Ist die regionale Berichterstattung mit der Einheitsredaktion in Gefahr?

Ist die regionale Berichterstattung mit der Einheitsredaktion in Gefahr?
Zwei Titel, eine Redaktion: Ab Oktober wird nur noch eine Redaktion für die Inhalte von «Berner Zeitung» und «Der Bund» verantwortlich sein. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Emmental: Wird die regionale Berichterstattung nach der Zusammenlegung der Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Der Bund» verarmen, wie dies der Regierungsrat befürchtet?

Die Tageszeitungen «Berner Zeitung» und «Der Bund» haben letzte Woche ihre Leserschaft und die Öffentlichkeit darüber orientiert, dass die beiden Redaktionen auf Oktober dieses Jahres zusammengelegt werden. Diese umfasst 70 Journalistinnen und Journalisten (rund 50 Vollzeitstellen). «Die Zusammenlegung der Teams wird leider mit einem Abbau von insgesamt rund 20 Vollzeitstellen verbunden sein», hiess es weiter. An den beiden Titeln wolle man aber festhalten. Beide behielten auf ihren digitalen Kanälen wie auch in der Zeitung ihre publizistische Ausrichtung und legten unterschiedliche Schwerpunkte. «Die Berner Zeitung setzt auf eine umfassendere Regionalberichterstattung sowie den Sport, der Bund hat die breitere Ausland- sowie Kulturberichterstattung und stärkt seinen Meinungsteil.» Schon heute arbeiten die beiden Berner Titel zusammen, und zwar über das nationale Netzwerk der Tamedia in den Ressorts Schweiz, Ausland, Wirtschaft, Sport, Kultur und Wissen. 

«Keine Abstrich bei der Qualität»

Als Grund für den Zusammenschluss wird der rasch voranschreitende Strukturwandel in der Medienbranche genannt. Die Werbeumsätze und Printauflagen schrumpften, die Kosten müssten gesenkt werden. Mit einer gemeinsamen Redaktion könne man Synergien nutzen. 

«Künftig besuchen in der Regel nicht mehr zwei Personen eine Medienkonferenzen oder einen Anlass, sondern nur noch eine», nennt Simon Bärtschi, Chefredaktor der «Berner Zeitung» und künftiger Gesamtleiter der zusammengelegten Redaktion, ein Beispiel. Dieser Effekt werde sich vor allem in den zentralen Ressorts «Stadt», «Kanton» und «Kultur» zeigen, wo sich die Berichterstattung von «Bund» und «Berner Zeitung» heute überschneiden würden. Dank dieser Synergien gebe es trotz des Stellenabbaus keine Einbussen bei der Qualität, versichert Bärtschi.  

Regierungsrat macht sich Sorgen

Keine Freude am Entscheid der Tamedia zeigt der Regierungsrat des Kantons Bern. In einer Medienmitteilung bedauert er den angekündigten Schritt zu einer Einheitsredaktion. Der Verlust an redaktioneller Vielfalt werde sich negativ auf die Berichterstattung auswirken. «Der damit verbundene massive Stellenabbau wird dazu führen, dass die Berichterstattung über lokale und regionale Themen in den beiden traditionsreichen Zeitungstiteln verarmt.» Damit werde im Kanton Bern eintreten, was in verschiedenen Grossregionen wie zum Beispiel Basel, Luzern oder St. Gallen bereits der Fall sei: «Die Redaktion wird lokale und regionale Themen ohne den Blick auf die Konkurrenz und ohne den Vergleich mit der Arbeit der anderen Redaktion behandeln.»

«Emmental-Ausgabe gibts weiterhin»

Dem widerspricht «Berner Zeitung»-Chefredaktor Simon Bärtschi. «Wir werden weiterhin an einer starken regionalen Berichterstattung festhalten.» Diese bleibe ein wichtiges Standbein der «Berner Zeitung». Die beiden Redaktionen in Burgdorf und Langenthal würden weitergeführt. Ob sie auch künftig mit je sechs Journalistinnen und Journalisten besetzt sein werden, stehe noch nicht fest. «Es ist noch nicht bestimmt, wo wie viele Stellen abgebaut werden.» Auch bezüglich des Umfangs der Regionalteile kann Bärtschi derzeit noch keine verbindlichen Aussagen machen. «Sicher ist, dass es die Ausgaben ‹Emmental› und ‹Oberaargau› auch in Zukunft geben wird.»

Neu stehen die Redaktionen Burgdorf und Langenthal unter der Leitung des Ressorts «Region». Das sei eine organisatorische Massnahme, für die Leserschaft ändere sich dadurch nichts, erklärt Simon Bärtschi. 

Im Weiteren würden in der regionalen Berichterstattung – wie in den anderen Ressorts – die digitalen Kanäle weiter ausgebaut. «Mobile first» gelte auch für die Region. «Die Zukunft liegt in der mobilen Berichterstattung», ist der Chefredaktor überzeugt, «trotzdem halten wir an der Printausgabe fest.»

15.04.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)