Kuh und Kalb bleiben zusammen, der Bauer melkt einmal pro Tag

Kuh und Kalb bleiben zusammen,  der Bauer melkt einmal pro Tag
Die Familie Wenger-Hofstetter mit den Kindern und der Sozialpädagogin. Sie bewirtschaften den Hof Obergummen in Trubschachen. / Bild: zvg
Langnau: Ein Automat bietet Milch aus einer besonders tierfreundlichen Haltung. Die Milch stammt von Kühen, deren Kälber saugen dürfen und die nur einmal am Tag gemolken werden.

Lange war es offiziell verboten, dass Milch von Kühen, die ihr Kalb säugen, in den Handel kommt. Entweder man hält Milchkühe, und die Kälber werden relativ kurz nach der Geburt der Kuh weggenommen, oder man spezialisiert sich auf die sogenannte Mutterkuh-Haltung und setzt auf Kalb- oder Rindfleisch. 

Laut Evelyn Scheidegger vom Verein Cowpassion sei aber in der Schweiz die Nachfrage nach Milch aus tierfreundlicher Mutter-Kalbhaltung ein immer grösser werdendes Bedürfnis. «Die Kälber dürfen bei ihrer Mutter bleiben und stärken durch das Saugen am Euter der Mutter auch ihr Immunsystem.» Der Einsatz von Antibiotika könne so reduziert werden und ebenfalls der Stress für Mutter und Kalb. Die muttergebundene Kälberaufzucht (kurz Mu-Ka-Haltung) gewinne deshalb in der heutigen Zeit bei Konsumentinnen und Konsumenten an Bedeutung und die Nachfrage steige, betont Evelyn Scheidegger.

Rechtliche Hürden überwunden

Die bisherige Gesetzgebung im Lebensmittelbereich sah nicht vor, dass das Kalb bei der Mutter saugt, wenn gleichzeitig die Milch als Lebensmittel in den Verkehr gebracht wird. Gemäss Artikel 32 der Verordnung über Lebensmittel tierischer Herkunft ist Milch «das ganze Gemelk eines oder mehrerer Tiere (...), die regelmässig gemolken werden». Der Begriff «ganzes Gemelk» schliesst das Saugen durch das Kalb aus. Nach dem Nationalrat hat dann aber auch der Ständerat eine Motion von Martina Munz (SP/SH) angenommen, dass die Kuhmilch aus Mutterkuhhaltung legal vermarktet werden kann. Munz argumentierte, dass die besonders tierfreundlich produzierte Milch einem Bedürfnis der Konsumenten entspreche und in Deutschland als Nischenprodukt bereits erfolgreich vermarktet werde. In der Schweiz könne man das aufgrund einer rechtlichen Unsicherheit aber nicht ausloben. Nationalrat Peter Hegglin (CVP/ZG) unterstützte die Motion. Die Milch von Mutterkühen entspreche den hohen Anforderungen des Lebensmittelrechts und dürfe deshalb auch verkauft werden. 

Schritt für Schritt umstellen

Bianca und Florian Wenger-Hofstetter führen seit Anfang Januar 2020 einen Demeter-Betrieb in Trubschachen. Seit rund drei Jahren wohnen sie mit ihren drei Kindern auf dem Hof Obergummen. Die Sozialpädagogin Sonja Häckel ergänzt das Team Gummen. Nebst dem Betreuen der ein bis zwei Pflegekinder arbeitet sie tatkräftig mit bei der Produktion der «Milch mit Herz», wie sie angepriesen wird. Bereits die Vorgänger der Familie Wenger-Hofstetter haben eng mit dem Berghof Stärenegg zusammengearbeitet und immer wieder von dort Kinder und Jugendliche betreut. 

Im Stall stehen zwölf Kühe, «ein Gemisch aus Grauen und Braunen», wie Bianca Wenger-Hofstetter erzählt. «Dazu kommen ein Muni, zwei Rinder und natürlich Kälber.» Schritt für Schritt wollen sie nun auf die Mu-Ka-Haltung umstellen, weil sie immer mehr Mühe hatten, die Kälber kurz nach der Geburt von der Mutter zu trennen. Das Ziel ist, die Kälber zwar durch den Tag saugen zu lassen, die Kühe aber am Morgen, das heisst ein Mal am Tag, zu melken. Im Moment funktioniert das laut Bianca Wenger- Hofstetter mit drei Kühen. Diese  Milch ist in Langnau an einem Automaten neben dem Bioladen «Pfyfouter» erhältlich. Die restliche Demeter-Milch liefert die Bauernfamilie in die Gohl, wo sie zu Käse verarbeitet wird.

Konsumenten wollen Informationen

Alle zwei Tage wird die Rohmilch im Automaten nachgefüllt. Die Nachfrage sei in den letzten Wochen spürbar gewachsen, es gebe aber noch viel Luft nach oben, erklärt Bianca Wenger-Hofstetter. Was aber ganz klar zunehme, sei der Erklärungsbedarf bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Die mit viel Aufwand hergestellte Milch erfordere einen höheren Preis. Viele Kundinnen und Kunden würden aber gern den Mehrpreis bezahlen, wenn sie dadurch eine besonders tierfreundliche Kälberhaltung unterstützen könnten, ist sie überzeugt.

07.05.2020 :: Kathrin Schneider (skw)