Online sein Wohlbefinden verbessern

Online sein Wohlbefinden verbessern
Das Selbsthilfeprogramm Hermes ermöglicht, dass man von zuhause aus an seinem Problemlöseverhalten arbeiten kann. / Bild: Jana Wyss (wjk)
Psychologie: Die Universität Bern betreibt Forschung zu einem Selbsthilfeprogramm im Internet, welches niedergeschlagenen und leicht depressiven Menschen helfen soll.

Internetbasiertes Selbsthilfeprogramm – so nennt sich die neue Form der Therapie für psychische Probleme, die in den letzten Jahren von Wissenschaftlern intensiv untersucht und weiterentwickelt wurde. Auch die Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie der Uni Bern leistet einen Beitrag zu dieser Forschung. Seit Ende Februar läuft eine Studie zu einem Online-Programm namens Hermes, das Personen mit Anzeichen einer leichten oder mittelschweren Depression zu einem besseren Wohlbefinden verhelfen soll. Dieses Selbsthilfeprogramm haben Thomas Berger, der Leiter der Studie, und Doktorand Oliver Bur für eine Forschung entwickelt. «Die Basis für das Programm war eine wissenschaftlich überprüfte Psychotherapie, die es bereits gab. Wir haben deren Grundlage in ein Online-Programm umgeformt», erklärt Oliver Bur. Die Grundannahme dieser Psychotherapie besage, dass sich das eigene Wohlbefinden verbessert, wenn man lernt, Probleme zielgerichtet anzugehen und zu lösen.

Drei Module zum Bearbeiten

Hermes funktioniere nicht wie das allgemein bekannte therapeutische Gespräch: «Es ist eher eine Art Plattform, auf der man in einem ersten Schritt Informationen darüber erhält, wie sich ungelöste Probleme auf unsere Emotionen auswirken und wie das wiederum auch unser Denken und Handeln beeinflussen kann», erklärt Oliver Bur. In einem zweiten Schritt gebe es drei Module zu den Themen Denken, Fühlen und Handeln, welche man selbständig bearbeiten könne. «Darin enthalten sind jeweils Videos, Audiodateien, Grafiken und Übungen, die man ausführen und danach in den eigenen Alltag integrieren kann», erzählt der Doktorand. Das Programm soll die eigene Problemlösefähigkeit verbessern. Dadurch soll es den Anwendern und Anwenderinnen gelingen, eine depressive Spirale zu durchbrechen. 

Durch Corona ins Scheinwerferlicht

Das Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) arbeitet im Bereich der Online-Therapie eng mit der Uni Bern zusammen. Timur Steffen ist dort Leiter des Projektes und des ambulanten Angebotes Stepped Care Kanton Bern. «Wir beziehen etwa schon seit einem Jahr moderne Kommunikationswege und die Online-Therapie in unsere Behandlungen und Abklärungen mit ein.» Jeder Patient und jede Patientin bekomme in Münsingen einen Zugang zum Selbsthilfeprogramm Hermes. Auch mit Hausärzten und -ärztinnen stehe das PZM in engem Kontakt, damit sie ihre Patienten direkt über das Online-Angebot informieren können. «Ein grosser Teil der Menschen schätzt die persönliche Therapie vor Ort. Für viele weitere ist es aber eine Erleichterung, wenn sie nicht in die Klinik kommen müssen und von zuhause aus ein Selbsthilfeprogramm bearbeiten können und dabei – bei Bedarf – per Telefon oder Videoanruf therapeutisch unterstützt werden», hat Timur Steffen die Erfahrung gemacht. Dieses Bedürfnis sei schon immer dagewesen, aber erst jetzt, durch die Veränderungen, die das Corona-Virus verursacht hat, ins Scheinwerferlicht gerückt.

Bis jetzt gute Erfahrungen

Für die Nutzung des Onlineprogramms Hermes haben bereits 700 Personen ihre E-Mail-Adresse hinterlassen. «Von 200 Personen, die ihre Einverständniserklärung zur Teilnahme geschickt haben, konnten wir mehr als die Hälfte in unsere Studie aufnehmen», erklärt Studienkoordinator Oliver Bur. Innerhalb der Studie gebe es bis jetzt noch keine expliziten Rückmeldungen. Timur Steffen vom PZM kann aber sagen: «Etwa zwei Drittel der Patienten, denen wir das Onlineprogramm empfohlen haben, haben positiv reagiert und wollten es sich einmal genauer anschauen.» Die Patienten, mit denen er selbst unterwegs sei, hätten das Online-Programm alle als ideale Erweiterung zu persönlichen Gesprächen bezeichnet. Internetbasierte Selbsthilfeprogramme als sinnvolle Ergänzung – das sieht auch die Wissenschaft so. «Wird ein solches Programm mit wöchentlichem Kontakt mit einer therapeutischen Person ergänzt, so ist die Wirkung deutlich besser. Das konnte belegt werden», erklärt Oliver Bur.

Vor- und Nachteile der Online-Therapie

Vorteile:

• Die Hürde, um eine Behandlung von psychischen Problemen zu beginnen, ist kleiner.

• Man kann beim internetbasierten Selbsthilfeprogramm anonym bleiben.

• Das Programm kann orts- und zeitunabhängig durchgeführt werden.

• Man braucht nicht zwangsläufig einen Therapeuten oder eine Therapeutin.


Nachteile:

• Die Therapie ist nicht geeignet, um suizidale Patienten zu behandeln. Bei akuten Krisen kann das Onlineprogramm nicht helfen. In solchen Fällen muss unbedingt eine Fachperson kontaktiert werden und professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

• Die Therapie ist unverbindlicher als persönliche Termine, die Wahrscheinlichkeit, das Selbsthilfeprogramm abzubrechen, ist höher.

• Zurzeit existiert noch keine Zertifizierung für psychologische Onlineprogramme. Es sollte darauf geachtet werden, dass solche Programme in Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Forschung stehen oder wissenschaftlich geprüft wurden.

• Der Datenschutz ist in vielen Augen noch ein Problem. Die Uni Bern behandelt die Daten streng vertraulich und alle gesetzlichen Regeln zum Datenschutz werden eingehalten.

20.05.2020 :: Jana Wyss (wjk)