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Einübung eines neuen Sehens

Ein Büchlein, das sämtliche Entsorgungen meiner vergangenen Umzüge überstanden hat, trägt den Titel «Symbolgeschichten». Sein Verfasser ist ein Missionar, der jahrelang an einer japanischen Universität wirkte und im Nebenfach auch Naturwissenschaft lehrte. Aus der Beobachtung vieler Naturwunder entstanden die Symbolgeschichten, die hinführen zur Meditation und zum Verständnis des Glaubens. Hier nun eine Geschichte:

Es gibt so viel Wunderbares in der Natur! Zum Beispiel den Taumelkäfer. Sieben Millimeter ist er lang, ein schwarzbrauner Geselle. Er saust im Zickzack durch unsere Teiche und Seen. Er ist ein kleiner Räuber: Er schiebt sich meistens an der Oberfläche des Wassers entlang, weil da die meisten Insekten zu fangen sind. Das Besondere an ihm ist: Er hat vier Augen! Lägen seine Augen nur über dem Wasser, würde er manches Tierchen auf dem Grund des Tümpels übersehen. Wären sie aber nur unter Wasser, so könnte er den Himmel nicht beobachten, wo so mancher Vogel auf ihn als Beute lauert. So hat er Augen, die zugleich in die Luft und ins Wasser sehen können: Er hat Luft- und Wasseraugen. Und weil in seinem winzigen Gehirn alles gleichzeitig zusammenläuft, ist sein Sehen immer ein Ineinander und Beieinander von oben und unten, von Himmel und Erde. 

Dieser Käfer ist uns in seiner Fähigkeit, zu sehen, voraus. Er sieht nicht nur eine Seite der Dinge.

Zurück zur Symbolgeschichte mit dem Taumelkäfer und seinem besonderen Sehvermögen. Am Schluss sagt der Verfasser: So ist sein Sehen immer ein Ineinander und Beieinander von Himmel und Tiefe. Viel Leid und Zerstörung kommt in die Welt, wenn der Mensch im Leben und in der Schöpfung auseinander reisst, was Gott zusammen haben will. Der Blick, der Himmel und Tiefe zusammen sieht, ist ein heilender Blick, der verbindet. Mögen dem heilenden Blick dann auch heilende Taten folgen. 

Übrigens: die soeben begonnene Fastenzeit kann mithelfen, dass wir diesen neuen, heilenden Blick immer wieder neu üben.

18.02.2021 :: Rudolf Vogel