Nun melden sich die Journalisten

Kanton Bern: Die Redaktionen von «Der Bund» und «Berner Zeitung» sollen auf Oktober zusammengelegt werden. In einem Manifest hält die Belegschaft ihre Sicht fest und übt Kritik.

Die neue Einheitsredaktion von «Berner Zeitung» und «Der Bund» umfasst 70 Journalistinnen und Journalisten (rund 50 Vollzeitstellen). Durch den Zusammenschluss will Tamedia 20 Vollzeitstellen abbauen, wie am 8. April orientiert wurde (die «Wochen-Zeitung» berichtete). 

Nach der Fusionsankündigung trafen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer Betriebsversammlung. In einem Manifest wurden anschliessend Stimmung und Aussagen zusammengefasst und veröffentlicht. Damit trete man der einseitigen Darstellung von Tamedia entgegen, heisst es darin. Die Öffentlichkeit solle ein differenziertes Bild von der Entwicklung auf dem Medienplatz Bern erhalten, um zu verstehen, was passiere.  

Auch Aussenredaktionen betroffen

Der Abbau von rund einem Drittel der etwa 100 Journalistinnen und Journalisten bei «Bund» und «Berner Zeitung» bedeute eine drastische Verminderung der Ressourcen, nicht nur im Grossraum Bern, sondern auch in den Aussenredaktionen Burgdorf und Langenthal, steht im Manifest. Die massiv verkleinerte Redaktion sei zuständig für zwei Zeitungen und zwei Online-Portale, die vorgeben würden, unterschiedlichen Inhaltes zu sein. «Faktisch werden aber bloss Seiten und Artikel wie Kulissen zwischen den Titeln hin- und hergeschoben: Die Leserinnen und Leser werden für dumm verkauft», schreibt die Belegschaft.

Millionen an Dividenden und Gewinn 

Als Grund für den Zusammenschluss nannte Tamedia den rasch voranschreitenden Strukturwandel in der Medienbranche. Die Werbeumsätze und Printauflagen schrumpften, die Kosten müssten gesenkt werden. Mit einer gemeinsamen Redaktion könne man Synergien nutzen. Auch die Mitarbeitenden anerkennten die schwierige ökonomische Situation der Medien und ihrer Verlage, schreiben diese. Sie seien auch bereit, die Produktivität weiter zu erhöhen. «Wir sehen aber auch: Im Coronajahr 2020 schüttete der Mutterkonzern TX Group
37 Millionen Franken Dividende an ihre Aktionärinnen und Aktionäre aus. Er bezog Kurzarbeitsentschädigung vom Bund in Millionenhöhe. Und auf Stufe Ebitda erwirtschaftete Tamedia 2020 einen Gewinn von elf Millionen Franken.» Trotzdem komme es nun zu einem personellen Kahlschlag. Der Abbau von 20 Vollzeitstellen bedeute – ganz abgesehen von der verminderten Medien- und Meinungsvielfalt – umgerechnet den Stellenverlust für rund 30 Personen. 

Mitarbeitende im Ungewissen

Auch die Kommunikation kritisiert die Belegschaft. Während die Leitungspositionen der neuen Redaktion inzwischen besetzt seien, lasse man die restlichen Mitarbeitenden über ihre Zukunft weiterhin im Dunkeln. «Weitere Monate der Ungewissheit und des unwürdigen Wettbewerbs um knappe Stellen stehen bevor.» Die neu geschaffenen Strukturen offenbarten ausserdem, dass der Abbau nicht zu Lasten des Kaders, sondern der Journalistinnen und Journalisten und der Verankerung in der Region gehe.

Die Mitarbeitenden stellen verschiedene Forderungen. In erster Priorität müsse Klarheit geschaffen werden, wer vom Stellenabbau betroffen sei. Zudem sei die Zahl der angekündigten Entlassungen zu minimieren und ein sozialeres Modell zu prüfen: «Würden die 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Pensen um jeweils 20 Prozent reduzieren, entspräche dies dem Gegenwert von 20 Vollzeitstellen.» Weiter müsse geprüft werden, ob das Festhalten an den Marken «Bund» und «Berner Zeitung» gegenüber der Leserschaft ehrlich und redlich sei.

22.04.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)