Wanderwege dürfen nicht in Eigenregie verlegt werden

Wanderwege dürfen nicht in Eigenregie verlegt werden
Dieser Wanderweg entlang einer Weide ist ausgezäunt. Dies ist ohne Baubewilligung möglich. / Bild: zvg
Kantone Luzern/Bern: Wanderwege unkompliziert verlegen können, um etwa eine Mutterkuhherde zu umgehen, fordert ein Postulat. Das sei bereits möglich, sagen Fachstellen.

Hans Lipp, Gemeindeammann von Flühli und Luzerner Kantonsrat, erhält mehrmals pro Jahr Anrufe von Landwirten, die mit der Führung eines Wanderweges Mühe bekunden. «Das kann sein, weil das Weidegebiet ändert, weil von der Milchkuh- auf Mutterkuhhaltung umgestellt wird oder neu Herdenschutzhunde eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit Wanderern und Bikern birgt das Konfliktpotenzial», erklärt Lipp. Mit einem Postulat, das 25 Mitglieder des Kantonsrats mitunterzeichnet haben, möchte er erreichen, «dass eine geringfügige Verlegung eines Wanderweges in Weiden mit Mutterkühen keiner Bewilligung bedarf». Es gehe darum, Unfälle zu verhindern (siehe Kasten). Die neue Linienführung der Wanderwege solle der Weidabzäunung der Landwirte und Älpler dienen, steht im Postulat, das der Regierungsrat noch nicht beantwortet hat. 

Muss gebaut werden, dauerts

Zwar könnten Wanderwege bereits heute in Zusammenarbeit mit den Luzerner Wanderwegen unkompliziert umgelegt werden, führt Hans Lipp aus. Doch sobald es bauliche Anpassungen brauche, gehe das nicht mehr. «Manchmal muss ein Weg entwässert oder mit Schotter befestigt werden, damit er auch nach einer Regenperiode begangen werden kann.» In diesen Fällen brauche es ein Baubewilligungsverfahren unter Einbezug der kantonalen Fachstellen. Ein solches Verfahren dauere schnell einmal zwei Monate, weiss der Gemeindeammann aus Erfahrung. «Doch manchmal eilt es und es muss rasch eine Lösung gefunden werden.» 

Wie Roland Emmenegger, Abteilungsleiter Baubewilligungen bei der kantonalen Dienststelle Raum und Wirtschaft (Rawi), ausführt, könnten Wanderwege ohne Baubewilligung auf bestehende Wege verlegt werden. «Fuss- und Wanderwege dürfen jedoch nur gebaut oder wesentlich geändert werden, wenn ein Wegprojekt bewilligt worden ist.» Tangiere dieses kantonale Hoheiten (zum Beispiel Wald- und Gewässerabstände, Schutzzonen), stelle die Gemeinde das Baugesuch der Dienststelle Rawi zur Beurteilung zu. Diese wiederum stütze sich auf weitere kantonalen Fachstellen. Ebenfalls werde der Verein Luzerner Wanderwege angehört. 

Lösungen vor Ort finden 

Solch aufwändige Verfahren kämen selten vor, sagt Andreas Lehmann, Geschäftsleiter der Luzerner Wanderwege. Meist könne bei einer Besichtigung vor Ort, zusammen mit dem Landbesitzer und der Gemeinde, eine Lösung gefunden werden. «Ob ein Weg links oder rechts der Weide entlang führt oder, statt über den Hofplatz um eine Scheune herum, spielt meist keine Rolle.» Wichtig sei, dass die neue Linienführung Sinn mache und die Signalisation stimme. Führe ein Weg durch eine Weide mit Mutterkühen, gebe es oft einfache Lösungen, führt Andreas Lehmann aus. Manchmal könne der Weg ausgezäunt oder die Weide unterteilt werden, so dass die Kühe mal auf der einen, mal auf der anderen Seite weideten. 

Aufwändigere Fälle

Hans Ulrich von Gunten, technischer Leiter der Berner Wanderwege, nennt mögliche Lösungen bei komplexeren Fällen: In einem aktuellen Beispiel in Walkringen müsse ein Wegstück wegen Mutterkühen auf eine Strasse verlegt werden. Das Problem: Die Strasse ist asphaltiert, der Ersatz muss aber ein Naturweg sein. Es gebe nun zwei Möglichkeiten, erklärt von Gunten. Das Wegstück könne an einer anderen Stelle der Route kompensiert werden. «Das heisst, dort wird der Weg von einer asphaltierten Strasse auf einen Naturweg verlegt.» Oder man könne prüfen, den Wanderweg grossräumiger anders zu führen, was jedoch aufwändig sei. 

Keine Option ist es, nichts zu tun. Gemäss Artikel 7 des Bundesgesetzes über Fuss- und Wanderwege ist für Wanderwege, die ganz oder teilweise aufgehoben werden müssen, angemessener Ersatz zu schaffen. Nicht erlaubt sei es, solche Änderungen in Eigenregie vorzunehmen, betont Andreas Lehmann von den Luzerner Wanderwegen. «Wir sind im Auftrag des Kantons Luzern die Hüter des Wegnetzes und liefern die Daten für das Kartenmaterial. Deshalb müssen wir wissen, wenn ein Weg verlegt wird.

«Nicht erst handeln, wenn es brennt»

Zwar komme es ab und zu noch zu Unfällen mit Mutterkühen, jedoch stelle er keine Zunahme an Fällen fest, sagt Heinz Feldmann von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL). «Dies, obwohl sowohl die Zahl der Mutterkühe als auch jene der Wanderer stetig steigt.» Wichtig für Landwirten sei es, vorausschauend zu handeln und nicht erst dann, wenn es brenne. «Gab es diesen Sommer auf einer Alp Probleme, ist jetzt der Zeitpunkt, Lösungen zu erarbeiten und nicht erst im Frühling.» Weiter empfiehlt Feldmann, bereits vor einer Umstellung auf Mutterkuhhaltung eine Risikobeurteilung vorzunehmen. «Auf diese Weise können viele Probleme und Konflikte verhindert werden.»

22.10.2020 :: Silvia Wullschläger (sws)