«Ich will aufhören, solange ich noch gut spiele»

«Ich will aufhören, solange ich noch gut spiele»
Am Ostermontag wird Federico Lardi die Schlittschuhe an den Nagel hängen. / Bild: Peter Eggimann (ped)
SCL Tigers: Er gehört zu den fleissigen Arbeitern auf dem Eis. Federico Lardi, seit 2017 bei den Tigers unter Vertrag, wird über das Osterwochenende seine letzten zwei Heimspiele bestreiten.

Federico Lardi, seit fast 17 Jahren sind Sie Eishockeyprofi, haben etwas über 700 NLA-Spiele bestritten und für fünf Klubs gespielt. Bei den SCL Tigers sind Sie als dienstältester Spieler mittlerweile die siebte Saison unter Vertrag. Nun hängen Sie Ihre Schlittschuhe an den Nagel – warum?

In der Schweiz ist es ja leider so, dass man als Eishockeyprofi nicht unbedingt auch nach Karrierende davon leben kann. Also musste ich mich schon frühzeitig damit auseinandersetzen. Dank meines Studiums, und meines Interesses an der Immobillienbranche hat sich jetzt eine geschäftliche Opportunität ergeben, die ich ergreifen wollte. Einerseits bin ich Teilinhaber einer Immobilienfirma und andererseits steige ich operativ  in die Versicherungsbranche ein.  Aber der Entscheid, mit dem Eishockey aufzuhören wie auch mein weiterer beruflicher Weg, hat sich nicht über Nacht ergeben. Das alles war ein langer Entscheidungs- und Findungsprozess.


Was ist alles in Ihnen vorgegangen?

Mir war schon immer klar, dass ich selber den Zeitpunkt zum Aufhören wählen möchte, und zwar solange ich noch gut spiele und nicht erst nachdem ich eine Saison auf der Bank gesessen habe, weil der Coach meine Leistung nicht mehr für gut empfindet. Daher schätze ich mich sehr glücklich, dass ich auch verletzungsfrei diesen Entscheid fällen konnte. Ich habe einfach etwa vor einem Jahr gemerkt, wie ich gewisse Situationen im Eishockeyprofi-Alltag in Frage gestellt habe und deshalb zum Schluss gekommen bin, dass ich reif bin um ein anderes Leben zu führen.


Was waren das für Fragen?

Zum Beispiel, wenn ich nach einem Match erst gegen drei Uhr morgens alleine heimwärts gefahren bin, habe ich mich dabei ertappt, wie ich dachte es könnte doch auch schön sein, einfach um zehn Uhr ins Bett zu gehen. Oder all die Wochenenden, an denen ich nie frei hatte. Oder Winterferien, die ich nicht haben konnte, haben mich zusehends gestört. Aber ich muss auch sagen, dass jedes Mal, wenn ich zur Garderobe reingekommen bin, all diese Gedanken wieder vergessen waren und das Training, das Spielen und das Zusammensein mit den Teamkollegen mich stets mit Freude erfüllt haben. Ich habe einfach gemerkt, dass ich im Herzen zwar schon noch Eishockeyspieler bin, aber nicht mehr mit der gleichen Leidenschaft wie früher.


Worauf freuen Sie sich am meisten nach dem Abschied?

Im ersten Moment wird es für mich schon emotional sein, schliesslich habe ich die letzten 17 Jahre, im Eishockey-Rhythmus gelebt. Ich freue mich auf freie Wochenenden, auf Ferien im Winter, auf Ferien dann, wenn es mir passt und nicht nach einem Trainingskalender. Ich freue mich auch auf das Skifahren, Paragliding und all die Sportarten, die mir als Eishockeyprofi nicht erlaubt waren und die Aktivitäten, die ich auf später schieben musste. Mir ist aber auch bewusst, dass meine Familie und ich uns zuerst an diese neue Situation gewöhnen müssen.


Werden Sie etwas vermissen?

Im ersten Moment wird es mir vermutlich gar nicht richtig auffallen, denn ich höre ja Ende April auf, so als wäre die Saison regulär zu Ende. Dann bekommen ja alle Spieler vorerst Ferien und Zeit, sich zu erholen. Was ich bestimmt nicht vermissen werde, ist dann das Sommertraining. Das ganze Off-Ice-Training mochte ich nie besonders. Aber dann im Herbst, wenn meine Kollegen wieder auf dem Eis spielen, das könnte schon etwas sein, was ich vermissen werde – die Freunde und das Zusammensein.


