Imposant und nervenstark

Imposant und nervenstark
Marius Zollet mit seiner Burgdorfer- stute Arlette, die in den nächsten Tagen ein Fohlen erwartet. / Bild: Veruschka Jonutis (vjo)
Affoltern: Ende der 1960er-Jahre galt das Burgdorferpferd als ausgestorben. Vor zwölf Jahren nahmen ein paar Idealisten die Zucht wieder auf, seither stieg die Population auf 60 Tiere an.

Imposant ist sie, die Burgdorferstute Arlette. Den Kopf hochaufgerichtet, blickt sie über die Weide und ruft ihren Kollegen, die noch im Stall stehen. Ungeduldig schüttelt sie ihre dicke, schwarze Mähne und stampft mit den grossen Hufen. Genau dieses Mächtige, dieses Imposante ist es, was Züchter Marius Zollet an dieser Pferderasse fasziniert. «Hinter ihrem beeindruckenden Äusseren verbirgt sich ein nervenstarkes und genügsames Tier. Seine Stärke beeindruckt mich immer wieder aufs Neue», sagt Marius Zollet. Er ist Präsident des Zuchtvereins der Burgdorferpferde. 

Vor gut zehn Jahren taten sich ein paar Freibergerzüchter zusammen mit dem Ziel, das ausgestorbene Burgdorferpferd wieder aufleben zu lassen. Heute gibt es schweizweit bereits 20 Züchter. «Die alten Zuchtbücher, in denen der anzustrebende Körperbau und der Charakter festgehalten wurden, waren zum Glück noch vorhanden. Diese bilden die Grundlage der heutigen Zucht», erklärt Marius Zollet. Das Burgdorferpferd ist eine Kreuzung aus dem Freibergerpferd und dem Ardenner, einem Belgischen Kaltblutpferd. «Als ich vor elf Jahren von der Wiederaufnahme der Zucht erfuhr, war ich begeistert und wollte diese unterstützen. Durch meine langjährige Tätigkeit als Präsident des Pony-Verbands Sektion Oberaargau/Emmental waren mir die Vereinsstrukturen bekannt und es freut mich, dass ich mit meiner Erfahrung im Vorstand mitwirken kann», sagt Zollet.

Starke Pferde waren gefragt

Der Ursprung des Burgdorferpferds reicht zurück ans Ende des Ersten Weltkrieges. «Damals waren schwere und starke Pferde gefragt, um sie in der Landwirtschaft einzusetzen. Für diese Arbeiten waren die Freiberger fast zu leicht und die Ardenner waren für die weichen Böden eher zu schwer», erklärt Marius Zollet. Auch zur Überwindung von grösseren Strecken mit dem Wagen wünschte man sich ein kräftiges, aber nicht zu massiges Pferd. Das war die Geburtsstunde des Burgdorferpferdes. Mit dem Wandel in der Landwirtschaft nahm der Bedarf an Arbeitspferden laufend ab und gleichzeitig wuchs der Wunsch nach edlen Reitpferden. «Diese Entwicklung machte auch vor dem Freiberger nicht Halt: Heute sind diese oftmals sportlicher als noch vor ein paar Jahrzehnten. Auch andere edlen Rassen wurden in der Schweiz wie auch im Ausland vermehrt gezüchtet und verdrängten den Burgdorfer.» 

Keine Konkurrenz zum Freiberger

Bei der Wiederbelebung dieser Pferderasse gehe es nicht darum, in kurzer Zeit eine grosse Population hervorzubringen. «Unser Ziel ist es, eine nachhaltige Zucht mit gesunden, typgetreuen Tieren aufzubauen. Der Burgdorfer ist kein ‹0815›-Pferd, seine Seltenheit macht ihn fast etwas zum Exoten», schwärmt der Züchter. Man sehe ihn nicht als Konkurrenz zum Freiberger, da er ein anderes Publikum anspreche. Die Kaltblutrasse eigne sich durchaus auch zum Reiten, werde aber häufiger als Zugpferd verwendet. «Die Liebhaber des Burgdorfers setzen ihre Tiere vor allem auf dem Feld oder bei Forstarbeiten ein. Auch zum Ziehen von Schlitten oder Wagen wird er gerne gebraucht», erläutert Marius Zollet. 

Sicheres Familienpferd

Arlette beginnt zu tänzeln, als ihre Mutter, eine 18-jährige Freibergerstute, auf die Weide geführt wird. Ein paar Worte von Marius Zollet reichen, um sie zu beruhigen. «Die Pferde haben Temperament, aber sie verlieren nicht so rasch die Nerven wie andere Rassen. Das macht sie auch zu sicheren Pferden für Familien», sagt der Züchter aus eigener Erfahrung. Er habe oft erlebt, wie sich Kinder sorglos um die imposanten Pferde bewegten, ohne dass die Tiere auch nur einen falschen Tritt machten. «Auch bei Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung benehmen sich die Burgdorfer vorbildlich; sie scheinen zu spüren, dass sie hier Verantwortung übernehmen müssen. Das freut mich und bestätigt mir den freundlichen Charakter dieser Pferde.»

Einsatz bei Waldarbeiten und im Sport

Das Burgdorferpferd hat seinen Ursprung – wie es der Name sagt – in Burgdorf. Mit seinen 550 bis 850 Kilogramm und einem Stockmass von 150 bis 168 Zentimetern gehört es zu den mittelschweren Kaltblutrassen. Meistens ist das Muttertier eine Freibergerstute und der Vater ein Kaltblutpferd. Die Pferde überzeugen mit einem guten Schritt mit deutlichem Übertritt und einem taktreinen Trab. Die Fellfarbe reicht von Braun mit dunklem Behang über Fuchsfarben bis zum Braun-, Rot und Rappenschimmel. Nebst landwirtschaftlichen Arbeiten wird die Rasse für Waldarbeiten, Kutschbetrieb und im Sport (Holzrücken, Fahren und Geschicklichkeitsreiten) eingesetzt. 

Aus der neugestarteten Zucht sind mittlerweile rund 60 Pferde hervorgegangen; zwei davon haben ein Zuhause im Zoo Zürich gefunden. Die noch unbekannte Schweizer Pferdrasse soll so einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden.

23.04.2020 :: Veruschka Jonutis (vjo)