Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege schaltet sich ein

Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege schaltet sich ein
Wie soll ein Neubau beim Brüggerhaus in Escholzmatt geplant werden – darüber herrscht Uneinigkeit. / Bild: Pedro Neuenschwander (pnz)
Escholzmatt: Das sogenannte Brüggerhaus im Dorfkern steht seit Jahren leer und droht ein­zustürzen. Es herrscht Uneinigkeit, wie ein Ersatzbau geplant werden müsste.

«Ich möchte einfach, dass es mit dem Baugesuch vorwärts geht, da sich das Haus in einem maroden Zustand befindet. Ich befürchte bei jedem Sturm, dass etwas passieren könnte», sagt Peter Portmann. Der Architekt, der in Escholzmatt und Langnau Niederlassungen betreibt, berichtet weiter, dass er die Liegenschaft gekauft habe, nachdem ein Sanierungsprojekt des einstigen Eigentümers an den zu hohen Kosten gescheitert sei. Peter Portmann seinerseits will das Haus ab-reissen und einen Neubau mit drei Wohnungen erstellen. Im August 2020 hat er das entsprechende Abbruch- und im November das Baugesuch eingereicht – beides ist sistiert. 

«Wohnhaus, wie viele andere auch»  

Die kantonale Denkmalpflege verlangt für die Planung eines allfälligen Ersatzneubaus ein qualitätssicherndes Verfahren (siehe Interview). «Es ist ein Wohnhaus, wie es viele andere gibt», hält Peter Portmann fest. «Ein Architekturwettbewerb für so ein Objekt ist aus meiner Sicht völlig überdimensioniert. Wir wissen, wie mit historischer Bausubstanz umzugehen ist – aber wir wissen bis heute nicht, was die kantonale Denkmalpflege von unserem Projekt hält! Sie geht mit keinem Wort darauf ein.»  

Nun werden Mitglieder der Eidgenössischen Kommission für Denk-malpflege das Gebäude besichtigen. Was erwartet Portmann von diesem Schritt? «Ich hatte in all den Jahren meiner Tätigkeit als Architekt nie mit dieser Kommission zu tun. Ich hoffe aber, dass sie etwas pragmatischer denkt und dass das Verfahren in Bewegung kommt.» 

Der Architekt denkt bereits an weitere Bauvorhaben im Escholzmatter Dorfkern, welcher als Ortsbild von nationaler Bedeutung eingestuft ist. «Wenn wir jedes Mal einen Architekturwettbewerb durchführen müssen, welcher mit sehr hohen zusätzlichen Kosten verbunden ist, werden in Zukunft in diesem Gebiet nicht mehr viele Häuser saniert werden.» 

«Wir sind nicht stur» 

Bei einem Bauprojekt in Lützelflüh, das sich ebenfalls in einer Pattsitua-tion mit der Denkmalpflege befunden habe, sei ein aussenstehender Architekt als Mediator engagiert worden. «So haben wir rasch eine Lösung gefunden. Wir sind nicht stur», betont Peter Portmann. «Beim Brüggerhaus würde ich einem solchen Vorgehen nicht im Wege stehen.»

Fast wortwörtlich im Wege steht das Haus an der Gigenstrasse 2. Der Durchgang ist eng, die Delle am Dachkännel zeugt davon, dass auch schon zu grosse Fahrzeuge versucht haben, die Stelle zu passieren. «Der Neubau würde rund 90 Zentimeter schmaler, um die Verkehrssituation zu entschärfen», erklärt Portmann. Die Grundfläche des Gebäudes würde dadurch kleiner, weil der Bau wegen des Seltenbachs nicht nach hinten gerückt werden kann. Was die Gestaltung betrifft, orientieren sich die Pläne am Bestehenden: Der Sockel aus Stein, die Wände aus Holz und ein Satteldach mit Lukarnen. «Dass es nicht so einfach ist, die bestehende Materialisierung beizubehalten, zeigt das Beispiel der Holzfassade: Wegen des geringen Abstandes zu anderen Häusern fordert die Gebäudeversicherung, auf Holz zu verzichten», erklärt der Architekt. Er fügt an, dass das Gebäude, um zeitgemässe Raumhöhen zu erreichen, gut anderthalb Meter höher würde als das heutige. «Dies alles zeigt, dass es auch andere Aspekte als die denkmalpflegerischen zu berücksichtigen gilt.»

