Robert Stuker: Der Prinzenerzieher aus dem Emmental

Robert Stuker: Der Prinzenerzieher aus dem Emmental
Orden aus ­verschiedenen Königshäusern hängen an Stukers Brust.
Emmental: Robert Stuker beherrschte 18 Sprachen und wirkte am griechischen Königshof. Eine Spurensuche im Emmental, wo der griechische Kammerherr geboren und aufgewachsen war.

Wie ein geschmückter Tannenbaum blickt Robert Stuker in  die Kamera. An seiner Brust hängen zahlreiche Orden. Die Aufnahme befindet sich hinter Glas und ist ausgangs Grünenmatt in einem Schaukasten zu besichtigen.

Marta Meyer-Salzmann (1913–2006), bekannt für ihre medizinhistorische Forschung, hat 1996 ein Büchlein über Robert Stuker herausgebracht, den sie aus Erzählungen ihrer Grossmutter kannte. Auf ihre Anregung hin liess die Gemeinde Grünenmatt ein Jahr später einen Informationskasten errichten und eine Gedenktafel am Schulhaus anbringen. Marianne Flückiger, die damalige Gemeinderätin, erklärt: «Die Gedenktafel erinnert nicht nur an Robert Stuker, sondern auch an seinen Vater. Er war ein aussergewöhnlicher Lehrer, sehr gebildet und mit Albert Bitzius und anderen Geistesgrössen befreundet.» Sie zeigt auf eine grosse Linde westlich des Gebäudes: «Diesen Baum hat der Vater einen Tag nach der Geburt seines einzigen Sohnes Robert gepflanzt.» 

Am griechischen Königshof

1888 reiste Robert Stuker zum ersten Mal nach Athen. Eine Adelsfamilie hatte die Schweiz, «das Land der Schule», um eine geeignete Persönlichkeit angefragt. Die Universität empfahl daraufhin Robert Stuker, der mit 25 Jahren bereits einen Doktortitel besass und fünf Sprachen beherrschte. Zwei Jahre später wurde Stuker Prinzenerzieher am griechischen Königshof.  

Er unterrichtete die beiden jüngsten Söhne Alexander und Christophor. Bald gewann Stuker nicht nur die Gunst der beiden Prinzen, die ihren Lehrer verehrten, sondern auch das Vertrauen des Königs. Über verwandtschaftliche Bande – George I stammte aus dem dänischen Königshaus, König Olga war eine Enkelin des Zaren – lernte Stuker viele Königshäuser kennen. Er war ein gern gesehener Gast und erhielt viele kostbare Geschenke und Orden. 

Der sprachkundige Schweizer erfüllte zahlreiche Sondermissionen. 1903 besuchte er den türkischen Sultan unter dem Vorwand, dem Prinzen die osmanische Kultur näherzubringen. Er führte die Gespräche auf Türkisch, was den Sultan dermassen freute, dass er ihm zum Abschied den rot-grünen Stern des Osmanje-Ordens umhängte. 

1916 brach in Griechenland der Bürgerkrieg aus und zwang die Königsfamilie ins Exil. Im letzten Moment gelang es Stuker, Königin Olga, die nach Russland gereist war, um Kriegsverletzte zu pflegen, aus dem Land zu schaffen. In der Schweiz wohnte die mittellos gewordene Königsfamilie in Hotels. Die Rechnungen beglich Stuker aus dem reichen Erbe seiner Eltern.

Zu Besuch im Emmental

Marta Meyer-Salzmann konnte sich auf eine Menge Fakten stützen, die Jürg Stuker im Buch «Die grosse Parade» über seinen Vater gesammelt hat. Daneben hat sie auch Neues zu Tage gefördert wie den Briefwechsel zwischen Stuker und Karl Berger, einem Schulkameraden in Grünenmatt. 

1894, auf der Heimreise von Neujahrsfeierlichkeiten am Zarenhof, machte Stuker eine Stippvisite in Langnau, wo Theaterleute ihn sogleich bestürmten, im Stück «Der Verschwender» für den erkrankten Hauptdarsteller einzuspringen. «Direkt vom Zaren kommend, kannst du die Rolle aus dem Stegreif spielen», lautete die Begründung. Stuker machte mit und rettete die Aufführung.

Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit Gottfried Röthlisberger aus Langnau. Der Sohn eines Käsers begleitete Robert Stuker nach Mailand, wo die beiden Emmentaler ein Internat besuchten. Später habe Röthlisberger ein blühendes Käsegeschäft mit Italien aufgebaut, schreibt Marta Meyer-Salzmann. Nachgefragt bei der Familie der ehemaligen Käseexportfirma bestätigt Susan Röthlisberger die Aussage und schiebt eine Geschichte nach. Gottfried Röthlisberger habe in Mailand einmal seinen Vater um Geld gebeten, worauf ihm dieser einen Laib Emmenthaler geschickt habe. Die beiden Studenten hätten dann den Käse auf einem Handwagen durch die Stadt geführt und den Käse stückweise verkauft.


Robert Stuker, Marta Meyer-Salzmann, 1996. Erhältlich bei der Gemeinde Lützelflüh oder im Regionalmuseum Langnau

Im Dienste des Königs und des Papsts

– Nach 17 Ehejahren seiner Eltern kommt am 18. Februar 1863 Robert Stuker in Grünenmatt zur Welt. Sein Vater ist eine hoch geschätzte Lehrerpersönlichkeit.

– Seine begüterten Eltern lassen ihrem einzigen Sohn eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen (Neuenburg, Mailand, England).

– Robert Stuker ist ein Sprachgenie: Mit 40 Jahren beherrscht er 18 Sprachen. 

– 1890–1898 ist er Prinzenerzieher am griechischen Königshof, danach rechte Hand des Königs.

– 1917–1920 Exil: Stuker lebt mit der Königsfamilie in der Schweiz.

– 1924 fester Wohnsitz in Rom. Stuker wird Zeremonienmeister beim Papst.

– 1935 zieht er nach Gerzensee. Adelige aus aller Welt besuchen ihn. Er adoptiert seinen Patensohn Jürg Stuker, der später Auktionator und Kunstsammler wird.

– Wiedereinsetzung der Monarchie in Griechenland (1935).

– 1940 stirbt Stuker nach der Überfahrt in Athen. 1953 werden seine sterblichen Überreste nach Gerzensee überführt.

28.05.2020 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)