Immer mehr Leute haben den Wunsch nach einem eigenen Haustier

Immer mehr Leute haben den Wunsch nach einem eigenen Haustier
Weil derzeit die Leute mehr Zeit für ihre Haustiere haben, würden sie auch rascher erkennen, wenn es den Tieren nicht gut geht, hat der Tierarzt die Erfahrung gemacht. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Emmental: Der Wunsch nach einem Haustier verstärkte sich seit dem ersten Lockdown. Die Tierheime werden mit Anfragen überschwemmt. Wer hier kein Tier findet, sucht oft im Ausland.

«Ich hätte gerne ein Tier, egal welches» oder «Können wir uns einen Hund eine Zeit lang ausleihen?» Bei Anfragen wie diesen sträuben sich die Haare von Ernst Dummermuth. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Monika Rentsch führt er das Tierheim Emmental in Rüegsau. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 bekämen sie viel mehr Anfragen als sonst, erzählen die beiden. Sogar aus Neuenburg und dem Wallis reisten Inte-
ressenten an, die teilweise regelrecht die Tierheime abklapperten auf der Suche nach einer Katze oder einem Hund. «Wem ich eines der Tiere verkaufe, entscheidet das Bauchgefühl», sagt Ernst Dummermuth, der das Heim schon über 45 Jahre lang führt. Gar nicht mag er, wenn Kunden zu sehr darauf pochen, jetzt gleich ein Tier zu bekommen. Besonders bei Hunden mit schwierigem Charakter sei es sehr wichtig, einen Menschen mit der nötigen Erfahrung zu finden, so Dummermuth.

1100 Hunde mehr innert eines Jahres

Wie viele zusätzliche Haustiere im Vergleich zu Zeiten vor Corona angeschafft werden, ist schwer zu beziffern, da die wenigsten Katzen und Kleintiere registriert sind. Einfacher ist dies bei den Hunden. Laut der Datenbank von Amicus leben im Kanton Bern zurzeit rund 63´700 Hunde. Das sind 1100 mehr als im Januar 2020 – ein klarer Trend nach oben im Vergleich zu den vorherigen Jahren. Dies beobachten auch Monika Rentsch und Ernst Dummermuth: «Wir hatten im Dezember und Januar so viele Welpen in den Kursen wie noch nie», erzählt der Tierheimleiter. Er kenne Züchter, deren Welpen über zwei Jahre hinaus reserviert wurden. 

Näher am Tier dank Home-Office

Welpen müssen unter anderem gechipt und geimpft werden und werden dafür dem Tierarzt vorgestellt. Es sei schwer zu sagen, ob es im letzten Jahr im Vergleich zu den Jahren zuvor mehr neu registrierte Haustiere in der Praxis gab, sagt der Tierarzt Hans-Martin Sutter, Leiter der Tierarztpraxis Schönenboden in Grosshöchstetten. Die Anzahl der von der Praxis betreuten Haustiere steige sowieso seit Jahren. Doch etwas ist Hans-Martin Sutter aufgefallen: «Wenn die Leute im Home-Office arbeiten, sind sie näher am Tier, beobachten es besser und rufen dann auch früher an, wenn es den Tieren nicht gut geht.» Das sei sehr positiv. Schade sei hingegen, dass der Kontakt zu den Tierhaltern im Moment nur eingeschränkt möglich sei: «Wegen der Schutzmassnahmen dürfen wir den Tierbesitzer nicht mit in den Behandlungsraum nehmen.»

Tausende Hunde importiert

Nicht wenige der hier lebenden Haustiere stammen aus dem Ausland. Mehr als 28´000 Hunde wurden gemäss der Statistik von Amicus alleine im Jahr 2020 legal in die Schweiz importiert. Davon, Tiere im Ausland zu kaufen, raten sowohl der Tierarzt Hans-Martin Sutter als auch Ernst Dummermuth und Monika Rentsch ab. «In der Schweiz haben wir genügend Findlinge und traurige Fälle», sagt der Tierheimbesitzer. Oft hätten importierte Tiere ein ziemlich grosses «Rucksäckli», sei es psychischer oder gesundheitlicher Art. Für alle Befragten ist klar, dass man auf jeden Fall vor einem Kauf das Tier vor Ort besuchen sollte. Wie wächst es auf, ist bei Jungtieren ein Muttertier vorhanden? Hans-Martin Sutter gibt zu bedenken, dass in vielen Fällen die Käufer mit den wildesten Geschichten abgespeist und betrogen würden. «Oft werden die Tiere in nicht kontrollierten Zuchtstätten unter miserablen Verhältnissen vermehrt und dann über viele Stationen in der Schweiz zum Kauf angeboten», weiss der Tierarzt. 

Gefahr von Krankheiten

Mit Importen würden zudem neue Krankheiten in die Schweiz eingeschleppt. «Wenn sich das Klima erwärmt, überleben vermehrt auch Zwischenwirte und solche Krankheiten werden hier ansässig.» Krankheiten, wie die durch Sandmücken übertragbare Leishmaniose. Sie ist gemäss einem Merkblatt der European Scientific Counsil Companion Animal Parasites in Mitteleuropa zu einer der am häufigsten diagnostizierten Reiseerkrankungen beim Hund geworden. Die Sandmücke, die als Zwischenwirt den Erreger durch einen Stich überträgt, wurde bereits vereinzelt in der Südschweiz festgestellt. Leishmaniose kann nicht nur Hunde, sondern auch den Menschen befallen, seltener Katzen, Füchse und andere Tiere. Die schwer zu behandelnde Krankheit kann lange Zeit unbemerkt bleiben, verschiedenste Beschwerden verursachen oder sogar tödlich enden.

Was dann?

Enden wird auch die Corona-Krise irgendwann. Was geschieht, wenn die Menschen wieder auswärts arbeiten und weniger Zeit haben für ihre Haustiere? Vor dieser Zeit haben Monika Rentsch und Ernst Dummermuth vom Tierheim Emmental keine Angst – im Gegenteil: «Wir hoffen, dafür mehr Tagestiere als bisher zu bekommen», sagen sie. Denn das privat geführte Tierheim lebte bisher hauptsächlich von den Einnahmen durch Ferien- und Tagestiere, die nun weitgehend fehlen. 

Um das Tierheim am Leben zu erhalten, musste der pensionierte Ernst Dummermuth bereits auf seine eiserne Reserve zurückgreifen. Deshalb sehnen er und seine Nachfolgerin, Monika Rentsch, sich nach der Rückkehr zur Normalität.

11.02.2021 :: Rebekka Schüpbach (srz)