«Ein qualitätssicherndes Verfahren ist notwendig»

 Bei der Denkmalpflege des Kantons Luzern ist die Gigenstrasse 2 in Escholzmatt seit Jahren ein Thema. Das um 1790 erstellte Haus gilt laut dem Inventar der Denkmalpflege als (kantonales) K-Objekt: «Das Brüggerhaus (...) übernimmt eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem Dorfplatz und der Häuserzeile in der Gigenstrasse. Durch seine Lage, Ausrichtung und Stellung leitet das
Gebäude vom Dorfplatz zur Strassenbebauung der Gigenstrasse über.»  

Die Architektin und Kunsthistorikerin Meret Speiser ist bei der Denkmalpflege des Kantons Luzern als Gebietsdenkmalpflegerin tätig. 


Meret Speiser, das sogenannte Brüggerhaus steht seit Jahren leer, das im November eingereichte
Baugesuch wurde sistiert. Warum?

Es handelt sich bei dem Gebäude nicht nur um ein als «erhaltenswert» eingestuftes K-Objekt. Es ist zudem ein wichtiger Teil des Dorfkerns, welcher im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (Isos) vermerkt ist. Weiter ist der Bebauungsplan Dorf und die spezielle Lage mit der Strasse auf der Vorder- und dem Seltenbach auf der Rückseite zu beachten. Aus diesem Grund ist aus Sicht der Denkmalpflege die für diesen Standort erforderliche architektonische Qualität über ein qualitätssicherndes Verfahren sicherzustellen.


Genügt das vorliegende Bauprojekt diesen Kriterien nicht?

Für eine Beurteilung ist in diesem Falle eine Gegenüberstellung von mehreren Lösungsvorschlägen notwendig. Beim qualitätssichernden Verfahren eruieren aber mehrere Architekturbüros, welche über die nötige Erfahrung im Umgang mit Bauen im geschützten Ortsbild verfügen, die künftige bauliche Nutzung der Parzelle. Dies könnte mit einem Studienauftrag oder einem Wettbewerb erreicht werden. 

Wer müsste das qualitätssichernde Verfahren bezahlen?

Die Denkmalpflege hat im vorliegenden Fall eine finanzielle Beteiligung in Aussicht gestellt.


Wie geht es nun weiter?

Seitens Denkmalpflege wurde eine Beurteilung durch die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege beantragt. Bei der Besichtigung werden auch Vertreter der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission dabei sein. Die Mitglieder der Kommissionen werden das Brüggerhaus wohl im März besichtigen und in der Folge ihre Beurteilung abgeben.


Geklärt werden konnte die Frage, ob das mittlerweile marode
Gebäude abgerissen werden darf.

Ja, aufgrund des heutigen Zustandes beurteilt die Denkmalpflege die Frage der Verhältnismässigkeit im vorliegenden Fall als berechtigt, obwohl das Gebäude gemäss dem Inventar und dem kommunalen Bebauungsplan erhalten bleiben müsste. 


Der Besitzer der Liegenschaft möchte das Haus abreissen, auch aus Sicherheitsgründen. Warum wurde das vergangenen August
eingereichte Abrissgesuch nicht genehmigt?

Gemäss kantonalem Planungs- und Baugesetzes kann dem Rückbau erst zugestimmt werden, wenn ein bewilligungsfähiges Baugesuch vorliegt. Dank dieser Regelung werden jahrelange Baulücken verhindert. 


Das Brüggerhaus droht trotzdem einzustürzen.

Jede Eigentümerschaft eines Gebäudes ist dafür verantwortlich, dieses zu unterhalten und zu sichern, so dass keine Schäden an Dritten zu beklagen sind. Die Bauherrschaft, welche das Gebäude erst im vergangenen Jahr erworben hat, war sich bewusst, in welchem Zustand sich das Gebäude befindet. 

25.02.2021 :: Bruno Zürcher (zue)