Sie waren ja stets eher der stille, fleissige Arbeiter und weniger der Star eines Teams. Wie haben Sie sich wahrgenommen über Ihre ganze Karriere?

Das stimmt, früher nannte man Spieler wie mich «Indianer», diejenigen, die einfach alles für ihre Teams tun. Und das ist auch meine Art gewesen. Ich habe stets dem Team zugespielt, anstatt auf meine eigene Statistik zu schauen. Ich gebe zu, ich bin nicht der talentierteste Spieler, aber ich habe stets mein Bestes für das Team gegeben und hart für die Mannschaft gearbeitet. Das ist das, was mich beim Eishockey gehalten hat: Die Freude am Spiel und natürlich am Gewinnen. Ich bin nie gross im Rampenlicht gestanden und ich habe nie dort unterschrieben, wo das meiste Geld zu holen war, sondern dort, wo es für mich aus sportlicher Sicht eine Entwicklungsmöglichkeit gab und dort, wo es auch für meine Familie passte. So
bin ich in Langnau gelandet, weil wir das als unsere zweite Heimat bezeichnen und wir uns in der Region wohlfühlen.


Hätten Sie das als Puschlaver Junge gedacht, dass Sie eines Tages in Langnau landen?

Ich wusste, wo das Emmental liegt, dass es einen Käse gibt mit dem gleichen Namen und natürlich, dass es eine Eishockeymannschaft gibt in Langnau. Aber mein Weg hierhin war eher Zufall. Vielleicht hat es aber auch einfach gepasst, weil wir Puschlaver und Emmentaler ähnliche Typen sind. Ehrlich, bodenständig und hier spricht man noch miteinander.


Hier sprechen auch Journalisten und Fans noch mit den Spielern, wie haben Sie Kritik und Lob ausgehalten?

Zum Glück habe ich immer genau gewusst, was meine Stärken sind und welche Schwächen ich habe. Ein gute Selbstwahrnehmung hilft, als Spieler mit Kritik und Lob umzugehen. Mein Rezept war wohl auch, dass ich mir immer gedacht habe: Ich bin niemals so schlecht, wie die Presse schreibt und die Fans das Gefühl haben, aber ich bin auch nicht so gut, wie die Fans mich bejubeln und die Medien mich hypen.


Wie ist es mit den Coaches, Sie haben ja einige erlebt, welche haben Ihre Karriere rückblickend am
ehesten geprägt?

In St. Moritz war das seinerzeit Ueli Hofmann, der erste Berner Trainer, dem ich über dem Weg gelaufen bin. Er war sicher einer der ersten, der mich gefördert hat. Dann John Fust, er hat auf der mentalen Ebene viel aus mir herausgeholt und Heinz Ehlers auf der taktischen Seite. Das wundert mich jetzt im Nachhinein, wenn ich zurückschaue, auch nicht, dass ich genau mit John Fust und Heinz Ehlers die Playoffs erreicht habe. Die zwei wussten genau, wie sie aus jedem Spieler das Maximum herausholen konnten.


Zum Stichwort Maximum: Was war das Highlight Ihrer Karriere?

Das war mit dem HC Lausanne das Winter Classic im Stade de Genève mit knapp 30´000 Zuschauern und mit durchsichtigen Banden – das war ein Riesenspektakel und dann sicher auch aus sportlicher Sicht der NLB-Titel. Weniger toll war der Abstieg mit Langnau, das hätte ich gerne verhindert.


Was sicher auch schön gewesen wäre, wenn Ihre Abschiedsspiele vor Zuschauern hätten stattfinden können.

Ja klar. Die Zuschauer machen schon Stimmung. Das hat mich als Spieler stets motiviert. Jetzt passiert einfach nichts. Es ist definitiv leer. Ich hätte sehr gerne noch mit Zuschauern gespielt. Das lässt sich nun aber leider nicht mehr ändern. Ich werde mich aber daran erinnern, wie es war mit den Zuschauern und der Stimmung. Und wer weiss, vielleicht komme ich dann als Privatperson wieder einmal in den Genuss eines vollen Stadions – aber dann natürlich auch selber als Zuschauer.

01.04.2021 :: Olivia Portmann (opk)