohl noch nicht zu Ende ist. Er warte nun gelassen auf die nächsten Schritte. Sollte ein Zahlungsbefehl eingehen, werde er, auf Empfehlung seiner Rechtsschutzversicherung, Rechtsvorschlag erheben. So könne er den Fortgang der Betreibung vorläufig stoppen und sich in Ruhe das weitere Vorgehen überlegen. 

«Ich habe», so Max M., «meine Lehren gezogen aus diesem Vorfall.» Sicherlich werde er künftig beim Einholen von Offerten die Frage einer möglichen Kostenfolge im Voraus schriftlich regeln (siehe auch Kasten).

Hans H. war trotz mehrfacher Nachfrage für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Kostenlose Offerten sind Usanz

Gemäss Richard Permann, Rechtsberater beim Verband der Elektroinstallationsfirmen EIT.swiss, würden in dieser Branche Offerten grundsätzlich unentgeltlich erstellt. Andernfalls empfehle er den Firmen, vor der Erstellung einer Offerte ein Honorar schriftlich zu vereinbaren. Bei einem allfälligen Zuschlag würde dann das Honorar für die Offerte vom Werklohn in Abzug gebracht.

Auch aus Kundensicht sei es aus Beweisgründen empfehlenswert, auf einer schriftlichen Vereinbarung zu bestehen, falls eine Offerte kostenpflichtig sei. Gemäss seiner Einschätzung werde in höchstens einem von tausend Fällen eine Offerte in Rechnung gestellt, hält Permann fest.

Hans H. ist nicht Mitglied dieses Verbands. 

Am besten die Bedingungen im Voraus klären

Kostenvoranschläge sind unverbindlich, das heisst, der Kunde ist nicht verpflichtet, den Auftrag der offerierenden Firma zu vergeben; und grundsätzlich sind Kostenvoranschläge Gratisleistungen eines Unternehmens, das damit sein Interesse an einem bestimmten Auftrag zeigt. Wenn ein Handwerker jedoch im Vorfeld mitteilt, was er für das Offertenstellen verrechnet, dann ist ihm dieser Betrag geschuldet. Von einer stillschweigenden Vereinbarung (also ohne schriftliche Vereinbarung) mit Vergütungspflicht muss man ausgehen, wenn die Leistungen des Handwerkers den Rahmen einer normalen Angebotsabgabe klar übersteigen und der Auftraggeber diese nur gegen eine Vergütung erwarten konnte. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Handwerker auf Kundenwunsch bei ihm vorbeikommt, ausmisst, Pläne zeichnet oder die Statik berechnet.


Tipps

  • Fragen Sie immer im Voraus, ob die Offerte etwas kostet
  • Oder verlangen Sie ausdrücklich eine kostenlose Offerte. Der Anbieter kann sich dann überlegen, ob er darauf eingehen will oder nicht.
  • Fragen Sie den Handwerker auch im Voraus, ob er den Weg verrechnet, wenn er für den Voranschlag zu Ihnen kommt.


Quellen: konsumentenschutz.ch / beobachter.ch

27.05.2021 :: Daniel Schweizer (sdl)