Baumhütten im Wald: pädagogisch wertvoll, aber nicht erlaubt

Baumhütten im Wald: pädagogisch wertvoll, aber nicht erlaubt
Bild: Jürg Kühni (JKB)
Kanton Bern: Mit einer Motion möchte Michel Seiler erreichen, dass Baumhütten unkompliziert bewilligt werden. Das wider­spreche dem Schutzgedanken des Waldes, sagt der Regierungsrat.

Während des Lockdowns im Frühling haben sich die Kinder, statt in der Schule, zu Hause aufgehalten. «Viele Eltern begaben sich mit ihren Kindern in die freie Natur und in den Wald, der bekanntlich öffentlich ist, und bauten vielmals im Einverständnis der Waldeigentümer Spiel- oder Baumhäuser, was nach geltender Waldgesetzgebung illegal ist», schreibt Grossrat Michel Seiler aus Trubschachen (Grüne) in der Begründung zu seinem parlamentarischen Vorstoss. Damit möchte er erreichen, dass Kinder und Jugendliche legal eine Baumhütte bauen dürfen. «Sie brauchen gerade heute, da vieles eng und begrenzt ist, Freiraum», erklärt er auf Anfrage. Es gehe nicht darum, dass ein Schreinermeister ein Haus hinstelle, sondern um einfache, selbst gebaute Hütten, beispielsweise aus herumliegenden Ästen. Seiler definiert in seiner Motion eine maximale Grösse von zehn Quadratmetern und eine Gesamthöhe von 2,5 Metern. Natürlich brauche es die Erlaubnis des Waldbesitzers und eine Bewilligung. Diese könne die Gemeindebehörde, welche die Verhältnisse vor Ort kenne, rasch und unbürokratisch erteilen, findet der Grossrat. Er fordert, dass die Waldverordnung entsprechend angepasst wird. 

Erhebliche Störung möglich

Die Antwort des Regierungsrats fällt ablehnend aus. Zwar anerkennt er, dass es pädagogisch wertvoll sei, wenn Kinder im Wald spielten und aus Naturmaterialien einfache Hütten bauten. Dies gefährde die Waldfunktionen in der Regel nicht. «Deshalb werden solche Hütten von den Waldbesitzenden und Behörden meist toleriert», hält er fest. Deswegen jedoch die kantonale Waldverordnung zu ändern, sei aus mehreren Gründen problematisch. «Spiel- und Baumhäuser der hier beantragten Art dienen einer privaten Nutzung und können den Wald, die Waldbewirtschaftung und die Waldfunktionen erheblich stören oder beeinträchtigen.» 

Betreffe ein Bauvorhaben den Wald und dessen Schutzinteresse, sei es baubewilligungspflichtig und benötige eine raumplanerische Ausnahmebewilligung, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort (siehe Kasten). Das gelte auch für Spiel- und Baumhäuser. Aus Sicht des Regierungsrates stellen sich weitere rechtliche Fragen betreffend Betrieb und Sicherheit. Die Nutzung für Übernachtungen im Wald könne nicht ausgeschlossen werden. «In sensiblen, siedlungsnahen Gebieten könnten in Waldrandnähe verteilte Baumhütten so zu einer starken Störung des Wildes und zu Schäden an der Verjüngung im Wald führen», nennt er ein weiteres Argument gegen das Ansinnen des Motionärs.

Nutzen grösser als Schaden

Michel Seiler lässt sich ob der negativen Antwort des Regierungsrats nicht beirren. Entscheiden werde der Grosse Rat in der kommenden Wintersession und er hoffe, mit seinem Anliegen eine Mehrheit zu finden. Natürlich könnten negative Auswirkungen einer Baumhütte nicht in jedem Fall ausgeschlossen werden. «Für mich aber überwiegen die Vorteile bei weitem, nämlich das Erlebnis für die Kinder in der freien Natur und das gemeinsame Arbeiten.» Da seien Mountainbiker, die durch den Wald rasten, und Waldarbeiter, die tagelang mit der Motorsäge herumlärmten, schwerwiegendere Störungen von Wald und Wild als ein paar Kinder in einer Baumhütte.

«Der Wald ist keine Bauzone»

«Rechtlich gesehen ist es klar: Man darf im Wald nicht ohne Ausnahmebewilligung bauen, selbst wenn
es eine gute Sache ist», sagt Eva Kaufmann, Bereichsleiterin Recht und Planung beim kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren. Der Wald sei keine Bauzone. Gemäss kantonaler Waldverordnung können nichtforstliche Kleinbauten nur bewilligt werden, wenn sie auf einen Standort im Wald angewiesen sind und die Waldfunktion nur unwesentlich beeinträchtigen. Namentlich aufgeführt sind etwa Sport- und Lehrpfade, Bienenhäuschen, Hochsitze oder dauerhafte feste Einrichtungen von Waldspielgruppen. «Selbst wenn man Baumhütten dort auch aufführen würde, bräuchte es trotzdem eine Ausnahmebewilligung des Amtes für Gemeinden und Raumordnung sowie die Zustimmung des Amtes für Wald», betont Eva Kaufmann. Es stellten sich nebst dem Schutzinteresse des Waldes auch Haftungsfragen, ergänzt sie und nennt ein Beispiel: Ein Baumhaus wird nach einer gewissen Zeit nicht mehr genutzt und verfällt. Jemand steigt hinauf und stürzt ab. Wer haftet?

19.11.2020 :: Silvia Wullschläger (sws)